Bundesverfassungsgericht verweigert Schutz

Hört auf vom Rechtsstaat zu reden! Es macht einfach keinen Sinn mehr. Offensichtlich klafft eine zu große Lücke zwischen dem, was ich unter einem Rechtsstaat verstehe und seiner tatsächlichen, hybriden Erscheinungsform.

Seit mehreren Jahren kämpfe ich für die Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards, die von so großer Bedeutung für unser Gemeinwesen ist. Im vorliegenden Fall ging es darum, dass mir mein Insolvenzverwalter Rüdiger Bauch aus Leipzig die Pfändungsfreigrenzen für meine Ehefrau und meine Kinder verweigert hatte. Er pfändete mich sozusagen kahl und ließ mir nicht einmal denjenigen Betrag, den ich zur Führung eines menschenwürdigen Lebens dringend benötigte.

Insolvenzgericht Leipzig ignoriert Pfändungsfreigrenzen

Im zweiten Halbjahr 2015 war es mir endlich gelungen, Arbeit zu finden. Ich fing bei dem schottischen Unternehmen Standard Life in Frankfurt an. Vorher berechnete ich, welches Gehalt mir unter Berücksichtigung meiner Pfändungsfreigrenzen verbleiben wird. Das waren mehr als 3000 €. Für eine fünfköpfige Familie war das zwar nicht übermäßig, es hätte jedoch auch in Anbetracht der hohen Mietkosten in Frankfurt gereicht.

Neben meinen beiden eigenen Kindern war ich gegenüber der in die Ehe mit meiner zweiten Frau eingebrachten Tochter unterhaltspflichtig. Eine entsprechende Verpflichtungserklärung musste ich gegenüber der Ausländerbehörde abgeben, da diese Voraussetzung für die Einreise meiner Ehefrau und ihrer Tochter aus der Ukraine war. An einer Unterhaltspflicht konnte daher nicht ernsthaft gezweifelt werden.

Mein Insolvenzverwalter sah dies jedoch anders und erkannte die bestehenden Unterhaltspflichten für vier Personen nicht an. Er beließ mir nur ein Gehalt unter 1800 €, was im Großraum Frankfurt nicht ausreicht. Dies gilt umso mehr in Anbetracht der Zahlungen gegenüber meinen Kindern, zu denen ich rechtlich verpflichtet war.

Mit dieser Auffassung setzte sich mein Insolvenzverwalter gegenüber dem Amtsgericht Leipzig durch. Das Insolvenzgericht behauptete darin sogar, meine Ehefrau wäre berufstätig, was völlig an den Haaren herbeigezogen war. Ein weiteres Beispiel für die hybride Rechtssprechung in der Bundesrepublik.

Insolvenzgericht Beschluss 29.1.2016

Auf meine Beschwerde hin gab mir dann das Landgericht Leipzig teilweise recht. Immerhin wurde die Unterhaltsverpflichtung gegenüber meiner Ehefrau anerkannt, nicht jedoch gegenüber ihrer Tochter. Gegenüber dieser sei ich nicht gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet, weil ich nicht der Vater des Kindes war. Dass ich mich gegenüber der Ausländerbehörde zum Unterhalt der Tochter verpflichten musste, berücksichtigte das Landgericht Leipzig allerdings nicht.

Teilerfolg vor dem Landgericht wegen Pfändungsfreigrenzen

Offensichtlich wurden damit Familien mit einem ausländischen Kind gegenüber Familien mit rein deutschem Nachwuchs schlechter gestellt. Das war umso weniger akzeptabel, als ich gegenüber der Tochter meiner Ehefrau tatsächlich Unterhalt geleistet hatte. Von Chancengleichheit konnte hier nicht gesprochen werden. Für den Außenstehenden ist all dies wenig verdaulich.

Landgericht Leipzig 14.7.2017

Natürlich wollte ich diese Entscheidung nicht auf sich beruhen lassen und legte Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein.

Verfassungsbeschwerde vom 18.8.2017

Darin rügte ich unter anderem die bestehende Ungleichbehandlung und forderte, die Unterhaltsverpflichtung gegenüber meinen beiden Kindern sowie der Tochter meiner Ehefrau anzuerkennen. Ich rügte ferner die Verletzung von rechtsstaatlichen Mindeststandards, da der mir verbliebene Betrag nicht mehr zur Führung eines halbwegs angemessenen Lebens ausreichte und geradewegs in die Schuldenfalle führte. Es war ferner nicht nachvollziehbar, wieso die Tochter meiner Ehefrau bei den Unterhaltspflichten schlechter gestellt sein sollte, als meine eigenen Kinder.

Nun liegt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor. Meine Verfassungsbeschwerde wurde nicht einmal angenommen. Aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts fehlt die grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung der Angelegenheit. Eine Begründung liefert das Gericht leider nicht.

Bundesverfassungsgericht vom 17.1.2018

Damit bestätigt das höchste deutsche Gericht das bestehende Zweiklassenunrecht. Mein Insolvenzverwalter sowie das Amts- und Landgericht Leipzig werden sich hierdurch bestätigt sehen und nicht von ihrem Kurs abweichen.

Diese Entscheidung hätte ich nicht für möglich gehalten. Sie ist einmal mehr ein Beweis dafür, dass ich aufhören sollte, vom Rechtsstaat zu träumen. Nun habe ich durch alle Instanzen eine Absegungsrechtsprechung erlebt. Vielleicht ist es auch einfach besser, diesem hybriden System den Rücken zuzukehren.

Ermittlungsverfahren gegen Staatsanwältin Siler

Es ist ein kleiner Anfang. Mehr aber auch nicht. Vor einigen Wochen hatte ich eine Strafanzeige gegen die Leipziger Staatsanwältin Siler eingereicht. Diese hatte sich seit mehr als sechs Jahren hartnäckig geweigert, das Verhalten meines ehemaligen Geschäftspartners Lap Kristiansen, der mich beim Betrieb von Biogasanlagen massiv geschädigt hatte, strafrechtlich aufzuarbeiten.

Dienstaufsichtsbeschwerde und Strafanzeige gegen die Staatsanwaltschaft Leipzig

Staatsanwaltschaft Leipzig und die Strafvereitelung im Amt

Über die eigenwilligen Ermittlungsmethoden der Staatsanwaltschaft Leipzig habe ich mehrfach berichtet.

Der hybride Rechtsstaat – Teil 10 – Die eigenwilligen Methoden der Staatsanwaltschaft Leipzig

Dabei geht es um Schäden im deutlich siebenstelligen Bereich. Kristiansen zahlte die hälftigen Gewinne aus dem Betrieb der Anlagen nicht an mich aus. Er wirtschaftete das Geld in seine eigene Tasche. Außerdem blieb er die Rückzahlung von Darlehen in Höhe von mehr als 670 T€ schuldig.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Leipzig handelt es sich hierbei nicht um eine Straftat. Denn die bloße Nichtzahlung von Forderungen sei grundsätzlich nicht zu beanstanden. Damit stellt sich die Staatsanwaltschaft ein absolutes Armutszeugnis aus. Mit dieser Einstellung bleiben Wirtschaftsstrafsachen grundsätzlich ungesühnt. Das ist geradezu eine Einladung für Straftäter und führt zu einem klaren Zweiklassenstrafrecht.

Damit verweigert die Staatsanwaltschaft Leipzig jegliche Verbrechensaufklärung.

Staatsanwaltschaft Leipzig und die Strafvereitelung im Amt

Nun hat die Staatsanwaltschaft Leipzig immerhin ein Ermittlungsverfahren gegen Staatsanwältin Siler, die für die Untätigkeit der Staatsanwaltschaft verantwortlich ist, eingeleitet. Mehr aber auch nicht. Daran kam sie zudem nicht vorbei.

Schreiben der Staatsanwaltschaft Leipzig vom 12.1.2018 – Strafsache Siler

In wenigen Monaten wird die den Sachverhalt bearbeitende Staatsanwältin Dr. Martini dann sicherlich feststellen, dass Staatsanwältin Siler alles richtig gemacht hat. Am Ende muss sich niemand mehr wundern, dass die Bürger den Glauben an dieses hybride Rechtssystem verlieren.

Der hybride Rechtsstaat – Teil 10 – Die eigenwilligen Methoden der Staatsanwaltschaft Leipzig

siehe ferner Der hybride Rechtsstaat – Teil 9 – Der Kampf um die Berufsunfähigkeitsrente

Der hybride Rechtsstaat – Teil 9 – Der Kampf um die Berufsunfähigkeitsrente

Kapitel 1: Die Verfolgung geht weiter

Seit nun fast 20 Jahren verfolgen die sächsischen Staatsanwaltschaften nahezu jeden meiner Schritte. Sie überzogen mich mit Ermittlungsverfahren, unterstellten mir alle denkbaren Straftaten und ließen es dabei an jeglicher Objektivität fehlen. Sie wollen unter allen Umständen eine Verurteilung erreichen. Erfolg hatten sie mit ihrer Strategie bislang nicht.

Ich wünschte mir, dass sie Strafanzeigen, die ich selbst eingereicht hatte, von der Staatsanwaltschaft mit der gleichen Leidenschaft verfolgt werden.

Immer wieder erstattete ich in der Vergangenheit Strafanzeigen gegen Personen, die mich betrogen hatten. Auf eine nachhaltige Resonanz stießen diese nie. In den meisten Fällen, sogar bei Schäden im siebenstelligen Bereich, weigerte sich die Staatsanwaltschaft, überhaupt Ermittlungen aufzunehmen. Dabei verzichteten vor allem diejenigen Staatsanwälte, die bislang mit Akribie gegen mich vorgingen, auf die notwendige Aufarbeitung begangenen Unrechts. Für die Strafverfolgung galten unterschiedliche Maßstäbe, je nachdem, wer betroffen war.

Die bei mir entstandenen Schäden stellten somit meine Privatangelegenheit dar. So sehr mich die Staatsanwaltschaft auf der einen Seite verfolgte, so sehr ließ sie meine Gegner auf der anderen Seite gewähren. Die Aufarbeitung von Unrecht darf jedoch nicht von persönlichen Motiven abhängen. In jedem Fall muss die Staatsanwaltschaft ihrer Unabhängigkeit Rechnung tragen.

So mancher meiner Gegner wurde durch die spürbare Apathie von Seiten der Staatsanwaltschaft zu weiteren Straftaten angespornt. Sie wussten, dass sie nichts zu befürchten hatten.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrem eigenwilligen Vertriebsmodell – wie vertreibe ich einen Menschen aus Sachsen? – am Ende erfolgreich. Dass ich das Kapitel Leipzig tatsächlich abgehakt habe, scheint mir bis heute dennoch niemand in dieser Behörde zu glauben. Die Staatsanwaltschaft betreibt „business as usual“. Ihr Auftrag ist noch lange nicht erledigt.

Donnerstag, 1. Dezember 2011

Heute wollte die Staatsanwaltschaft Leipzig einen wichtigen Etappensieg erringen. Es stand die Hauptverhandlung in einem Strafverfahren an, welches auf die letzte Anklage der Staatsanwältin Eßer-Schneider zurückging.

Ich hatte Zahlungen für eine Mandantin einbehalten, weil mir diese ein Honorar in Höhe von 300.000 € schuldig blieb. Dies entsprach einer unter Anwälten normalen Vorgehensweise. In meinem Fall sah meine persönliche Staatsanwältin darin ein strafbares Verhalten.

Dass Eßer-Schneider in ähnlichen Fällen gegen Berufskollegen vorgegangen wäre, ist mir nicht bekannt. Genauso wenig interessierte sie sich für meine Mandantin, die mich um viel Geld geprellt hatte. Sofern mich Mandanten finanziell schädigten, sah sie hierin kein strafbares Verhalten.

Zur Überraschung der Staatsanwaltschaft Leipzig konnte die Hauptverhandlung nicht stattfinden. Vielmehr musste sie ihren Angriffen auf mich Tribut zollen. Denn meine Neurologin Dr. Mehnert hatte mir eine Verhandlungsunfähigkeit testiert.

Allerdings bot mir die Staatsanwaltschaft gleich einen Deal an, sollte ich trotzdem zur Hauptverhandlung erscheinen. Sie sei bereit, das Strafverfahren zu beenden, sollte ich einer Verurteilung zu 90 Tagessätzen zustimmen. Damit wäre ich nicht vorbestraft.

Dennoch lehnte ich ab. In der Sache hatte ich mir nichts vorzuwerfen. Ich bestand darauf, meine Sichtweise im Fall meiner Gesundung darzulegen.

Dienstag, 27. März 2012

Nun musste das Landgericht Leipzig ein Gutachten über meine Verhandlungsunfähigkeit einholen. Hierzu schaltete es Dr. Steinkirchner vom Landgericht Ingolstadt ein. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Leipzig war meine Verhandlungsunfähigkeit nur vorgespielt. Von mir vorgelegte Gutachten wurden von ihr stets als reine Gefälligkeitsarbeiten abgetan.

Dr. Steinkirchner war jedoch anderer Meinung. Nach eingehender Untersuchung stellte er eine starke Bewusstseinsstörung, insbesondere schwere Depressionen, fest. Ich war seiner Meinung nach für mindestens ein Jahr nicht in der Lage, mich um meine Strafverteidigung zu kümmern. Damit bestätigte er die zuvor bereits von Dr. Mehnert diagnostizierte Verhandlungsunfähigkeit.

Freitag, 17. Mai 2013

Die ständigen ärztlichen Begutachtungen setzten mir stark zu. Erneut ließ mich die Staatsanwaltschaft Leipzig von Dr. Steinkirchner untersuchen. Seit seiner letzten Untersuchung blieb ich von belastenden Außenreizen weitgehend verschont. Mein Gesundheitszustand hatte sich etwas verbessert. Für Dr. Steinkirchner war dies Grund genug, nun meine Verhandlungsfähigkeit zu testieren.

Meine beiden Untersuchungen bei ihm hatten etwas Bizarres, Surreales. Richtig nachvollziehen kann ich den Zweck dieser Veranstaltungen bis heute nicht. Was hilft die Feststellung meines Gesundheitszustandes an einem bestimmten Tag, wenn sich dies aufgrund höherer Außenreize später ins absolute Gegenteil umkehren wird?

Die Begutachtung befasste sich nicht mit der Frage, ob ich aufgrund meiner psychischen Erkrankung während eines Hauptverhandlungstermins in der Lage war, mich angemessen zu verteidigen und mich den gegen mich erhobenen Vorwürfen zu stellen. Hierauf kommt es jedoch aus rechtsstaatlicher Sicht an.

Mein Strafverteidiger Curt-Mathias Engel sollte später einmal erklären, dass es eine Verhandlungsunfähigkeit ohnehin nur auf dem Papier gibt. In der Praxis komme diese nicht vor. Vielleicht liegt dies an dem Gutachterauftrag des jeweiligen Gerichts. Jedenfalls enthielt die Einschätzung von Dr. Steinkirchner keine zukünftige Prognose. Es handelte sich um eine reine Momentaufnahme.

Mittwoch, 14. Januar 2014

Wenig später wurde ich in meinen Zweifeln über die Sinnhaftigkeit dieser Untersuchungen bestärkt. Das Landgericht Leipzig setzte wieder einen Hauptverhandlungstermin an. Dank ihrer hohen medizinischen Expertise war die Staatsanwaltschaft von meiner Genesung überzeugt.

Doch wieder einmal sollte es anders kommen. In den Tagen vor dem Gerichtstermin verschlechterte sich mein Gesundheitszustand dramatisch. Meine Psyche, die besonders auf von der sächsischen Justiz ausgehende Reize reagierte, machte der Staatsanwaltschaft einen Strich durch die Rechnung. Seit Tagen hatte ich nichts mehr gegessen. Ich lag nur noch auf der Couch und reagierte nicht mehr. Die Außenwelt nahm ich nicht mehr wahr.

Zwei Tage zuvor noch hatte ich meine Neurologin Dr. Mehnert aufgesucht. Diese empfahl mir nachhaltig, mich stationär im Klinikum Ingolstadt behandeln zu lassen. Auch sie glaubte offensichtlich nicht mehr an einen außerhalb des Krankenhauses erzielbaren Behandlungserfolg.

Nachdem sich mein Gesundheitszustand weiter verschlechterte, fuhr mich meine damalige Lebensgefährtin in die Notaufnahme des Krankenhauses. Dort schlug man die Hände vor dem Gesicht zusammen. Mein Blutdruck war zwischenzeitlich auf über 200 angestiegen, die fehlende Nahrungsaufnahme hatte mich stark geschwächt, weshalb ich sogleich Infusionen bekam. Die Ärztin in der Notaufnahme verlegte mich auf die Intensivstation der Depressionsabteilung. Ohne diese Maßnahme hätte ich wahrscheinlich den morgigen Tag nicht mehr erlebt.

Damit musste der Gerichtstermin in Leipzig erneut abgesagt werden. Wieder einmal machte meine Erkrankung der Aufarbeitung der gegen mich gerichteten Vorwürfe einen Strich durch die Rechnung.

Freitag, 13. Februar 2014

Meine Ärzte im Klinikum Ingolstadt gaben ihr Bestes. Etwa zwei Wochen nach meiner Aufnahme gab es aufgrund der verabreichten schweren Psychopharmaka eine erste Stabilisierung meiner Gesundheit. Meine Ärzte ermöglichten mir nun sogar, meinem Hobby, dem Kampfsport nachzugehen.

Dreimal in der Woche durfte ich die Taekwondo-Schule von Claus Moos, die sehr familiär ausgelegt ist, besuchen. Für die Behandlung von Depressionen ist sportliche Betätigung wichtig. Vor allem meine Taekwondo-Schule trug zu einer Stabilisierung bei. Diese war längst zu meiner Heimat geworden. Ich erzählte meinem Trainer Claus einmal, er habe mir das Leben gerettet. Er glaubt zwar eher an einen Scherz. Ich meinte dies dagegen ernst. Vor allem der Umgang mit meinen Sportsfreunden tat meiner Seele gut.

Nun wurde ich entlassen. Mein Gesundheitszustand hatte sich weiter gebessert. Ich machte die ersten Schritte zurück in mein früheres Leben.

Eine Heilung war während meines einmonatigen Aufenthalts im Klinikum Ingolstadt dagegen nicht möglich. Zu tief hatten sich die Auslöser meiner Erkrankung in meine Psyche eingegraben. Die verabreichten Medikamente halfen so gut es ging. Die weitere Behandlung sollte ambulant erfolgen. Gegen Rückschläge wappnete mich dies jedoch nicht.

Mittwoch, 20. Mai 2015

Nun waren bereits sieben Jahre seit der Erstattung der Strafanzeige ergangen. Heute erhielt ich wieder Post von meinem Strafverteidiger Curt-Mathias Engel aus Leipzig.

Der Kontakt zu ihm war in den vergangenen Jahren fast verloren gegangen, denn die Korrespondenz und die ständige Konfrontation mit der Staatsanwaltschaft Leipzig lösten bei mir immer wieder schwere Rückfälle aus. Ich versuchte nach Kräften, mich diesen Einflüssen zu entziehen. Daher antwortete ich weder auf die Schreiben meines Strafverteidigers noch auf seine Anrufe. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er mich selbst unter den schwierigsten Rahmenbedingungen immer unterstützt hat.

Für meine Erkrankung ist dieses Verhalten typisch. Die Psyche blockt unerfreuliche Ereignisse nahezu vollständig ab. Im günstigsten Fall reagiert der Betroffene mit Flucht. In dieser Situation ist niemand in der Lage, sich belastenden Ereignissen zu stellen. Darunter leidet nicht nur die allgemeine Lebensführung, sondern natürlich auch die Verteidigungsfähigkeit.

Langsam verlor die Staatsanwaltschaft Leipzig die Lust auf das von ihr eingeleitete Strafverfahren. In all den Jahren zuvor war sie keinen Schritt weitergekommen. Mein Strafverteidiger teilte mir nun mit, die Staatsanwaltschaft sei bereit, das Strafverfahren gegen mich gegen Zahlung von 5.000 € für gemeinnützige Zwecke einzustellen. Von einer Verurteilung sprach dagegen niemand mehr.

Eigentlich waren das gute Nachrichten. Es bestand die Chance, die mit diesem Strafverfahren verbundenen psychischen Belastungen zu beenden. Dennoch sah ich in diesem Vorschlag den erneuten Versuch einer Erpressung. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass die Staatsanwaltschaft Leipzig mich mit Vorwürfen konfrontierte, um im Ergebnis eine Geldzahlung zu verlangen. Ich verfolgte dagegen meine Rehabilitation.

Zudem wollte ich die Staatsanwaltschaft in einer Hauptverhandlung mit ihrer Ermittlungsarbeit konfrontieren. Schließlich hatte sie trotz meiner wiederholten Forderungen meinen Kronzeugen Holger Mißbach nicht vernommen. Seine Vernehmung war nun aufgrund seines Todes nicht mehr ermöglich.

Eine Entscheidung über die Geldzahlung musste ich allerdings nicht treffen. Der von der Staatsanwaltschaft geforderte Betrag überstieg meine wirtschaftlichen Möglichkeiten um ein Vielfaches. Anscheinend glaubte die Staatsanwaltschaft immer noch, dass ich über ein nachhaltiges Einkommen verfüge. Daher äußerte ich mich zum Vorschlag der Staatsanwaltschaft nicht.

Freitag, 28. Oktober 2016

Zum ersten Mal seit mehreren Monaten trat ich wieder die Reise nach Leipzig an. Lange zuvor dachte ich darüber nach, ob ich mich nicht wieder in ein Krankenhaus einweisen lassen soll. Bislang hatte ich die dringende Empfehlung meines Offenbacher Neurologen Dr. Wichmann, mich langfristig in einer auf Depressionen spezialisierten Klinik stationär behandeln zu lassen, ignoriert.

Am Ende siegte mein Wille, mich am Amtsgericht Leipzig zu verteidigen. Die Staatsanwaltschaft hatte mich auf eine Anzeige meines Insolvenzverwalters Rüdiger B. wegen Bankrotts angeklagt. Staatsanwalt Mörsfelder warf mir vor, ich hätte Teile meines Vermögens auf Dritte übertragen, um meine Gläubiger zu schädigen.

An den Vorwürfen war nichts dran. Allerdings verzichtete ich im Vorfeld darauf, mich überhaupt zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft Leipzig zu äußern. Zu grenzenlos war mein Misstrauen gegenüber dieser Anklagebehörde. Nun verlas ich vier Stunden lang meine Aussage und stellte die Vorwürfe richtig. Staatsanwalt Mörsfelder erklärte, er kenne meine Darstellung, er halte sie jedoch für unrichtig.

Bezeichnenderweise hatte die Staatsanwaltschaft Leipzig zunächst auch meine damalige Lebensgefährtin wegen derselben Vorwürfen angeklagt. Für diese erarbeitete ich eine Stellungnahme, die sich mit meiner Aussage inhaltlich weitgehend deckte. Deshalb erzählte ich Staatsanwalt Mörsfelder in der Sache wirklich nichts Neues. Dass die von meiner ehemaligen Lebensgefährtin eingereichte Stellungnahme von mir verfasst worden war, wusste Staatsanwalt Mörsfelder dagegen nicht.

Bei völlig identischem Sachverhalt behandelte Staatsanwalt Mörsfelder meine frühere Lebensgefährtin jedoch anders als mich. Während er das Strafverfahren gegen diese einstellte, verfolgte er die gegen mich gerichteten Vorwürfe weiter.

Wieder einmal erfuhr ich eine Sonderbehandlung. Staatsanwalt Mörsfelder war nicht bereit, in meinem Fall entlastende Tatsachen, die bei meiner Lebensgefährtin zur Verfahrenseinstellung geführt hatten, ähnlich zu bewerten. Gewundert hat mich dies allerdings nicht.

Freitag, 4. November 2016

Es war der zweite Verhandlungstag in meinem Strafverfahren wegen Bankrotts. Heute wollte ich mich den Fragen des Gerichts stellen.

Doch es kam anders: Unmittelbar nach Beginn der Verhandlung erklärte das Amtsgericht, aufgrund meiner Stellungnahme, in der ich Aussagen zu meiner psychischen Erkrankung und zwei Suizidversuchen gemacht hatte, müsse ich erneut durch einen Gutachter untersucht werden. Es ging darum zu klären, ob ich überhaupt schuldfähig sei. Dies sei jedoch eine wesentliche Voraussetzung des Strafprozesses und gleich am Anfang zu prüfen. Wieder einmal eine gerichtlich angeordnete ärztliche Begutachtung.

Nach kurzer Zeit war die Verhandlung beendet und ich trat die Rückreise nach Offenbach an. Damit stand eine weitere nervenärztliche Evaluierung bevor.

Samstag, 27. Mai 2017

Am heutigen Tage untersuchte mich der vom Amtsgericht eingesetzte Gutachter, der Leipziger Hochschulprofessor Dr. Schönknecht, ein zweites Mal. Bereits drei Wochen zuvor hatte er sich intensiv mit mir befasst.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern gab sich Prof. Dr. Schönknecht deutlich mehr Mühe. Während diese glaubten, innerhalb von 90 Minuten meine Lebenssituation und meine Erkrankung aufarbeiten zu können, nahm sich Schönknecht deutlich mehr als 10 Stunden Zeit. Er blickte tief in meine malträtierte Seele und arbeitete insbesondere diejenigen Ereignisse auf, die eine deutliche Verschärfung meines Gesundheitszustandes ausgelöst hatten.

Nach seiner Auffassung konnte eine Schuldunfähigkeit in meinem Fall nicht ausgeschlossen werden. Dieses Ergebnis passte der Staatsanwaltschaft Leipzig überhaupt nicht. Sie verlangt nun, die früher gerichtlich bestellten Gutachter ebenfalls zu vernehmen, obwohl sich diese nur mit meiner Verhandlungsunfähigkeit, nicht dagegen mit meiner Schuldfähigkeit beschäftigt hatten.

Am Ende erwiesen sich die seit 20 Jahren andauernden Attacken der sächsischen Staatsanwaltschaften als kontraproduktiv. Ob es überhaupt zu einer Aufarbeitung der gegen mich gerichteten Vorwürfe kommen wird, bleibt abzuwarten.


 

Kapitel 2: Staatsanwaltschaft Leipzig – Straftaten bleiben ungesühnt

Die Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft Leipzig sehe ich nicht nur aufgrund der vehementen Verfolgung meiner Person kritisch. Dieselbe Vehemenz ließ die Staatsanwaltschaft an anderer Stelle vermissen, nämlich wenn es darum ging, Straftaten, die gegen mich gerichtet waren, aufzuarbeiten. Bezeichnenderweise tat sich dabei vor allem Staatsanwalt Mörsfelder, der die Staatsanwaltschaft in meinem Strafverfahren wegen Bankrotts vertrat, hervor.

Freitag, 30. Juli 2010

Ich stand im wahrsten Sinne des Wortes vor einem Scherbenhaufen. Was Jahre zuvor hoffnungsfroh begonnen hatte, schien nun zerstört. Vorbei war meine Hoffnung, mich von meinem Anwaltsberuf unabhängig zu machen.

Doch was war geschehen?

Vor fünf Jahren gewann mich mein damaliger Freund Lap K. für die Idee, Biogasanlagen zu errichten. Seine Geschichte hatte mir imponiert. Im Alter von 6 Jahren fischte ihn die Cap Anamur aus dem südchinesischen Meer, auf der Flucht vor dem sozialistischen Regime in Vietnam. Überprüfen konnte ich das natürlich nicht. Seitdem arbeitete er fleißig und betrieb eine Kartbahn in Grimma.

Der Bau von Biogasanlagen steckte damals noch in den Kinderschuhen. Sie waren ein wichtiger Teil der Energiewende, hin zu grünen Energieträgern. Da Lap K. über kein Kapital verfügte, kam mir die Aufgabe des Investors zu. Ich sollte die benötigten Gelder als Darlehen bereitstellen. In der Spitze investierte ich mehr als 1,3 Millionen € für drei verschiedene Anlagen. Im Gegenzug gehörten mir 50 % der Biogasanlagen und eröffneten mir die Aussicht auf die entsprechenden Erträge.

Leider spielte Lap K. falsch. Geblendet von den glänzenden Verdienstmöglichkeiten stellte er sich die Frage, warum er den Kuchen noch mit mir teilen sollte. Meine umfangreichen finanziellen Hilfen vergaß er von einem Tag auf den anderen. Weder zahlte er in der Folgezeit Gewinne aus dem Betrieb der Anlagen aus noch dachte er an die Rückzahlung meiner Darlehen.

Informationen des Buschfunks besagten seit 2009, er wolle mich aus den Anlagen herausdrängen und mir die Liquidität abschneiden. Er plante, mich in die Insolvenz zu treiben, zumal er meine auf die Investitionstätigkeit zurückgehenden steuerlichen Probleme kannte. Er rechnete fest damit, eine kostengünstige Einigung mit meinem Insolvenzverwalter erzielen zu können. Und genau dies geschah nun.

Die Anteile an den Biogasgesellschaften hatte ich bereits Anfang November 2009 auf meine Lebensgefährtin übertragen. Schon damals sah ich mein Verhältnis zu Lap K. mit Sorge und fürchtete, dass sich die Gerüchte bewahrheiten würden.

Mit der Übertragung der Anteile wappnete ich mich für einen späteren Rechtsstreit. Aufgrund der Anteilsübertragung stand ich in den bevorstehenden Gerichtsverfahren als Zeuge zur Verfügung. Gerade für meine Darlehen und die Absprachen mit Lap K., die bewiesen werden mussten, war dies wichtig. Während meiner früheren engen Freundschaft zu ihm hatte ich davon abgesehen, die Darlehensverträge schriftlich abzufassen. Das war ein kapitaler Fehler. Vor allem für einen Rechtsanwalt. Gegenüber „Freunden“ war ich einfach zu gutgläubig.

Anfang Mai 2010 gab mich Lap K. zum Abschuss frei und zeigte sich absolut kompromisslos. Wenig später zog er die Anteile meiner Lebensgefährtin an den Biogasanlagen ein. Meine Darlehen zahlte er auch in der Folgezeit nicht zurück. Somit war ich nicht in der Lage, die Steuerforderungen des Finanzamts Grimma, die dieses gegen mich festgesetzt hatte, zu bedienen. Die weitere Entwicklung ist dem Leser bekannt.

Jetzt lagen sie vor mir, die Trümmer meines Gutmenschentums. Warum gingen meine Warnlampen erst so spät an? Mir lief endgültig die Zeit davon. Also erstattete ich gegen meinen ehemaligen Freund eine umfangreiche Strafanzeige.

Wegen der offenen Zahlungen lag meiner Meinung nach ein hinreichender Tatverdacht für ein betrügerisches Handeln sowie Untreue vor. Dies galt insbesondere aufgrund der Tatsache, dass mein ehemaliger Freund seine Strategie zuvor eingehend geplant hatte.

Lap K. belastete zudem die Biogasgesellschaften massiv mit eigenen Kosten und schraubte diese ständig weiter in die Höhe. Außerdem ließ er sich hinter meinem Rücken für die Errichtung der Biogasanlagen eine Provision in Höhe von mehreren hunderttausend Euro auszahlen. Das empfand ich als ausgesprochen unschön, da ich gleichzeitig die Errichtung der Anlagen mit viel Geld finanziert hatte. Seinen gegen mich eingeschalteten Rechtsanwalt Götz aus Leipzig vergütete Lap K. ebenfalls über die Firmenkonten der Biogasanlagen.

Sehr ausführlich befasste ich mich in meiner Strafanzeige mit den gegen ihn gerichteten Vorwürfen. Gleich dreimal erweiterte ich diese in den Jahren 2010 und 2011 und machte die Staatsanwaltschaft auf weitere Straftaten aufmerksam.

Damit begann ein Wirtschaftskrimi. Für die Staatsanwaltschaft Leipzig gab es Einiges zu tun.

Dienstag, 20. Dezember 2011

Mehr als ein Jahr musste ich auf die Antwort der Staatsanwaltschaft warten. Unmittelbar vor Weihnachten teilte mir Staatsanwältin Siler mit, sie sehe keinerlei Anhaltspunkte für Straftaten meines ehemaligen Geschäftspartners und lehnte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ab.

Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Lap K. war mir hohe Beträge schuldig geblieben. Und dies sollte nicht einmal Ermittlungen der Staatsanwaltschaft auslösen? Mit welchem Maßstab ging diese Behörde überhaupt vor? Während sie mich massiv verfolgte entgingen Personen, die mich finanziell vernichtet hatten, ihrer Strafverfolgung.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig entschied nun einmal darüber, wen sie als Verbrecher ansah und wen sie entkommen ließ.

Freitag, 29. Juni 2012

Ein halbes Jahr später bestätigte Staatsanwältin Siler erneut die fehlende Ermittlungsbereitschaft der Staatsanwaltschaft. Dieses Mal hatte Lap K. in meinem Insolvenzverfahren Forderungen in Höhe von 750.000 € angemeldet, wahrscheinlich, um Verhandlungsmasse gegenüber meinem Insolvenzverwalter zu schaffen.

Seine Ansprüche waren frei erfunden. Ich hätte – so Lap K. – massiv in die Kasse gegriffen. In Wirklichkeit handelte es sich um die Rückzahlung eines Teils der ausgereichten Darlehen, die sämtlich von Lap K. veranlasst worden waren. Dieses Geld wollte er nun wiederhaben. Meiner Meinung nach ging es hierbei um Betrug. Denn er hatte gegenüber meinem Insolvenzverwalter den Sachverhalt falsch dargestellt.

Staatsanwältin Siler sah dies jedoch anders. Sie verweigerte erneut die Einleitung von Ermittlungen gegen Lap K. Am Ende überraschte mich nichts mehr. Gleich drei Strafanzeigen verliefen im Sand.

Freitag, 25. Oktober 2013

Meine bisherigen Versuche, die Staatsanwaltschaft zur Aufnahme von Ermittlungen gegen Lap K. zu bewegen, waren alle gescheitert. Es traf sich gut, dass zwischenzeitlich meine Schwester Charlotte die Anteile an den Biogasgesellschaften erworben hatte. Vielleicht würde die Staatsanwaltschaft in ihrem Fall unbefangener mit dem Sachverhalt umgehen.

Dieses Mal ließ ich meine Schwester die Strafanzeige unterzeichnen. Auf mehr als 100 Seiten aktualisierte ich meine gegen Lap K. gerichteten Vorwürfe. Nun ging es nicht nur um finanzielle Ansprüche. Auch das Verhalten meines ehemaligen Geschäftspartners vor dem Amts- sowie dem Landgericht Leipzig sollte aufgearbeitet werden. Dort hatte er mehrfach unwahr vorgetragen.

Mit meinen handbuchmäßigen Ausführungen hoffte ich, die Staatsanwaltschaft überzeugen zu können. Vielleicht würde sie ja ihre Vorgehensweise ändern, wenn nicht ich, sondern meine Schwester Charlotte als Anzeigenerstatter auftrat.

Ich bat meine Schwester darum, diese Strafanzeige direkt an den sächsischen Ministerpräsidenten Tillich zu versenden und diesen auf die bisherige Untätigkeit der Staatsanwaltschaft hinzuweisen. Sie kündigte in ihrem Brief an, den Freistaat gegebenenfalls auf Schadensersatz zu verklagen, sollten keine Ermittlungen aufgenommen werden.

Eine Reaktion auf dieses Schreiben blieb die sächsische Staatskanzlei schuldig.

Dienstag, 15. Juli 2014

Die Antwort der Staatsanwaltschaft auf die Strafanzeige meiner Schwester war ein weiterer Tiefschlag. Inzwischen hatte sich Staatsanwalt Mörsfelder eingeschaltet, eben jener Staatsanwalt, der mich mit Vehemenz wegen eines vermeintlich betrügerischen Bankrotts verfolgte. Staatsanwalt Mörsfelder besaß nun die Chance, die Dinge gerade zu rücken.

Welchen Maßstab Staatsanwalt Mörsfelder anlegte, stand nun schwarz auf weiß geschrieben. Er lehnte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen meinen ehemaligen Geschäftspartner ebenfalls ab.

Mörsfelder sah im Hinblick auf die offenen Zahlungen keinerlei Straftat. Es handele sich um die bloße Nichtzahlung einer Forderung, so die Staatsanwaltschaft Leipzig. Dass diese Nichtzahlung auf strafbaren Motiven beruhte, interessierte ihn nicht. Gleiches galt hinsichtlich meiner Darlehen. Diese seien zwischenzeitlich verjährt – was falsch war – und müssten schon aus diesem Grund nicht zurückgezahlt werden. Mörsfelder weigerte sich auch, der Zahlung der Rechtsanwaltskosten über die Firmenkonten der Biogasgesellschaften durch Lap K. nachzugehen.

Damit verhinderte die Staatsanwaltschaft eine strafrechtliche Aufarbeitung der umfangreichen Vorwürfe. Sie ließ mich im Regen stehen.

Sonntag, 8. Februar 2015

Nicht nur die Staatsanwaltschaft Leipzig beschäftigte sich mit den Auseinandersetzungen um die Biogasgesellschaften. Aufgrund ihrer Untätigkeit war mein ehemaliger Geschäftspartner nun besonders mutig geworden.

Anfang Oktober 2011 hatten die von Lap K. geführten Biogasgesellschaften beim Amtsgericht Leipzig Klage erhoben und wollten feststellen lassen, dass die Einziehung der Geschäftsanteile an den Gesellschaften wirksam ist. Da Lap K. jedoch eine falsche Anschrift angegeben hatte, wurde die Klage meiner Lebensgefährtin nie zugestellt. Auch eine Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung ging nie zu.

Trotz der fehlenden Zustellungen, insbesondere der Ladung zur mündlichen Verhandlung, erließ das Amtsgericht Leipzig am 9. Januar 2012 ein Versäumnisurteil und gab der Klage von Lap K. in vollem Umfang statt. An diesem Versäumnisurteil war rechtlich alles falsch, was falsch sein konnte.

Aufgrund des Streitwerts war das Amtsgericht bereits nicht zuständig. Geklagt hatten außerdem die Biogasgesellschaften anstatt meines ehemaligen Geschäftspartners, womit ein falscher Kläger die Bestätigung der Wirksamkeit der Einziehung verlangte. Nicht zuletzt scheiterte der Erlass eines Versäumnisurteils an der fehlenden Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung.

Jeder dieser Gründe bringt eine derartige Klage normalerweise zu Fall. Das Amtsgericht machte sich die Sache jedoch einfach. Und nicht nur das: Auch das Versäumnisurteil wurde nicht zugestellt, so dass hiergegen nicht einmal Einspruch eingelegt werden konnte. Eklatanter konnten rechtsstaatliche Grundsätze nicht ausgehebelt werden. Wer nichts von einer Klage oder einem Urteil weiß, kann sich hiergegen nicht zur Wehr setzen.

Die Auseinandersetzung mit meinem ehemaligen Geschäftspartner belegt exemplarisch die hohen Hürden, auf die Rechtsschutzsuchende treffen. In Sachsen war die Kluft zwischen Recht haben und Recht bekommen besonders groß.

Als ich mehr als ein halbes Jahr später durch einen Zufall Kenntnis vom Versäumnisurteil des Amtsgerichts erhielt, schäumte ich vor Wut. Ich legte Einspruch ein und erzwang eine Wiederaufnahme des Verfahrens sowie eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Leipzig. Dieses hob das Versäumnisurteil des Amtsgerichts wenig später auf und wies die Klage meines ehemaligen Geschäftspartners ab.

Ärgerlich war vor allem, dass Lap K. den Rechtsstreit immer noch von den Biogasgesellschaften bezahlen ließ. Um die Honorarrechnungen seines Rechtsanwalts Götz auszugleichen, griff er tief in die Kasse. Mehr als 350.000 € hatte er dafür aufgewandt, um meine Schwester aus den Biogasgesellschaften zu drängen. Dadurch reduzierte sich auch der Gewinn, der auf ihre Geschäftsanteile entfiel. Die Jahresabschlüsse der Biogasgesellschaften belegen diesen Vorwurf eindeutig.

Lap K. machte zudem aus dieser Praxis auf Nachfrage keinen Hehl. Bislang sah die Staatsanwaltschaft jedoch keinen Anlass, hiergegen zu ermitteln.

Also erstattete meine Schwester erneut Strafantrag gegen Lap K. sowie seine Anwälte wegen des Verdachts der Veruntreuung bzw. Betrugs. Nun allerdings geschah etwas: Meine Schwester wurde von der Staatsanwaltschaft als Zeugin geladen.

Dumm war nur, dass meine Schwester keinerlei Detailkenntnis besaß und demzufolge auch keine Angaben zur Sache machen konnte. Hierauf wies ich die Staatsanwaltschaft mehrfach hin und verlangte stattdessen meine Vernehmung. Schließlich hatte ich die Auseinandersetzungen mit Lap K. an vorderster Front betreut.

Der Ladung zur Zeugenvernehmung konnte meine Schwester krankheitsbedingt nicht folgen. Das von ihr vorgelegte Attest akzeptierte die Staatsanwaltschaft Leipzig allerdings nicht und verhängte wegen der Nichtwahrnehmung des Termins ein Bußgeld in Höhe von 500 €. Nachdem dieses nicht gezahlt wurde, erließ sie gegen meine Schwester einen Haftbefehl und befahl dessen Vollstreckung, worauf meine Schwester schließlich einlenkte. Für ihre Strafanzeige wurde meine Schwester daher von der Staatsanwaltschaft Leipzig empfindlich gemaßregelt.

Die Vernehmung meiner Person unterblieb dagegen bis zum heutigen Tage.

Damit machte die Staatsanwaltschaft Leipzig mehr als klar, gegen wen sie vorgehen wollte bzw. gegen wen nicht. Über einen Haftbefehl gegen Lap K. hat sie dagegen zu keinem Zeitpunkt nachgedacht, obwohl die Gefahr bestand, dass sich dieser in sein Heimatland Vietnam absetzt.

Bis zum heutigen Tag sind keine belastbaren Aktivitäten der Staatsanwaltschaft Leipzig feststellbar. Sie ließ meinen ehemaligen Geschäftspartner auch weiterhin gewähren. Und der ergriff die Gelegenheit beim Schopf. Was sollte ihm auch geschehen?

Alles was ich in der Vergangenheit unternommen hatte, war vergeblich. Normalerweise sollten Strafverfahren auch dazu dienen, dass Täter unter dem Druck der laufenden Ermittlungen ihre Vorgehensweise ändern. Bei Lap K. war das Gegenteil der Fall.

Das Ganze stellt ein Paradebeispiel dafür dar, wie wenig rechtsstaatliche Grundsätze bei der Verfolgung von Straftaten innerhalb der Staatsanwaltschaft Leipzig eine Rolle spielen. Selbstverständlich besaßen wir ein Recht darauf, von Straftaten verschont zu werden. Bei der Staatsanwaltschaft stießen wir jedoch auf taube Ohren.

Montag, 18. Januar 2016

Trotz all meiner negativen Erfahrungen im Umgang mit der sächsischen Justiz war für mich Aufgeben nie eine Option. Zugegeben, meine Gegner schlugen mich immer wieder nieder. Oft war ich während langer depressiver Phasen kampfunfähig und nicht in der Lage, meine Meinung vorzutragen. Am Ende stand ich allerdings wieder auf, obwohl dies eher auf ein Selbstmordkommando hinauslief.

Trotzdem drängte ich weiter auf eine strafrechtliche Aufarbeitung meiner Auseinandersetzungen mit Lap K. Zwischenzeitlich beschäftigte sich das Oberlandesgericht in Dresden mit der Einziehung der Geschäftsanteile an den Biogasgesellschaften. Mehrere Beweisaufnahmen führten für ihn zu einem desaströsen Ergebnis, da diese meine Rechtsauffassung bestätigten. Längst war klar, dass Lap K. hemmungslos gelogen hatte.

Je nach Verfahrensstand belegte ich Lap K.‘s Vorgehensweise mit einer neuen Strafanzeige. Für die Staatsanwaltschaft Leipzig ist dieser Arbeitsanfall zwar beschwerlich, vielleicht kann ich sie trotzdem noch zu einem Umdenken veranlassen. Eine Reaktion ihrerseits steht bislang immer noch aus.

Donnerstag, 26. Oktober 2017

Der Nachmittag brachte einen Paukenschlag. Und wieder war es ein Unerfreulicher. Über die beiden Biogasgesellschaften wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, und der Leipziger Rechtsanwalt Axel Roth zum Insolvenzverfahren bestellt.

Aus dem Eröffnungsbeschluss konnte ich außerdem entnehmen, dass Lap K. seine Anschrift inzwischen nach England verlegt hatte. Offensichtlich plant er dort ein Insolvenzverfahren, um seine Gläubiger restlos zu prellen. Nach britischem Recht ist eine Restschuldbefreiung nach 1-2 Jahren möglich.

Genau diese Entwicklung hatte ich in meinen Strafanzeigen gegen Lap K. vorhergesagt und sogar den Erlass eines Haftbefehls wegen Fluchtgefahr angeregt. Geschehen ist allerdings nichts. Dabei wäre es ein Leichtes gewesen, seinen Reisepass sicherzustellen.

Damit sind meine deutlich im siebenstelligen Bereich liegenden Ansprüche wertlos. Ob Lap K. strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen wird – nach Aussage des Insolvenzverwalters Axel Roth hat er die Gesellschaften ausgecasht – bleibt abzuwarten.

Bedanken kann ich mich hierfür vor allem bei der Staatsanwaltschaft Leipzig. Auch die Dauer der Gerichtsverfahren – das Verfahren vor dem Oberlandesgericht läuft immer noch an – spielte Lap K. in die Hände. Selbst nach sechs Jahren liegt noch eine rechtskräftige Entscheidung über die Unwirksamkeit der Einziehungsbeschlüsse vor. Ob diese überhaupt noch ergehen wird, ist bislang offen.

Von einem effektiven Rechtsschutz kann jedenfalls nicht gesprochen werden.

Dienstag, 28. November 2017

Es ist ein weiteres unwürdiges Kapitel über die hybride sächsische Justiz. Wieder einmal verweigert die Staatsanwaltschaft Leipzig die Aufklärung eines Wirtschaftskrimis trotz deutlicher Beweise für eine Vielzahl von Straftaten. Dieses Mal hatte ich eine Strafanzeige gegen meinen ehemaligen Geschäftspartner Lap K. wegen Beleidigung sowie des Verdachts der Untreue eingereicht.

  1. hatte mich anlässlich einer Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Dresden massiv als Verbrecher beleidigt. Es störte ihn in keiner Weise, dass der gesamte Senat des Oberlandesgerichts, wie auch mein Rechtsanwalt Willemsen, ferner Lap K.s Anwalt Götz Zeugen dieser Attacke wurden.

Dies wollte ich mir nicht gefallen und erstattete Strafanzeige. Ferner ging es darum, dass Lap K. im deutlich siebenstelligen Bereich Gelder aus zwei Biogasgesellschaften entnommen hatte. Dies jedenfalls ging eindeutig aus den Jahresabschlüssen der Unternehmen hervor. Ermittlungstechnisch waren diese Vorwürfe leicht aufzuarbeiten.

Meiner Meinung nach handelte es sich um Betrug im großen Stil. Der von Kristiansen verursachte Schaden liegt insgesamt im achtstelligen Bereich. Für die Staatsanwaltschaft Leipzig ist dies jedoch kein Grund tätig zu werden. Sie weigerte sich in Person von Staatsanwältin Siler erneut, Ermittlungen gegen Lap K. einzuleiten und stellte das Verfahren ein.

Staatsanwältin Siler sah keinerlei Anhaltspunkte für verwirklichte Straftaten und verwies zudem darauf, früher bereits erfolgreich untätig geblieben zu sein. Die Verfolgung des Beleidigungsvorwurfs lehnte sie ab, weil der von Lap K. erhobene Vorwurf nicht im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht festgehalten war. Als Außenstehende urteilte sie jedenfalls, es fehle an Tatsachen, die den Beleidigungsvorwurf rechtfertigen.

Schon in der Vergangenheit hatte Staatsanwältin Siler sich hartnäckig geweigert, strafrechtlich relevante Sachverhalte aufzuarbeiten. Darin lag geradezu eine Aufforderung an meinen ehemaligen Geschäftspartner Lap K., mit seinen Aktivitäten weiterzumachen und den Schaden erheblich zu vergrößern. Dafür schulde ich der Staatsanwaltschaft Leipzig meinen Dank.

Natürlich hätte Frau Staatsanwältin Siler Zeugen darüber befragen können, ob mich Lap K. tatsächlich beleidigt hat. Immerhin können diese sich an seine Attacke nur zu gut erinnern. Aber warum sollte die Staatsanwaltschaft Leipzig selbst banalste Vorgänge aufklären?? Es ist doch einfacher, eine Einstellungsverfügung zu schreiben und die Akte ist vom Tisch.

Zumindest bei der Staatsanwaltschaft Leipzig haben Verbrecher freie Fahrt.

Für mich war dies absolut inakzeptabel. Also wandte ich mich an den sächsischen Justizminister Gemkow und erstattete gegen Staatsanwaltschaft Siler Strafanzeige wegen Strafvereitelung. Ferner stellte ich einen Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens, um die Gründe für ihre Untätigkeit besser hinterfragen zu können.

Der Ausgang beider Aktionen ist offen. Hoffnungen habe ich dagegen keine mehr.

Der hybride Rechtsstaat – Teil 9 – Der Kampf um die Berufsunfähigkeitsrente

siehe ferner „Der hybride Rechtsstaat – Teil 8 – Finanzamt Grimma sucht radikale Lösung“

Der hybride Rechtsstaat – Teil 8 – Finanzamt Grimma sucht radikale Lösung

Kapitel 1: Das sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk

Donnerstag, 11. November 2010

Die ewigen Attacken der Staatsanwaltschaft Leipzig forderten ihren Tribut. Meine Psyche hielt den hohen Belastungen nicht mehr stand. Meine Gegner hatten mich gesundheitlich erledigt. Ich besaß nun ganz andere Sorgen, es ging um mein physisches Überleben, um meine Rolle als Vater von zwei wunderbaren Kindern.

Oft saß ich in meinem Büro herum, ohne produktiv zu sein, sofern ich überhaupt den Weg in meine Kanzlei geschafft hatte. Gezeichnet von meiner Erkrankung, der damit verbundenen deutlichen Herabsetzung meiner kognitiven Fähigkeiten und eine hohe Dosis Psychopharmaka konsumierend, verfiel ich immer mehr.

Ich bemerkte kaum noch, wie die Stunden des Tages langsam vergingen, bis ich nach Hause gehen konnte. Dort erwarteten mich noch mehr Psychopharmaka und ein großes Glas Wodka (oder mehr), mit dem ich versuchte, meine Erinnerungen auszulöschen und Ruhe zu finden. Ruhe, die nicht lange andauerte, weil sie von der Angst, schlafen zu gehen und den zu erwartenden Albträumen abgelöst wurde. Eine Angst, die am folgenden Morgen in die Angst aufzustehen umschlug. Jede Nacht suchten mich Albträume mit der Präzision eines Schweizer Uhrwerks heim. Es waren entsetzliche Träume, an deren Ende nur absolute Dunkelheit und Tod standen. Immer wieder, jede Nacht. Und oft gleich mehrfach. Bis zum nächsten Morgen.

Lange hatte ich das Unausweichliche hinausgezögert. Aber es ging einfach nicht mehr. Meine Dämonen verfolgten mich jeden Tag.

Seit mehr als einem Monat war ich meiner Kanzlei ferngeblieben. Meine Depressionen hatten dies verhindert. Schon die Wochen zuvor war ich die meiste Zeit nicht mehr ansprechbar. Ich konnte mich nicht mehr auf die einfachsten Dinge konzentrieren. Stattdessen befasste ich mich regelmäßig mit der Frage, wie ich dieses Leben, das mir schon lange zur Qual geworden war, beenden konnte.

Statt ins Büro zu gehen suchte ich am heutigen Tage meinen Neurologen Meridonov auf. Nach einer kurzen Wartezeit ließ mich die Sprechstundenhilfe zu ihm vor.

Ich erzählte ihm wieder einmal, was mich bedrückte, schilderte meine Lage, die sich in den letzten Monaten deutlich verschlechtert hatte. Vorsichtig wies er darauf hin, dass meine schweren Depressionen mit meinen Rahmenbedingungen und der bestehenden Perspektivlosigkeit zusammenhingen.

Dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern würde, glaubte ich nicht. Zudem war ich gesundheitlich durch meine Erlebnisse in den vergangenen Jahren stark vorbelastet. Eine Stabilisierung meines Gesundheitszustandes war aus Sicht meines Neurologen jedoch zwingend erforderlich, um Schlimmeres zu verhindern. Aus diesem Grund, so seine Empfehlung, müsse ich die Belastungen insgesamt reduzieren. Dies schließe eine weitere Anwaltstätigkeit aus. Damit wiederholte er nur einen dringenden Ratschlag, den er mir schon zwei Jahre zuvor gegeben hatte.

Seine Worte überraschten mich nicht wirklich. Ich kannte sie ja bereits. Innerlich war das alles längst absehbar. Jeder hatte meinen psychischen Verfall in den vergangenen Jahren bemerkt. Die Zeiten meines Arbeitsausfalls nahmen ständig zu, meine Krankmeldungen bei Gericht summierten sich gewaltig. Gesundheitlich war ich schon lange ein absolutes Wrack.

Meridonov bekräftigte, ich sei definitiv berufsunfähig und empfahl mir zum wiederholten Mal, meine Kanzlei zu schließen. Finanziell müsse ich mich in diesem Fall zwar einschränken, mir werde jedoch mit Sicherheit eine Berufsunfähigkeitsrente gezahlt. Bei der Antragstellung werde er mich natürlich unterstützen.

Im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung, welche für die Altersversorgung der meisten Arbeitnehmer zuständig ist, werden in die anwaltlichen Versorgungswerke nur Rechtsanwälte aufgenommen. Als Spartenversicherung regeln sie sämtliche Versicherungsfragen rund um die Tätigkeit dieser Berufsgruppe.

Einen Tag nach meinem Besuch bei Meridonov reichte ich beim sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk einen Antrag auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente ein. Denselben Antrag stellte ich bei der Versorgungskammer Bayern, die für mich für die vorausgegangenen sieben Monate zuständig war. Ich hatte meine Anwaltszulassung wegen der vielen Anfeindungen in Leipzig zwischenzeitlich nach München verlegt.

Montag, 12. September 2011

Es war viel Zeit vergangen, bis ich mich beim sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk über den Bearbeitungsstand meiner Berufsunfähigkeitsrente erkundigte. Natürlich vertraute ich darauf, bald die ersehnte Rentenzahlung zu erhalten.

Lange musste ich nicht auf eine Antwort warten. Die Geschäftsführerin des Versorgungswerks Piekara teilte mir mit, es läge bislang kein Antrag auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente vor.

Meinem Ansinnen stand sie zudem mehr als skeptisch gegenüber. Nach der Satzung des Versorgungswerkes könnten lediglich Mitglieder der sächsischen Rechtsanwaltskammer eine Berufsunfähigkeitsrente beanspruchen. Meine Mitgliedschaft dort habe jedoch aufgrund der Verlegung meiner Anwaltszulassung nach München geendet. Daher gehe mein Antrag inhaltlich „ins Leere“. Sportlich erklärte die Geschäftsführerin, sie könne mir gerne einen förmlichen Ablehnungsbescheid zukommen lassen, wenn ich dies wünsche.

So richtig überzeugte mich diese Begründung nicht. Der gesamte Vorstand des sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerks setzte sich aus Rechtsanwälten zusammen. Da musste man eigentlich wissen, wie mein Antrag zu beurteilen war.

Rechtlich ist der Sachverhalt nicht sonderlich kompliziert, dachte ich mir. Natürlich kann das sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk die Voraussetzungen, unter denen Rechtsanwälten ein Anspruch auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente zusteht, genauer festlegen. Es befindet sich dabei allerdings nicht in einem rechtsfreien Raum; denn es muss bestimmte Rahmenbedingungen, insbesondere die Vorgaben des Grundgesetzes, beachten. Dieses Rechtsproblem, auch als sogenannte Drittwirkung der Grundrechte bekannt, war anscheinend nicht bis zu den Juristen im Anwaltsversorgungswerk vorgedrungen.

Es handelte sich hier um alles andere als eine Banalität. Jeder Jurastudent macht bereits frühzeitig mit der Drittwirkung der Grundrechte Bekanntschaft. Mir waren diese Grundsätze an der Universität Saarbrücken von Prof. Dr. Burmeister eingebläut worden. Burmeister trat als engagierter Verfechter der Grundrechtsgeltung in der mittelbaren Staatsverwaltung auf, zu der auch das sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk als Anstalt des öffentlichen Rechts zählt.

Man muss im Grundgesetz nicht lange suchen, um die Haltlosigkeit der Auffassung des sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerks aufzuarbeiten. Zu dem Kern der Grundrechte zählen die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG), die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG), die Freizügigkeit (Art. 11 GG) sowie das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG). Diese Grundrechte sind von Anstalten des öffentlichen Rechts zwingend zu berücksichtigen.

Wo kämen wir denn hin, wenn staatliche und halbstaatliche Organisationen den Kernbestand unserer verfassungsrechtlichen Freiheiten einfach ignorieren? Nach dem Grundgesetz durfte ich in jedem Teil der Bundesrepublik einschränkungslos arbeiten, ohne Nachteile befürchten zu müssen. Tätig war ich bis zuletzt allerdings nur in Leipzig.

Dass die Satzung des sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerks verfassungsrechtlichen Ansprüchen nicht gerecht wurde, ist für jeden Laien verständlich. Mehr als 15 Jahre lang hatte ich meine Beiträge an das Versorgungswerk gezahlt. Dieses weckte in mir das Vertrauen, dass es mich im Fall einer Berufsunfähigkeit unterstützen wird.

Das sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk sah dies jedoch anders. Es sanktionierte die Verlegung meiner Anwaltszulassung nach München mit einer kalten, entschädigungslosen Enteignung. Für meine Beiträge sollte ich keine Gegenleistung, erst Recht keine Berufsunfähigkeitsrente, erhalten.

Da war sie wieder: Die mehr als eigenwillige Beziehung von Vertretern der öffentlichen Hand zu rechtsstaatlichen Grundsätzen. Hier bildete das sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk keine Ausnahme.

Die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente hätte zu zusätzlichen Ausgaben des Versorgungswerks geführt. Dies war in meinem Fall wohl nicht opportun. Lieber entschied man sich dazu, elementare Regelungen unseres Rechtssystems nicht anzuwenden.

Ein Umdenken des Rechtsanwaltsversorgungswerks konnte ich in den folgenden Monaten nicht erreichen. Es wies meine Ansprüche ab und erließ ein Jahr später einen Widerspruchsbescheid. Es verwundert schon, dass das Versorgungswerk hierfür ein Jahr benötigte, zumal seine Rechtsauffassung von Anfang an feststand.

Für meinen Gesundheitszustand war diese Entscheidung verheerend. Bis zuletzt hatte ich mir Hoffnungen gemacht. Außerdem war ich auf das Geld dringend angewiesen. Nun musste ich beim Verwaltungsgericht Dresden Klage einreichen. Ich vertraute darauf, dass das Gericht diesem Unfug ein Ende setzt.

Donnerstag, 22. September 2011

Vorher machte ich meine Ansprüche auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente noch bei der Bayerischen Versorgungskammer geltend. Diese ist für die bayerischen Rechtsanwälte zuständig.

Die bayerische Versorgungskammer erwies sich als deutlich professioneller und kooperativer. Es gab weder bei der Antragstellung noch bei der Abwicklung irgendwelche Probleme. Allerdings betonte die Kammer zu Recht, dass meine Mitgliedschaft in der Versorgungskammer nur sieben Monate angedauert hatte. Daher stünden mir nur geringe Rentenleistungen zu. Meine höheren Ansprüche müsse ich gegenüber dem sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk geltend machen.

Anstatt einer monatlichen Rente entschied ich mich für eine Kapitalabfindung. Jedenfalls ging die Bayerische Versorgungskammer ganz anders mit meinem Anliegen um.

Die Tatsache, dass die Bayerische Versorgungskammer meine Ansprüche auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente anerkannte und das Sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk dagegen nicht, habe ich bis heute nicht verstanden. Nach meiner Meinung waren hierfür eher persönliche Motive ausschlaggebend.

Persönliche Motive sollten nie über die Anwendung rechtsstaatlicher Grundsätze entscheiden.

Kapitel 2: Rechtsschutz in Sachsen

Montag, 26. November 2012

Die Tage und Wochen zuvor hatte ich mit einer wahren Fleißarbeit verbracht. Die Zeit drängte, um meine Ansprüche auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente gerichtlich durchzusetzen.

Das Abfassen der Klageschrift bedeutete Stress, diese Tätigkeit war mit unschönen Erinnerungen verbunden, die ständig nach Aufmerksamkeit schrien. Wie konnte es sein, dass meine Kollegen im sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk mir meine Berufsunfähigkeitsrente vorenthielten? Und das noch zu einem Zeitpunkt, wo ich das Geld am dringendsten benötigte? Immer wieder gingen mir diese Fragen durch den Kopf.

Die juristische Arbeit war Öl auf die Mühlen meiner posttraumatischen Belastungsstörungen. Akribisch trug ich in meiner Klage die rechtlichen Rahmenbedingungen zusammen. Die juristische Datenbank „Juris“ war eine große Hilfe. Es gab zwar keinen einschlägigen Fall, was mich eigentlich wunderte. Vielleicht lag dies aber auch daran, dass die Anwaltsversorgungswerke in anderen Bundesländern die Ansprüche ihrer Mitglieder akzeptierten.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich in der Vergangenheit mit ähnlichen Fällen herumschlagen müssen. Dort ging es zwar um die normale Rente. Seine Rechtsgrundsätze waren allerdings auf meinen Fall übertragbar. Das Gericht hatte die Ansprüche von Rentenempfängern ausschließlich bejaht. Diese dürften nicht entschädigungslos enteignet werden.

Natürlich kennen auch die Anwälte im sächsischen Versorgungswerk diese Rechtsprechung. Über das Verbot einer Enteignung von Versicherungsansprüchen musste man auf dem Boden unseres Grundgesetzes nicht lange diskutieren.

Nun war meine Klageschrift fertig. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich von Hartz-IV und war nicht in der Lage, den Rechtsstreit zu finanzieren. Meine Klage verband ich daher mit einem Prozesskostenhilfeantrag.

Prozesskostenhilfe wird nur gewährt, wenn man selbst nicht in der Lage ist, für die Kosten eines Rechtsstreits aufzukommen und die Angelegenheit Erfolgsaussichten besitzt. Mit dieser Regelung ermutigt der Gesetzgeber Bürger ohne ausreichende finanzielle Mittel, Ansprüche vor Gericht geltend zu machen, anstatt darauf zu verzichten. Hierbei handelt es sich um einen rechtsstaatlichen Aspekt unseres Prozessrechts. Viele Gerichte gehen deshalb großzügig mit diesen Anträgen um.

Ich rechnete trotz meiner schlechten Erfahrungen mit der sächsischen Justiz fest mit einer Gewährung der Prozesskostenhilfe. Mit der Verlegung meiner Anwaltszulassung nach München konnte ich meine beim sächsischen Versorgungswerk angesparten Ansprüche unmöglich verlieren. Vielleicht gingen in Sachsen die Uhren aber auch anders.

Rückblickend betrachtet ist es mehr als verwunderlich, wieso ich immer noch an rechtsstaatliche Verhältnisse in der sächsischen Justiz glaubte. Hatte ich denn in den vergangenen Jahren nichts dazugelernt? Wieso sollte es dieses Mal anders werden? Es gibt Dinge, die sich nicht ändern, weil die Menschen, welche die Entscheidungen treffen, nicht an einer Änderung interessiert sind.

Und so sollte es auch dieses Mal sein.

Montag, 14. Januar 2013

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden, die ich nun in Händen hielt, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. An einem kühlen Montagmorgen stürzte mich das Gericht in ein eisiges Nirwana. Es lehnte meinen Antrag auf Prozesskostenhilfe ab und nahm mir damit die Möglichkeit, meine Rechte mit staatlicher Unterstützung zu verfolgen.

Auch dies besaß meiner Meinung nach Tradition. Die Probleme der Justiz liegen meistens in der Rechtsanwendung. In der Praxis kommt es immer darauf an, wie man mit geltendem Recht umgeht, was man also aus den rechtlichen Regelungen herausliest. Wenn man einem Bürger nicht Recht geben oder ihn davon abhalten will, seine Rechte durchzusetzen, so wird man hierfür einen Weg finden und diesen entsprechend begründen.

Im Fall des Verwaltungsgerichts Dresden geschah dies wie folgt: Man sah keine Erfolgsaussicht für meine Klage. Zum Zeitpunkt meines Antrags auf Zahlung meiner Berufsunfähigkeitsrente war ich nicht mehr Mitglied der sächsischen Rechtsanwaltskammer. Damit setzte sich das Verwaltungsgericht Dresden über sämtliche grundrechtlichen Bindungen sowie die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinweg.

Was war also mit meinen langjährigen Beitragszahlungen, mit denen ich Ansprüche auf eine Berufsunfähigkeitsrente begründet hatte? Waren diese nichts wert? Durften mir diese einfach genommen werden? Anscheinend ja. Mit meiner verfassungsrechtlichen Kritik setzte sich das Verwaltungsgericht gar nicht erst auseinander.

Wir leben nicht mehr in einem Land, in dem Bürger, welche aus nachvollziehbaren Gründen wegzogen, einfach enteignet werden konnten. Hatte sich das etwa im Freistaat Sachsen nicht herumgesprochen? Und was war mit meiner Freiheit, meinen Beruf dort auszuüben, wo ich dies für sinnvoll hielt? In Sachsen galt all dies alles nicht. Dass Richter es nach einer so langen Berufsausbildung nicht besser wissen, war für mich nicht nachvollziehbar.

Es geht hier nicht um hemmungslose Richterschelte. Ich bin fest davon überzeugt, dass das Verwaltungsgericht Dresden sehr wohl in der Lage war, den Sachverhalt sauber zu beurteilen. Dass es dies am Ende nicht tat, macht mich nachdenklich.

Mir platzte beim Lesen der Kragen. Eine derartige Katastrophenentscheidung wollte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich legte Beschwerde beim sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen ein. Vielleicht war dieses ja geneigt, sich mit meiner verfassungsrechtlichen Kritik auseinanderzusetzen.

Auf eines durfte ich sicherlich hoffen: Richter in höheren Instanzen weisen regelmäßig eine deutlich größere Erfahrung auf. Sie sind ferner unabhängiger vor einer politischen Einflussnahme, zumal sie einen wesentlichen Teil ihres Karrierewegs schon hinter sich haben.

Donnerstag, 4. April 2013

Es war etwas Zeit seit meiner Niederlage vor dem Verwaltungsgericht vergangen. Dass es nicht bei dieser Niederlage bleiben sollte, überraschte mich dann doch. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen gab meiner Beschwerde in vollem Umfang statt.

Was ich lesen konnte, war Öl auf meine rechtsstaatlichen Wunden. Natürlich bestünde für meine Klage eine Erfolgsaussicht, so das Oberverwaltungsgericht. Aufgrund meiner langjährigen Beitragszahlungen habe ich Ansprüche auf eine Berufsunfähigkeitsrente erworben. Diese unterfallen der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14 GG).

Das Oberverwaltungsgericht begründete meinen Anspruch auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente genauso, wie ich dies in meiner Klage getan hatte. Es zitierte auch dieselben Urteile des Bundesverwaltungsgerichts.

Für das Verwaltungsgericht Dresden war dies eine schallende Ohrfeige, die nicht nur aufhorchen ließ, sondern mir auch noch Mut machte. Denn damit deutete das Oberverwaltungsgericht an, wie es über meinen Fall in einem Berufungsverfahren entscheiden würde.

Jedenfalls stand mir nun die Prozesskostenhilfe zu. Der Kampf um die Sache konnte beginnen. Ich hatte einen wichtigen Punktsieg errungen. Und natürlich hoffte ich, dass das Verwaltungsgericht Dresden sich an der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts orientieren wird. Danach waren meine Chancen, meine Berufsunfähigkeitsrente erfolgreich geltend zu machen, deutlich gestiegen.

Mittwoch,12. November 2014

Das Verwaltungsgericht Dresden nahm sich Zeit für seine Entscheidung. Zwei Jahre waren seit Einreichung meiner Klage vergangen. Zwei Jahre, in denen ich immer wieder bei Gericht nachfragte, wann ich mit einem Verhandlungstermin rechnen kann. Zwei Jahre, in denen die einsilbige Antwort des Gerichtes lautete, man sei völlig überlastet. Es waren aber auch zwei Jahre, in denen das sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk nicht die Spur eines Entgegenkommens zeigte.

Auch so lassen sich rechtsstaatliche Grundsätze aushebeln. Die Gerichte sind – aus welchen Gründen auch immer – nicht in der Lage, zeitnah Entscheidungen zu treffen. Dies gilt insbesondere für die Sozialgerichte, wo ein Rechtsstreit in einer Instanz durchaus fünf Jahre dauern kann.

Dort, wo Rechtsschutzsuchende auf ein schnelles Urteil angewiesen sind, werden sie hingehalten. Betroffene schrecken daher oft vor der Geltendmachung ihrer Rechte zurück. Unseren Herren an den Schalthebeln der Macht scheint diese Entwicklung egal zu sein. Gegenmaßnahmen, etwa in Gestalt einer besseren personellen Ausstattung der Gerichte, haben sie nicht ergriffen.

Natürlich war die Angelegenheit für mich dringend. Ich musste schließlich meinen Lebensunterhalt irgendwie finanzieren. Der tägliche Kampf ums Überleben stellte eine immense Belastungsprobe dar. Meine Gegner profitierten dagegen von der Verzögerung des Rechtsstreits. Da half meine rechtliche Überzeugung wenig.

Also entschied ich mich dazu, das Ganze zu beschleunigen. Ich reichte beim Verwaltungsgericht Dresden einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ein und verband diesen erneut mit einem Antrag, mir Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Damit wollte ich eine schnellere Entscheidung des Gerichts erzwingen. Nun musste sich das Verwaltungsgericht zeitnah mit meiner Berufsunfähigkeitsrente befassen.

An die Erfolgsaussichten meines Antrags glaubte ich irgendwie schon. Das Oberverwaltungsgericht hatte schließlich deutlich den bestehenden Rechtsrahmen aufgezeigt und die Erfolgsaussichten meiner Klage bejaht. Ich wusste, dass Richter es nicht gerne sehen, wenn ihr Entscheidungen von der nächst höheren Gerichtsinstanz aufgehoben werden. Daher orientieren sie sich gerne an deren Rechtsprechung.

Mittwoch, 18. Februar 2015

Wie heißt es so schön? „Wer sich in die Fänge der Justiz begibt, kommt darin um!“ Nach diesem Sprichwort geht es nicht darum, Recht zu haben, sondern dieses auch zu bekommen.

Der Grundtenor des Sprichwortes ist eindeutig pessimistisch. Man wird vielleicht alles verlieren, wenn man sich überhaupt auf ein Gerichtsverfahren einlässt. Das Sprichwort zeugt von der Bitterkeit vieler Betroffener, die vor Gericht ergebnislos ihr Recht gesucht, dieses nicht gefunden und später resigniert haben.

Wieder einmal war der Tag der Entscheidung gekommen. Heute befasste sich das Verwaltungsgericht mit meiner Berufsunfähigkeitsrente. Meine Hoffnungen hatten schon vorher einen herben Dämpfer erhalten, da für meinen Antrag dieselbe Kammer des Verwaltungsgerichts zuständig war, die bereits meinen vorherigen Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt hatte.

Das Verwaltungsgericht blieb seiner Linie treu und beschied sowohl meinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, als auch meinen Prozesskostenhilfeantrag negativ. Mit keinem Wort beschäftigte es sich mit der Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts.

Damit konnte ich nicht auf einem schnelleren Wege die Zahlung meiner Berufsunfähigkeitsrente erzwingen. Wenigstens den Prozesskostenhilfeantrag hätte man mir genehmigen können.

Leider steht die sächsische Justiz nur selten auf der Seite Schutzsuchender. Oft wurden Ansprüche der Betroffenen abgewiesen. Aus dieser Praxis folgt tiefe Resignation. Sie führt zu einem Verzicht der Betroffen auf jegliche Rechtsverfolgung. Und das selbst dort, wo sie das Recht eigentlich auf ihrer Seite haben.

Damals glaubte ich, auf einer schwarzen Liste zu stehen. Anders waren all diese „Zufälle“ nicht zu erklären. Mein langjähriger Kampf um das Recht schien bei meinen Gegnern nie in Vergessenheit geraten zu sein.

Unser Rechtsstaat krankt außerdem daran, dass Richter Karriere machen wollen. Am Ende entscheidet das Justizministerium darüber, ob sie in der Hierarchie aufsteigen, also zu höheren Weihen befähigt sind. Da liegt es auf der Hand, dass es sich einige Richter nicht mit ihren Vorgesetzten verscherzen wollen.

Sofort dachte ich wieder an den ehemaligen sächsischen Justizminister Heitmann, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, gerichtliche Entscheidungen zu korrigieren und so darüber entschied, welcher Richter beförderungsfähig war und welcher nicht[1].

Sachfremde Motive des Verwaltungsgerichts Dresden vermute ich bis heute. Beweisen kann ich dies natürlich nicht. Überrascht hat mich allerdings, dass sich das Verwaltungsgericht seiner Sache doch nicht so sicher zu sein schien. Denn es begründete nun, warum meine langjährigen Beitragszahlungen nicht von der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14 GG) geschützt werden.

Für den juristischen Laien ist diese Begründung mehr als unverdaulich. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts besaß meine Berufsunfähigkeitsrente nur Versicherungscharakter, der durch die grundgesetzliche Eigentumsgarantie nicht geschützt wird. Das mag verstehen, wer will. Am Ende war diese richterliche Spitzfindigkeit entscheidend.

Überzeugt hat mich diese Meinung bis heute nicht. Denn selbst wenn meine Berufsunfähigkeitsrechte Versicherungscharakter besitzen würde, ändert dies nichts daran, dass ich mit meinen Beitragszahlungen Ansprüche auf eine Berufsunfähigkeitsrente begründet habe. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts Dresden traf daher nicht den Kern des Rechtsproblems.

Das Verwaltungsgericht versuchte zu rechtfertigen, was in der Sache nicht zu rechtfertigen war.

Natürlich musste ich die Kosten des Rechtsstreits tragen. Hier sorgte das Gericht für eine maximale Belastung, indem es den Streitwert hoch ansetzte. Dementsprechend heftig fielen die von mir zu zahlenden Gerichtskosten aus. Ich sah das Ganze als eine Bestrafung meiner Hartnäckigkeit.

Aus Sicht der Justiz macht eine derartige Kostenfolge durchaus Sinn. Sie besitzt disziplinierende Wirkung und führt dazu, dass Betroffene von weiteren Klagen Abstand nehmen. Es wird für sie einfach zu teuer, die eigenen Rechte geltend zu machen. Billiger dagegen ist es, von vornherein auf den Weg zum Gericht zu verzichten.

Mittwoch, 4. November 2015

Für mich war dieser Tag ein Tag wie jeder andere. Ich ging meiner Arbeit nach und erstellte Betriebsvereinbarungen für meinen neuen Arbeitgeber, die Standard Life Ltd. in Frankfurt-Niederrad.

Während ich mir in meinem Großraumbüro den Kopf zerbrach, tagte fast 500 Kilometer entfernt das Verwaltungsgericht Dresden. Es verhandelte meine Klage auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente, das sogenannte Hauptsacheverfahren, auf das ich so lange gewartet hatte.

Die Sache besaß nur einen Haken: Ich kannte den Gerichtstermin nicht. Damit ging es wieder um meinen Anspruch auf rechtliches Gehör, den jedes Gericht in der Bundesrepublik beachten muss. Die Ladung zu einem Gerichtstermin stellt eine absolut grundlegende Voraussetzung dieses Anspruchs dar. Wer nicht geladen wird, kann seine Meinung nicht äußern und sich verteidigen.

Dennoch erschien mir das Ganze nicht weiter schlimm. Das Verwaltungsgericht Dresden hatte mir noch nie Recht gegeben. Seine Vorstellungen über die Anwendung meiner Grundrechte lagen weit von meiner Auffassung entfernt. Warum sollte ich also nach Dresden fahren, wenn ich an der Meinung des Gerichts ohnehin nichts ändern konnte? Über meine Hauptsacheklage entschied zudem dieselbe Kammer, die zuvor bereits meinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hatte.

Es war nicht das erste Mal, dass ich keine Kenntnis von einem Gerichtstermin besaß. Ähnliche Erfahrungen machte ich zuvor bereits beim Amts- sowie beim Landgericht Leipzig. Für mich galt da eher das Gesetz der Serie. Vielleicht war das Zynismus, vielleicht war meine Anwesenheit ja wirklich nicht erwünscht.

Dennoch stellte das Verwaltungsgericht Dresden meine ordnungsgemäße Ladung fest, obwohl mir diese nie zugegangen war. Damit sah das Gerichtsprotokoll so aus, als hätten die Richter alles richtiggemacht. Dem Verwaltungsgericht spielte meine Abwesenheit in die Hände. Es machte kurzen Prozess, schloss die Verhandlung nach nur neun Minuten und hatte damit ausreichend Zeit für das tägliche Mittagessen. Wenigstens dieses Bedürfnis konnte zeitnah befriedigt werden.

Donnerstag, 21. November 2015

Dass das Verwaltungsgericht Dresden über meinen Fall verhandelt hatte, wusste ich immer noch nicht. Umso überraschter war ich, als ich Post bekam. Wieder einmal fiel ich aus allen Wolken. Entgegen meiner Hoffnung ließ es sich nicht von der gegenteiligen Meinung des Oberverwaltungsgerichts beeindrucken.

Nein, ich habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente, so das Gericht. Diese werde zwar jedem Mitglied schon nach einer einmaligen Beitragszahlung gewährt. In meinem Fall wären meine Ansprüche jedoch nicht geschützt.

Das verstand ich immer noch nicht. Gerade wenn der Anspruch auf Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente bereits nach einer einmaligen Beitragszahlung entsteht, muss er dem Eigentumsschutz des Grundgesetzes unterfallen. Dann waren meine Ansprüche sogar noch stärker, als ich angenommen hatte. Wieso konnte ich mich dann nicht auf sie berufen? Diese Frage wollte mir das Verwaltungsgericht Dresden nicht beantworten. Das war meine Schuld, denn schließlich hatte ich die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung versäumt.

War denn alles falsch, was ich während meines Jurastudiums über die Reichweite des Grundgesetzes gelernt hatte? Wie war es möglich, dass das Gericht erneut alle verfassungsrechtlichen Grundsätze über Bord warf? Oder unterlag ich einem permanenten rechtlichen Irrtum?

Wie wenig rechtsstaatliche Forderungen in meinem Fall eine Rolle spielten, musste ich auch aus einem anderen Grund feststellen: Denn das Verwaltungsgericht Dresden ließ eine Berufung gegen sein Urteil nicht zu. Damit war dieses rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht war sich seiner Sache also ganz sicher. Und es betrachtete die Angelegenheit als abgeschlossen.

Zu den ehernen rechtsstaatlichen Prinzipien zählt der Anspruch jedes Bürgers auf ein faires Verfahren. Dieses beschränkt sich nicht nur auf eine gerichtliche Instanz, sondern eröffnet die Möglichkeit, ein Urteil durch ein höheres Gericht überprüfen zu lassen.

Bei einer derart wichtigen Frage wie der Reichweite der Grundrechte bei der Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente hätte das Verwaltungsgericht meiner Meinung nach die Berufung zulassen müssen. Oder wollte man verhindern, dass das Oberverwaltungsgericht sich der Sache annimmt?

Es fiel mir schwer, diese erneute Niederlage zu verarbeiten. Je mehr man einstecken muss desto größer ist die Bereitschaft, in einem See der Tränen zu versinken und endgültig loszulassen. Zuerst natürlich den Glauben an den Rechtsstaat.

Mittwoch, 16. Dezember 2015

Lange grübelte ich über das Urteil des Verwaltungsgerichts. Zum wiederholten Mal stellte sich die Sinnfrage. Die endlos anmutende Kette gerichtlicher Niederlagen hatte sich um eine weitere Episode verlängert. Wofür noch Kraft und Energie in ein aussichtsloses Unterfangen investieren?

Am Ende wollte ich mich wieder einmal nicht so abspeisen lassen. Es war ja nicht nur mein Kampf, redete ich mir ein. Auch andere Menschen befanden sich in einer vergleichbaren Lage. Die Frage musste also abschließend geklärt werden.

Ich weiß nicht, was am Ende den Ausschlag gab. Ich nahm ein weiteres Mal meine Kräfte zusammen und verfasste einen Antrag auf Zulassung der Berufung. Diesen wies das Verwaltungsgericht ab und übergab die Angelegenheit an das Oberverwaltungsgericht zur endgültigen Entscheidung. Dort war nun derselbe Senat zuständig, der schon einmal meinen Prozesskostenhilfeantrag positiv beschieden hatte.

Dienstag, 23. August 2016

Viel Zeit war vergangen. Nun hielt ich die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in meinen Händen. Mein Antrag auf Zulassung der Berufung wurde abgelehnt. An dieser Entscheidung wirkte der Präsident des Oberverwaltungsgerichts Künzler mit. Was für eine schallende Ohrfeige!

Das Oberverwaltungsgericht setzte sich nicht einmal mit meiner Rechtsauffassung auseinander. Mein Antrag wurde allein deshalb zurückgewiesen, weil ich vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Anwalt hinzugezogen hatte. Dies sei für ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht zwingend notwendig.

Ich traute meinen Augen kaum, denn ich hatte mich gegenüber dem Oberverwaltungsgericht gar nicht geäußert. Mein Antrag auf Zulassung der Berufung gelangte nur deshalb nach Bautzen, weil dieser zuvor vom Verwaltungsgericht Dresden abschlägig beurteilt worden war.

In diesem Fall bin ich meiner Meinung nach nicht auf die Unterstützung eines Anwalts angewiesen. Weder habe ich vor dem Oberverwaltungsgericht verhandelt noch irgendwelche Anträge gestellt. Nur dann wäre die Hinzuziehung eines Anwalts notwendig gewesen.

Es muss möglich sein, seine Rechtsauffassung bei einem Antrag auf Zulassung der Berufung auch ohne anwaltliche Unterstützung zu äußern. Für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts fehlten mir zudem die notwendigen finanziellen Mittel. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen sah dies jedoch anders und verurteilte mich dazu, die Kosten des Verfahrens zu tragen. Wieder einmal wurde der hierfür maßgebliche Streitwert ausgereizt.

Der Kampf um meine Berufsunfähigkeitsrente nahm sieben Jahre in Anspruch. Am Ende stand nur endlose Ohnmacht. Soviel Energie hatte ich in diese Auseinandersetzung gesteckt, allen Depressionen zuwider. Es war alles umsonst. Zwar überlegte ich mir, gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Bautzen Verfassungsbeschwerde einzulegen, ich entschied mich letztendlich dagegen. Mir fehlte einfach die Kraft.

Für mich war mein Kampf um die Berufsunfähigkeitsrente kein normaler Kampf. Es ging mir vor allem um die Einhaltung grundgesetzlicher Vorgaben. Meine (Wunsch-)Vorstellungen scheiterten in dramatischer Weise an der harten Realität. Offensichtlich machte es im Freistaat Sachsen keinen Sinn, weiter für seine Rechte zu kämpfen.

Dienstag, 24. Oktober 2017

Zu meiner Überraschung war der Kampf um meine Berufsunfähigkeitsrente wohl doch noch nicht vorbei. Nachdem der Leipziger Universitätsprofessor Dr. Schönknecht mich untersucht hatte, legte er sein Gutachten vor. Danach konnte ich seit dem Jahre 2008 nicht mehr meinen Beruf als Rechtsanwalt ausüben und war damit berufsunfähig.

Da ich erst zwei Jahre später meine Anwaltszulassung nach München verlegt hatte, musste sich nun das sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk mit meiner Berufsunfähigkeitsrente befassen. Also wandte ich mich erneut an das Versorgungswerk und bat um eine Neubewertung meines Antrags.

Die Antwort, die ich aufgrund einer Nachfrage erhielt, war wenig überraschend. Das Versorgungswerk berief sich auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts sowie darauf, ich sei in Wirklichkeit erst drei Jahre später berufsunfähig geworden. Da besitzt das Versorgungswerk wohl eine höhere ärztliche Expertise als Prof. Dr. Schönknecht.

Wie dem auch sei. Ich werde nun erneut beim Verwaltungsgericht Dresden auf Zahlung meiner Berufsunfähigkeitsrente klagen müssen. Das Rennen geht also in die Verlängerung. Allerdings gebe ich mich gar nicht erst dem Trugschluss hin, vor einem sächsischen Gericht gewinnen zu können. Die endgültige Entscheidung wird daher erst vor dem Bundesverfassungsgericht bzw. dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte fallen. Bis die Angelegenheit endgültig entschieden wird, dürften noch 10 Jahre vergehen. Und das bei einer Rentenzahlung, auf die ich aufgrund meiner miserablen wirtschaftlichen Situation dringend angewiesen bin. Ach du mein schauriges Vaterland.

[1]              Siehe www.spiegel.de/politik/deutschland/sachsen-justizminister-heitmann-zurueckgetreten-a-92979.html; www.handelsblatt.com/impressum/nutzungshinweise/blocker/?callback=%2Farchiv%2Funertraeglichen-angriffe-fuehren-zum-ruecktritt-sachsens-justizminister-heitmann-gibt-auf%2F2004406.html; http://www.rp-online.de/politik/sachsens-justizminister-zurueckgetreten-aid-1.2268419

Der hybride Rechtsstaat – Teil 6 – Die Staatsgewalt schlägt zurück

siehe ferner Der hybride Rechtsstaat – Teil 5 – Die Untätigkeit politischer Entscheidungsträger

Der hybride Rechtsstaat – Teil 5 – Die Untätigkeit politischer Entscheidungsträger

Montag, 8. April 2013

Den heutigen Tag hatte ich mit Spannung erwartet. Voll innerlicher Unruhe suchte ich die Buchhandlung Hugendubel im Westpark in Ingolstadt auf. Nun hielt ich es in den Händen: Es war das neue Buch des investigativ tätigen Journalisten Jürgen Roth, mit dem Titel „Spinnennetz der Macht“.

Vor mehreren Jahren lernte ich Jürgen Roth kennen. Eines Nachmittages saß er in meinem Wohnzimmer, damals noch in Leipzig. Er war ein schmächtiger Mann mit scharfer, schneller Intelligenz, der eine Auseinandersetzung mit unseren Staatsvertretern nicht scheute und sich nicht einschüchtern ließ[1]. Als einer der wenigen Journalisten war er bereit, Betroffene in ihrem Kampf zu unterstützen. Er verlieh diesen eine Stimme. Diese war mahnend und fordernd zugleich. Missstände deckte er konsequent auf.

Jürgen Roth fragte mich damals nach meinen Erfahrungen im Umgang mit den Vertretern der herrschenden Kaste in Sachsen. Man merkte schnell, dass es ihm auch ein persönliches Anliegen war, staatliche Willkür aufzuarbeiten. Er selbst hatte unter den Attacken der sächsischen Justiz ebenfalls gelitten. Seitdem ging der Kontakt zu ihm nicht verloren. Jürgen Roth ermunterte mich dazu, meine Erlebnisse niederzuschreiben und diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Schnell entfernte ich die Schutzhülle des Buches und begann zu lesen. Gierig überflog ich die Zeilen. Da stand er nun: mein Name und ein großer Teil meiner Erfahrungen in Sachsen. Ich nahm das Objekt meiner Begierde, ging zur Kasse und zahlte. Jürgen Roth berichtete über meine Erlebnisse als „Kampf eines Aufrechten“. Dies ging runter wie Öl. Immerhin war er eine der wenigen Personen, die diesen Kampf unterstützten und den Betroffenen Mut machte.

Mir bedeuteten seine Ausführungen viel. Immerhin bildeten sie den Anfang meiner längst fälligen Rehabilitation. Das war zwar eigentlich eine sächsische Aufgabe, dort sah man die Dinge jedoch anders. Um mir nichts vorwerfen zu müssen unterrichtete ich sowohl meinen Insolvenzverwalter als auch das Insolvenzgericht Leipzig über das Buch. Das war natürlich ein Fehler.

Nach der Lektüre seiner Ausführungen fühlte ich mich das erste Mal seit langem besser. Vielleicht war mein Kampf gegen die Windmühlen der Justiz doch nicht so aussichtslos, wie ich dies immer gedacht hatte. Vielleicht würden sich nun auch andere Journalisten meiner Sache annehmen und dafür kämpfen, dass sich diese Erfahrungen nicht wiederholen.

Doch ich sollte mich wieder einmal irren. Außer Jürgen Roth interessierte sich niemand für diesen Kampf.

Montag, 15. April 2013

Natürlich haben die Vertreter an den Schaltstellen der Macht in Sachsen das Buch von Jürgen Roth mit Unwillen gelesen. Mit einer Reaktion musste ich also rechnen. Gleiches gilt für meine Petition zum sächsischen Landtag, die ich kurz zuvor eingereicht hatte.

Leider fiel die Reaktion der sächsischen Justiz wieder einmal nicht so aus, wie ich es mir erhofft hatte. Stattdessen zeigte mir der Freistaat wieder einmal sein wahres Gesicht.

Erneut wurde früh morgens stürmisch an der Hauseingangstür in Ingolstadt geklingelt. Es erschienen mehrere Kriminalbeamte und legten mir einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 16. November 2012 vor. Vorausgegangen war eine Strafanzeige meines Insolvenzverwalters Rechtsanwalt Rüdiger B. vom Juni 2011.

Das Timing überraschte nun doch. Oder etwa nicht?

Fast zwei Jahre nach Erstattung einer Strafanzeige meines Insolvenzverwalters ordnete das Amtsgericht Leipzig zum wiederholten Mal die Durchsuchung meiner Wohnung an. Bezeichnenderweise wurde die Staatsanwaltschaft erst nach Veröffentlichung des neuen Buchs von Jürgen Roth tätig. Was für eine kuriose zeitliche Übereinstimmung! Der wievielte Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts lag nun eigentlich vor? Inzwischen hatte ich den Überblick verloren.

Mein Insolvenzverwalter B. beschuldigte mich, einen betrügerischen Bankrott begangen zu haben. Ich soll erhebliche Gelder von meinen Anwaltskonten abgezweigt und meine Beteiligungen an den Biogasgesellschaften in strafbarer Weise auf ein Unternehmen übertragen haben.

Das waren wirklich heftige Vorwürfe. Noch im Mai 2011 hatte ich mich den Fragen meines Insolvenzverwalters anlässlich unseres Treffens in Frankfurt am Main gestellt. Es gab anlässlich dieses Gesprächs keinen Hinweis darauf, dass noch irgendwelche Fragen offen wären.

Getreu seiner bisherigen Linie machte sich mein Insolvenzverwalter anlässlich dieser Strafanzeige dennoch nicht die Mühe, den Sachverhalt aufzuklären und sich hinsichtlich der Details bei mir rückzuversichern. Dass meine Einnahmen ausschließlich in den Kanzleibetrieb geflossen waren, ich mir zudem die letzten 18 Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht einmal ein Gehalt gezahlt hatte, interessierte ihn nicht. Gleiches galt für die Gründe, die zur Übertragung meiner Geschäftsanteile an den Biogasgesellschaften führten. Rüdiger B. wusste es wieder einmal besser. Für ihn war es nicht erforderlich, mich vorher anzuhören.

Meinem Insolvenzverwalter war es jedoch wichtiger, seinen eigenen Weg zu gehen, auch wenn er damit die Gegebenheiten auf den Kopf stellte. Seine Strafanzeige, über die ich erst anlässlich der erneuten Durchsuchung erfuhr, ist für mich auch heute noch nichts anderes als eine massive Denunziation mit schwerwiegenden Folgen.

Vorteile für das Insolvenzverfahren erzielte er auf diese Weise allerdings nicht, denn er setzte mich gesundheitlich wieder dauerhaft schachmatt. Damals war es der achte Durchsuchungsbeschluss, den das Amtsgericht Leipzig gegen mich erlassen hatte. Nun versank ich wieder in tiefen Depressionen.

Montag, 9. September 2013

Meine Gesundheit hatte sich etwas gebessert, wenn auch in kleinen Schritten. Vor vier Wochen wandte ich mich an den Leipziger Rechtsanwalt Dr. Stapper, ein Spezialist im Insolvenzrecht. Dieser hatte mich schon vor der Eröffnung meines Insolvenzverfahrens auf die Möglichkeit verwiesen, das Verfahren durch einen sogenannten Insolvenzplan vorzeitig zu beenden. Ein Insolvenzplan beinhaltet eine Einigung mit meinen Gläubigern. Diese müssen den Insolvenzplan mittragen, ihm also positiv gegenüberstehen. Dr. Stapper sollte dessen Erfolgsaussicht prüfen.

Hierzu beantragte er Einsicht in meine Insolvenzakte. Diese enthielt u. a. die Berichte meines Insolvenzverwalters an die Gläubigerversammlung, also an die Gemeinschaft aller Gläubiger. Meine Gläubiger hatten von mir seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts mehr gehört. Ich wusste daher nicht, ob sie einen Insolvenzplan befürworten würden.

Eigentlich ist jeder Insolvenzverwalter verpflichtet, dem Schuldner die Berichte an die Gläubigerversammlung zu übermitteln. Mehrfach hatte ich meinen Insolvenzverwalter hierzu aufgefordert. Eine Antwort blieb er mir stets schuldig.

Vielleicht lag der Grund hierfür auch in der Art, wie er über mich berichtete. Mehrfach teilte er meinen Gläubigern mit, ich sei nicht kooperationswillig, wodurch die Arbeit des Insolvenzverwalters deutlich erschwert würde. Nicht akzeptabel war für mich, dass dies hinter meinem Rücken geschah und ich damit keine Möglichkeit besaß, die Vorwürfe richtig zu stellen.

Aufgrund meiner Kooperationsunwilligkeit – so führte mein Insolvenzverwalter aus – solle mir die Möglichkeit eines Insolvenzplans versagt werden. Was mein Insolvenzverwalter den Gläubigern verschwieg war die Tatsache, dass ich jede seiner Anfragen, sofern es welche gab, ausführlich beantwortet hatte. Vielmehr war es Rüdiger B., der nur selten Zuarbeiten von mir verlangt hatte. Aber Papier ist bekanntlich geduldig.

Natürlich wollte ich von Rechtsanwalt Dr. Stapper wissen, ob meine Gläubiger von meinem Insolvenzverwalter über meine psychische Erkrankung informiert worden waren. Dies war jedoch nicht der Fall. Meine Gläubiger mussten daher annehmen, dass ich eine Kooperation im Insolvenzverfahren willkürlich verweigerte.

Dr. Stapper kam zu dem Ergebnis, dass ein Insolvenzplan derzeit keine Aussicht auf Erfolg besitzt. Meine Gläubiger würden sich der Auffassung meines Insolvenzverwalters anschließen und gegen einen Insolvenzplan sowie die damit verbundene Restschuldbefreiung stimmen.

Damit hatte mein Insolvenzverwalter vollendete Tatsachen geschaffen. Es sollte bei der gegen mich verhängten Höchststrafe, also dem sechsjährigen Insolvenzverfahren und der Verweigerung der Restschuldbefreiung bleiben. Ich würde auch nach sechs Jahren auf meinen Schulden sitzen bleiben.

Das waren ausgesprochen bittere Nachrichten.

Mittwoch, 24. September 2014

Beruflich gelang mir vor ein paar Wochen ein kleiner Durchbruch. Ich trat beim Institut für Fortbildung von Betriebsräten (IfB) aus Murnau am Staffelsee eine Stelle als Referent an. Ich hatte die Hoffnung auf einen neuen Job schon fast aufgegeben.

Ich sollte Betriebsräte im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht unterrichten. Für mich stellte diese Referententätigkeit eine enorme finanzielle Entlastung dar. Da meine Vergütung unterhalb der Pfändungsfreigrenze lag, besaß mein Insolvenzverwalter hierauf keine Zugriffsmöglichkeit.

Die ersten beiden Seminare in Frankfurt und Dresden hielt ich mit gutem Erfolg. Die Kritiken der Seminarteilnehmer waren positiv. Daher bestand die Chance, künftig öfter Betriebsräte schulen zu können.

Aber es sollte anders kommen. Wieder einmal hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Mein Insolvenzverwalter erfuhr durch eine Indiskretion aus meinem „Freundeskreis“ von meiner neuen Tätigkeit und setzte zu einer Blutgrätsche an. Ohne mich zu informieren bzw. vorherige Auskünfte bei mir einzuholen wandte er sich direkt an das IfB. Außerdem beantragte er beim Insolvenzgericht Leipzig eine Postsperre, welches ihm diese umgehend gewährte. Fortan würde Rüdiger B. die an mich gerichtete Post vor mir lesen.

Seine Vorgehensweise hatte sich seit seiner Attacke gegenüber dem Jobcenter Ingolstadt, wo er die Einstellung meiner Hartz-IV-Zahlungen erreichen wollte, nicht geändert. Mein Insolvenzverwalter berichtete dem IfB von meinen „kriminellen Machenschaften“. Es ginge mir nur darum, Einnahmen an den Gläubigern vorbei zu erzielen.

Er forderte die Zahlung meiner gesamten Vergütung an ihn selbst. Die Pfändungsfreigrenzen akzeptierte er nicht. Und das, obwohl meine Referentenvergütung den Pfändungsfreibetrag nicht einmal überschritt.

Wenig später erfuhr ich die Konsequenzen wieder einmal am eigenen Leibe. Aufgrund des Briefs meines Insolvenzverwalters beendete das IfB die Zusammenarbeit mit mir. Damit ging mir das Referentengehalt verloren. Ich stürzte einmal mehr vollständig ab.

Die Vorgehensweise meines Insolvenzverwalters war alles andere als zielführend. Nach der Beendigung meiner Zusammenarbeit mit dem IfB konnte er nicht mehr auf eine höhere Referentenvergütung meinerseits hoffen und einen Teil davon einfordern. Damit schädigte er meine Gläubiger zum wiederholten Mal.

Die Kaltschnäuzigkeit meines Insolvenzverwalters musste ich darüber hinaus auch anlässlich eines Besuchs bei meiner Bank an diesem Tag feststellen. Nachdem ich meine EC-Karte in den Schlitz des Bankautomaten eingeführt hatte, wurde diese einbehalten. Auf meinem Konto befand sich ein nur geringes Guthaben. Das IfB hatte kurz vorher meine Spesen für mein Vorstellungsgespräch überwiesen.

Nach Auskunft der Volksbank Greven ließ mein Insolvenzverwalter mein Konto pfänden und veranlasste die Zahlung der Spesen an sich. Nach den einschlägigen Regelungen der Zivilprozessordnung dürfen derartige Spesen allerdings nicht gepfändet werden. Meinen Insolvenzverwalter interessierte dies wenig. Die Spesen aus meinem Vorstellungsgespräch sah ich nie wieder.

Daran änderten meine Beschwerden bei ihm sowie beim Insolvenzgericht Leipzig nichts. Während mein Insolvenzverwalter Rüdiger B. seiner Linie treu blieb und meine Schreiben ignorierte, erhielt ich vom Insolvenzgericht Leipzig nur die kurze Antwort, der Insolvenzverwalter habe alles richtiggemacht. Auch eine hinter meinem Rücken erfolgte Denunziation sah das Insolvenzgericht nicht. Immerhin hatte B. von meinen „kriminellen Machenschaften“ gesprochen.

Längst war beim Leipziger Insolvenzgericht alles erlaubt. Seine Vorgehensweise deckte sich zwar nicht mit der Rechtslage. Es entsprach aber der üblichen Marschrichtung in der Leipziger Justiz. Ähnlich hatte das Insolvenzgericht Leipzig bereits auf frühere Beschwerden meinerseits reagiert. Diese Praxis ermutigte meinen Insolvenzverwalter zu noch konsequenterem Vorgehen.

Nachvollziehen kann ich das Verhalten meines Insolvenzverwalters sowie des Insolvenzgerichts bis heute nicht. Wozu nutzen rechtliche Rahmenbedingungen, wenn man sich bei der Anwendung selbst die Absolution erteilt.

Dass gerade Vertreter der öffentlichen Hand, zu denen Insolvenzverwalter und das Insolvenzgericht gehören, verpflichtet sind, rechtliche Mindeststandards einzuhalten, stellt eine Binsenwahrheit dar. Immerhin geht es hier um nichts Geringeres als die Rechtsstaatlichkeit, deren Bedeutung und Reichweite ich aufgrund meiner Doktorarbeit genau zu kennen glaubte.

Mein rechtstheoretisches Wissen deckte sich jedoch nicht mit der im Freistaat Sachsen gelebten Rechtspraxis. Mein Kampf um die Einhaltung rechtsstaatlicher Regelungen in der sächsischen Justiz war längst verloren. Sämtliche Verfassungsgrundsätze helfen dem Betroffenen nicht, wenn die Bereitschaft zu ihrer Einhaltung fehlt.

Montag, 22. Juni 2015

Wieder einmal befasste ich mich mit Überlegungen, mein Insolvenzverfahren durch einen Insolvenzplan zu beenden. Inzwischen stand sogar mein Insolvenzverwalter diesem Vorhaben positiv gegenüber.

Mein Rechtsanwalt hatte die aktuelle Gläubigerliste von Rüdiger B. abgefordert. Gleichlautende Bitten von mir gab es zwar bereits früher. Eine Antwort blieb mir B. jedoch stets schuldig. Er brauchte meine Zuarbeit offensichtlich nicht.

Die Gläubigerliste gibt Auskunft darüber, welcher Gläubiger im Insolvenzverfahren Forderungen erfolgreich angemeldet hat. Sie dokumentiert den exakten Schuldenstand. Es ist daher wichtig, diese Liste möglichst fehlerfrei zu erstellen. Gerade aus diesem Grund hatte ich meinem Insolvenzverwalter B. in den vergangenen Jahren immer wieder meine Unterstützung angeboten. Schließlich wusste ich am besten, welche Forderungen existierten und welche nicht.

Rüdiger B., der sich so gerne über meine fehlende Kooperationswilligkeit beklagte, ging auf mein Angebot leider nie ein. Nun sah ich das Ergebnis seiner Tätigkeit. Mein Insolvenzverwalter hatte in erheblichem Umfang Forderungen von Gläubigern bestätigt, die in Wirklichkeit nicht bestanden. Teilweise widersprachen diese sogar gerichtlichen Entscheidungen.

Eine Änderung der Gläubigerliste war nun allerdings nicht mehr möglich. Mein Schuldenstand hatte sich aufgrund der einseitigen Tätigkeit meines Insolvenzverwalters um mehrere hunderttausend Euro erhöht.

Natürlich machte ich Rüdiger B. auf diese Fehler aufmerksam. Auf eine Antwort verzichtete er.

[1]              www.juergen-roth.com/blog/tag/sachsensumpf-2/; www.berliner-zeitung.de/der-mafia-experte-juergen-roth-sieht-in-sachsen-eine-herrschaftsjustiz-am-werk–jetzt-ermittelt-die-chemnitzer-polizei-wegen-verunglimpfung-des-staates-gegen-den-journalisten-der-staatsfeind-15606154?originalReferrer=https://www.google.de/; http://www.gomopa.net/Pressemitteilungen.html?id=384&meldung=Sachsensumpf-Kritiker-Juergen-Roth-droht-Gefaengnis

Sächsisches Rechtsanwaltsversorgungswerk – ein Trauerspiel – Teil 11

Eigentlich waren meine Auseinandersetzungen mit dem sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk ja beendet. Ich hatte nach langem Kampf verloren. Damit erhielt ich keinerlei Berufsunfähigkeitsrente, und das, obwohl ich fast 17 Jahre lang Beiträge an das Versorgungswerk der Rechtsanwälte entrichtet hatte. Das Oberverwaltungsgericht in Bautzen jedenfalls segnete die mir gegenüber entgangene Enteignung – so der juristische Fachbegriff – humorlos ab.

Sächsisches Rechtsanwaltsversorgungswerk – ein Trauerspiel – Teil 10

War damit mein Kampf wirklich vorbei? War alles umsonst? Vielleicht doch nicht.

Denn im Mai 2017 wurde ich eingehend von dem Neurologen Prof. Dr. Schönknecht von der Universität Leipzig untersucht. Sein Ergebnis war alles andere als positiv. Schönknecht hatte als einer der wenigen Neurologen meine Krankheitsgeschichte aufgearbeitet. Er befasste sich eingehend mit den heftigen Attacken der sächsischen Staatsanwaltschaften und ihren Finanzämtern, denen ich ab dem Jahr 2000 ausgesetzt war. Neben meinen Depressionen bestätigte er das Vorliegen einer schweren bipolaren Störung. Ich sei – so stellte er fest – seit dem Jahr 2008 nicht mehr in der Lage gewesen, meinem Anwaltsberuf nachzugehen. War ich damit bereits seit 2008 berufsunfähig?

Das sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk hatte jegliche Rentenzahlung verweigert, weil die Berufsunfähigkeit seiner Meinung nach erst im November 2011 eingetreten sein soll. Nun hoffe ich nachweisen zu können, dass meine Berufsunfähigkeit zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt, als ich noch Mitglied im sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk war, eingetreten ist.

Also wandte ich mich wieder einmal an meine speziellen Freunde aus dem sächsischen Rechtsanwaltsversorgungswerk und bat um eine Neubewertung meines Anspruchs auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente.

SächsVersW6

Erst auf erneute Nachfrage erhielt ich vom Vorstandsvorsitzenden des Versorgungswerks Dr. Thietz-Bartram die Mitteilung, man bleibe bei der Weigerung der Rentenzahlung. Das Oberverwaltungsgericht Bautzen habe rechtskräftig über meine Klage entschieden.

Sächsisches Rechtsanwaltsversorgungswerk vom 24.10.2017

Nur ging dieses eben von einem anderen Sachverhalt aus. Dies scheint jedoch das sächsische Rechtsanwaltsversorgungswerk nicht weiter zu interessieren.

Also werde ich erneut Klage beim Verwaltungsgericht Dresden einreichen müssen, Ausgang ungewiss. Ich rechne damit, dass das bevorstehende Verfahren wiederum fünf Jahre in Anspruch nehmen wird.

Was nützt einem am Ende, wenn man vielleicht doch Recht bekommt? In meinem Fall wird das dann 10 Jahre gedauert haben. Wer kämpft denn schon 10 Jahre gegen eine Anstalt des öffentlichen Rechts wie das Versorgungswerk der sächsischen Rechtsanwälte.

Es ist wirklich einfach, in einem hybriden Rechtsstaat fundamentale Verfassungsgrundsätze auszuhebeln.

 

Das Imperium schlägt zurück: Zur Unabhängigkeit einer Anklagebehörde – Teil 2 meines Tagebuchs

siehe ferner Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Milbradt ordnet staatliche Verleumdungskampagne an – Teil 1 meines Tagebuchs

Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Milbradt ordnet staatliche Verleumdungskampagne an – Teil 1 meines Tagebuchs

Dienstag, 19. Dezember 2017

Ich gebe zu, der Zeitpunkt ist nicht gerade gut gewählt. Es ist Weihnachtszeit, Zeit der Besinnung und des Friedens. Es ist aber auch eine Zeit des Nachlesens. Daher nun ein weiterer Ausschnitt aus meinem Tagebuch.

Ausführlich hatte ich über meine Prozesse gegen die sächsischen Spielbanken und den Freistaat Sachsen berichtet, der mich zum öffentlichen Rufmord freigegeben hatte. So jedenfalls die Aktennotiz, die der damalige Staatssekretär Dr. Carl über ein Gespräch mit dem früheren Finanzminister Prof. Dr. Milbradt angefertigt hatte.

Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Milbradt ordnet staatliche Verleumdungskampagne an

Bei den Spielbankenprozessen kreuzte ich das erste Mal die Klingen mit Vertretern der öffentlichen Hand. Damit läutete ich meinen eigenen Untergang ein. Denn von nun an wurde die Staatsanwaltschaft Leipzig mein ständiger Begleiter. Sie überzog und überzieht mich immer noch mit einer Vielzahl von Verfahren. Einziges Ergebnis ihrer Hartnäckigkeit ist meine zerstörte Gesundheit.

Hier nun ein weiterer Ausschnitt in meinem Kampf um das Recht.

Die Jagd geht weiter – Zur Unabhängigkeit einer Anklagebehörde

Mein aufgrund der Spielbankenprozesse sowie meiner OB-Kandidatur höhere Bekanntheitsgrad in Leipzig brachte mich beruflich sicherlich ein Stück nach vorne. Die größere Popularität brachte jedoch gravierende Nachteile mit sich. Nun geriet ich erneut ins Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft.

Bis heute verstehe ich Staatsanwälte nicht. Ihre Denkgewohnheiten sind mir fremd. Sie scheinen unter Paranoia zu leiden. Staatsanwälte sehen überall Straftaten und handeln danach, leider oft genug gerade dort, wo überhaupt keine vorliegen. Ihr Auftreten und Handeln verträgt sich meiner Meinung nach nur selten mit meiner Vorstellung vom rechtsstaatlich verankerten Juristen. Zu oft haben Staatsanwälte – gerade in Sachsen – in der Vergangenheit den rechtlich zulässigen Rahmen überschritten.

Leider lernte ich die Staatsanwaltschaft nie als unabhängige Anklagebehörde kennen. In den nun folgenden, gegen mich gerichteten Ermittlungsverfahren, nahm sie nie ihre Aufgabe wahr, entlastend, also zugunsten des Betroffenen zu ermitteln. Staatsanwälte gehen zur Jagd und verwenden dabei gerne ein großes Kaliber. Bezahlt werden sie von den Bürgern, denn immerhin arbeitet die Staatsanwaltschaft mit Steuergeldern. Was hilft es, wenn eine einseitige Anklageschrift den Anforderungen an ein Strafverfahren nicht genügt? Ein Staatsanwalt muss leider nicht persönlich für die Kosten eines gescheiterten Strafverfahrens aufkommen.

Der Staatsanwaltschaft Leipzig ging es leider nicht ausschließlich um eine Verfolgung von Straftaten. Sie beabsichtigte außerdem nicht, ihre Gegner fair zu behandeln. Natürlich will jeder gewinnen. Nur besitzt die Staatsanwaltschaft über die Art und Weise, wie dies geschehen soll, ganz besondere Vorstellungen. Oft endet dies mit der persönlichen Vernichtung des Gegners.

Staatsanwälte kennen natürlich die Möglichkeiten unseres Rechtsstaates. Vor allem aber wissen sie um die Grauzonen. Dies geschieht jedoch nur, weil sie es wollen. Sie entscheiden sich bewusst für den von ihnen entwickelten Weg.

Die ihnen eröffneten Machtbefugnisse erlauben den Sieg über jeden Gegner. Selbst der stärkste Gegner gibt irgendwann desillusioniert auf, wenn er nur lange genug verfolgt wird. Damit kommt es am Ende nicht mehr darauf an, ob ein Staatsanwalt recht hat. Entscheidend ist vielmehr, mit welcher Hartnäckigkeit und Konsequenz er selbst nicht berechtigte Vorwürfe verfolgt.

Oft vertraut er auf die Nebenwirkungen der strafrechtlichen Verfolgung. Diese sind für die Betroffenen regelmäßig mit einer schweren Beeinträchtigung ihrer Gesundheit verbunden. Hinzu kommt ein hoher finanzieller Aufwand, den man betreiben muss, um derartige Angriffe abzuwenden. Gute Strafverteidiger kosten viel Geld. Und schlechte Anwälte darf man sich bei dieser Auseinandersetzung nicht leisten. Leider bleibt man, wenn die Anklage vor der Hauptverhandlung scheitert, auf den Kosten sitzen. So wird Recht haben schnell zu einem finanziellen Desaster.

Schließlich bindet man durch Strafverfahren die zeitlichen Kapazitäten seines Gegners. Das Lesen von Ermittlungsakten und Besprechungen mit Strafverteidigern kosten Zeit, die nicht mehr für die normale Berufsausübung genutzt werden kann. Damit reduzieren sich natürlich auch die Einnahmen und damit die Grundlage für den Lebensunterhalt.

Staatsanwälte verstehen es meisterhaft, die rechtlichen Rahmenbedingungen für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Regelmäßig nutzen sie für ihre strafrechtlichen Ermittlungen fulminante Auftritte in der Boulevardpresse. Unter Berufung auf das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit werden die Vorwürfe breit gestreut. Sensationswütende Zeitschriften wie die BILD profitieren hiervon nachhaltig.

Durch das Breittreten sensibler Informationen in der Presse erreicht die Staatsanwaltschaft zwar keinen juristischen Sieg. Die Betroffenen werden jedoch öffentlich gebrandmarkt bzw. hingerichtet. Dies gilt insbesondere, wenn ein Rechtsanwalt Gegenstand derartiger Attacken ist.

Einen Rechtsanwalt, der in der Öffentlichkeit mehrfach als Straftäter verunglimpft wurde, suchen Mandanten nur ungern auf. Die öffentliche Verurteilung in der Boulevardpresse und die folgende öffentliche Diskussion über die Vorwürfe schneiden ihm die Grundlage für seinen Beruf ab. Der wirtschaftliche Tod des Gegners wird im schlimmsten Fall von der Staatsanwaltschaft als Sekundärziel in Kauf genommen. Dann hat der Betroffene halt Pech gehabt. Eine Entschuldigung kommt diesen Tätern mit weißen Kragen dabei nie über die Lippen. Längst haben sie sich einem neuen Opfer zugewandt.

Das Ergebnis ist absehbar. Recht haben oder Recht bekommen spielt am Ende des Tages keine Rolle mehr. Und dies sollte ich nun wieder am eigenen Leibe erfahren.

Oft dachte ich, dass Staatsanwälte zu viele Filme gesehen haben. Sie sonnen sich im Rampenlicht und jagen Unschuldige mit der Fackel der Inquisition aus der Stadt. Gegen seine öffentliche Hinrichtung kann sich kein Betroffener verteidigen.

Diese Rahmenbedingungen sind es, die den Rechtsstaat in seinen Grundstrukturen erschüttern. Der Persönlichkeitsschutz des Betroffenen – immerhin in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verankert – bleibt auf der Strecke. Er verliert sich für diese Akteure in schwarzen Roben in der Bedeutungslosigkeit.

Meine seit etwa 20 Jahren andauernde systematische Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft hinterließ tiefe Wunden. Sie bewies mir mit grausamer Härte, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Anwaltstätigkeit in Leipzig nicht vorliegen und wahrscheinlich auch nie vorgelegen haben.

Dienstag, 26. April 2005

Unmittelbar nach der Oberbürgermeisterwahl ging die Jagd wieder los. Von der Staatsanwaltschaft Leipzig bekam ich eine Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Man wollte ein paar nette Lichtbilder von mir schießen und mir meine Fingerabdrücke abnehmen. Damit würde ich endlich einmal dorthin wandern, wo ich nach Auffassung der Staatsanwaltschaft schon lange hingehörte: In ihre ganz persönliche Verbrecherdatei. Bereits ein Eintrag dort brandmarkt den Betroffenen ausweglos für die Zukunft.

Mein junger Anwaltskollege Dr. U. hatte mich angezeigt. Ich kannte ihn, weil ich für die Ausbildung der Rechtsreferendare im Arbeitsrecht am Landgericht Leipzig zuständig war. Dort hatte er meine Übungen besucht.

Der von Dr. U. erhobene Vorwurf war absurd: Ich sollte ein Din-à-4-Blatt auf einer Baustelle entwendet haben. Darauf waren Büros seiner Mandantin, einem Callcenter, aufgezeichnet. Dieses Blatt dokumentierte allerdings, dass einige Mitarbeiter meiner Mandantin, einer börsennotierten Aktiengesellschaft, fremdgehen und eine eigene Firma gründen wollten. Die Zeichnung betraf ihr neues Büro. Auf der Zeichnung waren sogar die Namen und die Büros der abwanderungswilligen Mitarbeiter festgehalten. Damit konnte ich den Nachweis ihrer unerlaubten Konkurrenztätigkeit führen. Für uns war die Zeichnung Gold wert.

Gegen die Aktivitäten der Abwanderungswilligen reichte ich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Leipzig ein und legte den Bauplan als Beweismittel vor. Das passte Dr. U. natürlich überhaupt nicht, denn seine Mandantin geriet nun gehörig unter Druck. Was mich verwunderte war, dass er seine Rechtsposition offensichtlich als schlecht einschätzte und nicht allein auf eine zivilrechtliche Auseinandersetzung vertraute.

Mein Strafverteidiger Curt-Mathias Engel riet mir zur Gelassenheit. Wenn die Staatsanwaltschaft von mir Fotos und Fingerabdrücke haben will, sollte ich ihnen doch eins meiner Wahlplakate von der Oberbürgermeisterwahl hinschicken. Das war zwar lustig, weh getan haben die gegen mich erhobenen Vorwürfe sowie die Ladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung aber trotzdem. Ich hätte zumindest ein gewisses Maß an Fairness von meinem Berufskollegen, Dr. U., der mich gut kannte, erwartet. Aber Rechtsanwälte haben leider oft eine sehr eigenwillige Berufsauffassung. Und bei der Wahl ihrer Mittel zeichnen sie sich nur selten durch das notwendige Maß an sozialer Intelligenz aus.

Aufgrund der Intervention meines Rechtsanwalts Curt-Mathias Engel kam es nicht mehr zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Der Eintrag in die Verbrecherdatei blieb mir also erspart. Ein Jahr später stellte die Staatsanwaltschaft Leipzig das gegen mich gerichtete Strafverfahren ein, da kein hinreichender Tatverdacht gegen mich bestand. Der wahre Täter hatte sich der Staatsanwaltschaft zu erkennen gegeben. Es handelte sich dabei um den Geschäftsführer meiner Mandantin.

Donnerstag, 10. August 2006

Es war ein Schicksalstag, denn nun lernte ich meine „persönliche Staatsanwältin“ kennen. Diese karrierebewusste Dame hört auf den Namen Birgit Eßer-Schneider. Unter Strafrechtlern ist diese streitbare Juristin keine Unbekannte. Unsere Wege kreuzten sich erstmals, nachdem sie gegen einen Freund von mir, den damaligen Leiter des Ordnungsamtes der Stadt Leipzig, Dr. B., Anklage erhoben hatte.

Die Vorwürfe, mit denen sie Dr. B. zur Strecke bringen wollte, waren abstrus. Dr. B. hatte während der Leipziger Lachmesse eine Politesse angewiesen, einen Künstler nicht wegen Falschparkens mit einem Bußgeldbescheid zu belegen. Hierüber beschwerte sich die Politesse massiv. Es folgten eine Strafanzeige gegen Dr. B. wegen Strafvereitelung und Nötigung.

Diese Reaktion ist mehr als bezeichnend und bestätigte merkwürdige Gepflogenheiten innerhalb der Stadt Leipzig. Der Fall ging monatelang durch die Leipziger Gazetten. Es war sicherlich nicht mein Freund Dr. B., der die BILD mit entsprechenden Informationen gefüttert hatte. Das von der Staatsanwaltschaft bemühte Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit schien jedenfalls wieder einmal grenzenlos.

Die Behandlung von Dr. B. durch die Stadt und die Staatsanwaltschaft Leipzig stellt ein Paradebeispiel für einen denkwürdigen Umgangsstil dar. Staatsanwältin Eßer-Schneider sowie die Stadt Leipzig bewiesen meinem Freund Dr. B. jedenfalls, dass Leipzig ihm keine beruflichen Perspektiven mehr bieten konnte. Er gab schließlich auf und zog nach Berlin, wo er seitdem ungestört seinem Beruf nachgehen kann. An seine Erfahrungen in Leipzig erinnert er sich heute nur noch ungern. Sie werfen ein merkwürdiges Licht auf die Kulturstadt Leipzig.

Staatsanwältin Eßer-Schneider sollte jedoch nicht beschäftigungslos werden. Nun stand sie in meiner Kanzlei vor mir und legte mir einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Leipzig vor. Darin äußerte sie den Vorwurf, ich habe bei einer Mandantin ein zu hohes Honorar abgerechnet. Vorausgegangen war eine Strafanzeige eines Anwaltskollegen aus Leipzig.

Meiner Meinung nach durfte Staatsanwältin Eßer-Schneider nie gegen mich ermitteln. Ihre Tätigkeit belegt exemplarisch, wie wenig rechtsstaatliche Bindungen in Sachsen gelten. Eßer-Schneider war mit einem Rechtsanwalt aus der Leipziger Niederlassung der überörtlichen Anwaltskanzlei CMS verheiratet. Hierbei handelt es sich um einen Arbeitsrechtler, also um jemanden, der mit mir um dieselben Mandate in der Stadt konkurrierte. Damit war sie von Anfang an befangen, was sie jedoch nicht weiter zu stören schien.

Die Staatsanwaltschaft muss rechtlich unabhängig sein, damit sie ihren Auftrag objektiv erfüllen kann. Bei Eßer-Schneider war dies anders. Aufgrund ihrer Ehe mit meinem Konkurrenten konnte nicht ausgeschlossen werden, dass sie sich von sachfremden Erwägungen leiten ließ, etwa dem Wunsch, Marktbereinigung zu betreiben.

Normalerweise genügt für die Annahme der Befangenheit bereits der „böse Schein“, wie es Juristen formulieren. Demzufolge dürfen die Vorteile aus meiner Verfolgung nicht mittelbar ihrem Ehemann zugutekommen. Sonst wäre Eßer-Schneider von jeglichen Ermittlungen gegen mich auszuschließen.

Und genau für diesen bösen Schein gab es in der Folgezeit triftige Anhaltspunkte.

Das Ganze besaß zudem eine besondere Brisanz, weil ich meinem Kollegen, Rechtsanwalt Schneider, zuvor ein wichtiges Mandat vor der Nase weggeschnappt hatte. Dabei handelte es sich um die arbeitsrechtliche Abwicklung der Fusion der Sparkasse Leipzig mit der Kreissparkasse Torgau-Oschatz.

Normalerweise wäre dieses Mandat bei der Kanzlei CMS gelandet. Die Sparkasse Leipzig hatte sich jedoch für mich entschieden. Berücksichtigt man das hohe Honorarvolumen, mit dem die Sparkasse meine Tätigkeit vergütete, so war die Entscheidung gegen CMS für diese Kanzlei ein herber Schlag. Ob sich Rechtsanwalt Schneider hierüber bei seiner Ehefrau beschwerte, weiß ich natürlich nicht. Jedenfalls war die Mandatserteilung an mich lange das beherrschende Thema unter den Arbeitsrechtlern der Stadt.

Nun legte meine persönliche Staatsanwältin einen Durchsuchungsbeschluss vor und beschlagnahmte diejenigen Anwaltsakten, die meine Beratungstätigkeit dokumentierten. Sie versuchte außerdem, Akten mitzunehmen, welche Kündigungsschutzprozesse von Mitarbeitern der Sparkasse betrafen, die jedoch mit dem mir gemachten Vorwurf nichts zu tun hatten.

Damit ging ihre eigentliche Intention weit über dieses Strafverfahren hinaus. Sie wollte mich in den Augen der Sparkasse Leipzig unmöglich machen. Dort bat sie ebenfalls um die Vorlage der Akten zu den von mir betreuten Arbeitsgerichtsverfahren, allerdings ergebnislos. Dass sie die Verantwortlichen der Sparkasse in diesem Zusammenhang auch über die gegen mich gerichteten Vorwürfe informierte, liegt jedenfalls nahe.

Sichtlich mitgenommen ließ ich Staatsanwältin Eßer-Schneider gewähren und machte mich wieder einmal auf den Weg zu meinem Strafverteidiger Curt-Mathias Engel. Was sollte ich auch gegen sie und die anwesenden Polizeibeamten tun? Meine Sorge galt längst anderen Dingen: Ich hoffte inständig, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe nicht nach außen getragen würden. Aber der Orkan sollte schon wenige Tage losbrechen.

Donnerstag, 17. August 2006

Was nicht geschehen durfte war eingetreten. Die Leipziger Redakteurin der BILD-Zeitung Martina Kurtz, sozusagen meine persönliche BILD-Redakteurin, berichtete auf Seite 3 dieses Schmähblattes umfangreich über die Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft. In großen Lettern war zu lesen: „Razzia beim ehemaligen OB-Kandidaten. Ermittlungen wegen versuchten Betruges gegen Dr. Ulrich Keßler“. Der Artikel beinhaltete eine einzige Abrechnung. Er belegt, dass die BILD-Redakteurin zuvor umfassend informiert worden war.

Natürlich verwies Martina Kurtz auch auf das frühere, gegen mich gerichtete Strafverfahren, in welchem mich das sächsische Finanzministerium unter Federführung des späteren Ministerpräsidenten Prof. Dr. Milbradt schonungslos in den Stand des Kopfs einer kriminellen Vereinigung erhoben hatte. Damit besaß ich in der Öffentlichkeit eine kriminelle Vorgeschichte. Frau Kurtz wusste auch, dass ich mich vor dem Arbeitsgericht mit drei Mitarbeitern stritt, denen ich zuvor fristlos gekündigt hatte. Offensichtlich schwärzten mich diese bei der BILD an. Die Denunziation zählte zu den Dingen, die in Leipzig wirklich blühten. Vor allem Anwälte schienen von dieser Droge abhängig zu sein.

Für mich stellte sich damals die Frage, wieso die BILD über die gegen mich erhobenen Vorwürfe berichten konnte. Natürlich war die Staatsanwaltschaft verpflichtet, interne Vorgänge nicht an die große Glocke zu hängen. Lange grübelte ich über diese Frage. Am Ende war mich mir sicher, dass sich Staatsanwältin Eßer-Schneider oder andere Personen aus der Leipziger Justiz persönlich mit der BILD-Redakteurin in Verbindung gesetzt hatten. Eindeutig kamen ihre Insiderinformationen aus erster Hand.

Besonders schwer verdaulich war die Tatsache, dass eine Staatsanwältin, die mit einem direkten Konkurrenten von mir verheiratet war, den Weg zur Boulevardpresse gesucht hatte. Das sah nun mehr als deutlich nach einer gezielten Marktbereinigung aus. Die Vorwürfe erweckten den Eindruck, als würde ich generell ein zu hohes Honorar abrechnen. So schnell mutierte man von einem versierten Arbeitsrechtler zu einem staatsanwaltschaftlich anerkannten Betrüger. Das musste meine Mandanten gehörig abschrecken.

Der zuständige Oberstaatsanwalt sah in dieser Vorgehensweise jedoch nichts Ehrrühriges. Daher schritt niemand gegen diese Praxis ein, insbesondere nicht der Vorgesetzte von Staatsanwältin Eßer-Schneider, der von meinem Strafverteidiger Engel auf die unhaltbaren Zustände angesprochen wurde.

Montag, 28. August 2006

Die Leipziger Gerüchteküche brodelte. Viele meiner Anwaltskollegen legten ihren Finger in meine offene Wunde. Jedenfalls hatten sie nun ein geeignetes Gesprächsthema, das sich quer durch Leipzig tragen ließ. Ich bemerkte mal wieder, wie wenig Unterstützung ich in dieser Stadt besaß.

Bevor die Hetzjagd losging, betreute ich verschiedene öffentlich-rechtliche Körperschaften bzw. Anstalten mit einem Honorarvolumen von etwa 600 T€ jährlich. Dies war mehr als so mancher Anwalt in mehreren Jahren erzielte. Mir ging es wirtschaftlich gut.

Es befanden sich darunter einige Mandate, auf die andere Anwälte scharf waren. Zu ihnen zählten neben der Sparkasse Leipzig die Industrie- und Handelskammer oder der Landkreis Leipzig, alles Mandanten, die keinerlei öffentliche Aufregung vertragen. Diese konnten es sich nicht leisten, von einem Rechtsanwalt vertreten zu werden, gegen den die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Nun teilten mir meine wichtigsten Mandanten mit, dass sie sich künftig nicht mehr von mir vertreten lassen. Es hagelte geradezu Mandatskündigungen. Nahezu 90 % meines Jahresumsatzes ging in kürzester Zeit verloren.

Die Sparkasse Leipzig fand schnell neue Anwälte: Sie wechselte zu CMS in Leipzig und damit zu der Kanzlei, in der der Ehemann von Staatsanwältin Eßer-Schneider beschäftigt war.

Die Indiskretion der Staatsanwaltschaft verursachte auf meiner Seite innerhalb kürzester Zeit einen Überlebenskampf, denn von nun an betrieb ich meine Kanzlei mit Verlusten. Staatsanwältin Eßer-Schneider musste dies klar gewesen sein. Hierbei handelte es sich um eine logische Folge ihrer Vorgehensweise. Ein Sekundärziel, welches ihre Angriffe noch lohnenswerter machten.

Die gegen mich öffentlich erhobenen Vorwürfe besaßen zudem Langzeitwirkung: Seitdem wusste jeder Mandant, der nicht bereit war, mich für meine Tätigkeit zu vergüten, wie er eine Zahlung meiner Honorare verhindern konnte. Er musste nur damit drohen, zur BILD oder zur Staatsanwaltschaft Leipzig zu gehen. Seit diesem Zeitpunkt war es überhaupt nicht mehr möglich, meine Kanzleieinnahmen verlässlich zu planen und meinen Beruf normal auszuüben.

Die Folgen waren auch an anderer Stelle katastrophal: Damals befasste ich mich mit einem Geschäftspartner mit der Errichtung von Biogasanlagen. Wir hatten etwa sechs Monate zuvor bei der Landesbank Sachsen (SachsenLB) eine Finanzierungsanfrage eingereicht. Wie aus Kreisen der SachsenLB bislang zu vernehmen war, stand man diesem Projekt sehr positiv gegenüber.

An dem Tag, an dem BILD groß über die gegen mich erhobenen Vorwürfe berichtete, verweigerte die SachsenLB die Finanzierung. Man wolle keinen Kunden, der so in der Öffentlichkeit steht wie ich – so die Bank in einer inoffiziellen Verlautbarung.

Es handelte sich um eine persönliche, keine wirtschaftliche Entscheidung. Und diese hing allein mit den Aktivitäten der Staatsanwaltschaft Leipzig zusammen. Damit erhielt ich einen weiteren Tiefschlag, denn das würde die Durchführung des Biogasprojekts deutlich verzögern.

Meine Auseinandersetzungen mit der Staatsanwaltschaft kosteten viel Zeit, die ich nicht mehr meinem Anwaltsberuf widmen konnte. Gerade in einem Zeitpunkt, in dem ich viele Mandate verloren hatte, traf mich das schwer.

Noch schwerer wiegen allerdings die gesundheitlichen Konsequenzen, die mit meiner Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft verbunden waren. Besonders belastete mich zudem, dass sich die Staatsanwaltschaft meiner Meinung nach längst nicht mehr auf rechtsstaatlichem Boden bewegte. Wenn ihre Vorgehensweise zulässig war, musste ich auch in Zukunft mit dem Schlimmsten rechnen.

Schwere Depressionen waren von nun an meine ständigen Begleiter. Ich begab mich in Behandlung des Neurologen Meridonov, der mir starke Psychopharmaka verschrieb. Meinen zunehmenden psychischen Verfall konnte er in der Folgezeit dennoch nicht aufhalten, sondern allenfalls verzögern.

Meridonov diagnostizierte schwere posttraumatische Belastungsstörungen mit langanhaltenden depressiven Episoden, die meine anwaltliche Tätigkeit immer weiter einschränkten. Die Heilungschancen waren aufgrund der Schwere der Erkrankung wahrlich nicht gut. In jedem Fall bedurfte es einer langjährigen Therapie in einem stressfreien Umfeld. Das vertrug sich so gar nicht mit einer anwaltlichen Tätigkeit.

Was nutzen am Ende die beste Berufsausbildung und eine Promotion, wenn einem die Früchte dieser Arbeit von den Vertretern der Justiz mit einem Fingerschnipsen genommen werden?

Freitag, 6. Juli 2007

Lange wartete ich, wie sich das von Staatsanwältin Eßer-Schneider eingeleitete Strafverfahren weiterentwickelt. Seit mehreren Monaten hatte ich nichts mehr von ihr gehört. Vielleicht erledigt sich ja alles von selbst, hoffte ich. Denn in der Sache machte ich mir keine Vorwürfe.

Mit meiner Hoffnung war ich jedoch allein, denn in der heutigen Post befand sich ein Strafbefehl des Amtsgerichts Leipzig, der auf Antrag von Staatsanwältin Eßer-Schneider erlassen worden war. Das Amtsgericht verurteilte mich zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 150 €. Insgesamt sollte ich 14.500 € zahlen sowie die Verfahrenskosten tragen, und das, obwohl meine Mandantin mir mein Honorar in Höhe von 10.000 € schuldig geblieben war. Der Strafbefehl führte zwar nicht zu einer Vorstrafe, akzeptieren konnte ich diesen dennoch nicht.

Meiner Meinung nach dachte Staatsanwältin Eßer-Schneider weniger an eine saubere Anklage als an meine öffentliche Brandmarkung, die mit einer öffentlichen Gerichtsverhandlung verbunden war. Der Strafbefehl enthielt daher zugleich eine Drohung. Würde ich hiergegen Einspruch einlegen, wäre mir eine breite öffentliche Diskussion über die erhobenen Vorwürfe garantiert. Das kam einem wirtschaftlichen Todesurteil gleich. Ich konnte also selbst über meinen Untergang entscheiden.

Auch die Gründe, weshalb ich mich strafbar gemacht haben soll, sprachen ihre eigene Sprache. Wenn man noch ein Fünkchen Humor besitzt, könnte man darüber lachen. Das war wirklich haarsträubend.

Staatsanwältin Eßer-Schneider warf mir vor, ich hätte in einem Kündigungsschutzverfahren meiner Mandantin juristische Definitionen und damit Textbausteine verwendet. Weil ich Textbausteine verwendete, müsse ich Zeit gespart haben. Und wenn ich Zeit gespart hätte, dürfe ich nicht hoch abrechnen.

Das war nicht nur rechtlich, sondern auch logisch absoluter Nonsens. Zudem waren meine Kosten für die von meiner Mandantin geplante Restrukturierungsmaßnahme nicht einmal hoch angesetzt. Hier hätte sie sich besser mal bei ihrem Ehemann, dem Arbeitsrechtler, erkundigt. Aber irgendwie musste Staatsanwältin Eßer-Schneider ihre Vorwürfe ja zu Papier bringen. Und dieses ist geduldig.

Nun lernt man den Einsatz von Textbausteinen, von Juristen „Subsumtionstechnik“ genannt, bereits im ersten Semester des Rechtswissenschaftsstudiums. Diese Technik lebt davon, dass man bestimmte Begriffe definiert und anschließend überlegt, ob diese Definition mit dem Sachverhalt, den man gerade bewerten muss, übereinstimmt. Es handelt sich dabei um die absolute Grundlage der juristischen Arbeit, die jeder rechtlich geschulte Mensch, sei er nun Anwalt, Richter, Staatsanwalt oder Hochschulprofessor, anwendet. Ohne diese Technik ist eine saubere juristische Arbeitsweise undenkbar.

Staatsanwältin Eßer-Schneider warf mir vor, ich habe mich durch den Einsatz der Subsumtionstechnik strafbar gemacht. Dann wäre jeder, der rechtliche Sachverhalte bearbeitet, ohne Weiteres schuldig. Vor allem Anwälte könnten so ihrer Strafverfolgung nicht mehr entgehen. Sicherlich eine Wunschvorstellung für jeden Staatsanwalt. Staatsanwältin Eßer-Schneider schoss damit weit über das Ziel hinaus.

Bezeichnenderweise setzte Eßer-Schneider in ihrem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls ebenfalls Textbausteine ein, natürlich ohne sich strafbar zu machen. Davon, dass sie sich nicht selbst angeklagt hat, gehe ich jedenfalls aus.

Wieso der Einsatz von Textbausteinen zu einer Zeiteinsparung führen sollte, begründete die Staatsanwältin dagegen nicht. Textbausteine sagen wenig über den Umfang und die Schwierigkeit eines Falles aus.

Der Kern meiner Arbeit lag im Entwurf einer unternehmerischen Entscheidung, um einem bestimmten Mitarbeiter betriebsbedingt kündigen zu können. Hierzu musste ich mich mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der einschlägigen Literatur intensiv auseinandersetzen. Umstrukturierungen sind zeitaufwändig. Dies wird die Staatsanwältin Eßer-Schneider sicherlich auch von ihrem Ehemann erfahren haben. Angeklagt hat sie diesen wegen der Verwendung derselben Arbeitsmethode wahrscheinlich ebenfalls nicht.

Staatsanwältin Eßer-Schneider glaubte zudem als Strafrechtlerin, die Schwierigkeit eines arbeitsrechtlichen Sachverhalts beurteilen und mir vorschreiben zu können, wieviel Zeit ich welchem Mandat zu widmen habe. Das war ungeheuerlich.

Natürlich muss es mir als Arbeitsrechtler überlassen bleiben einzuschätzen, welchen Aufwand ich aufgrund meiner Ausbildung und meiner Erfahrung der Bearbeitung komplizierter Fälle widme. Gerade dies macht einen wichtigen Kern meiner Berufsausübung aus. Hierzu gibt es genug Rechtsprechung, welche diese sog. Einschätzungsprärogative immer wieder untermauert.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig wünschte jedoch eine inhaltliche Kontrolle meiner Arbeit. Das war ein schwerer Eingriff in mein Recht auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG). Würde diese Rechtsauffassung Schule machen, wären sämtliche Rechtsanwälte der willkürlichen Verfolgung ausgeliefert.

Rechtsanwalt Curt-Mathias Engel legte gegen den Strafbefehl Einspruch ein, wodurch das Verfahren erst in Gang kam. Gemeinsam überlegten wir lange, wie wir weiter vorgehen wollen. Es bestand die Gefahr, dass Staatsanwältin Eßer-Schneider die Vorwürfe vor allem in der BILD breittritt. Eßer-Schneider hatte sich bereits im Strafverfahren gegen meinen Freund Dr. B. durch eine zukunftsweisende Öffentlichkeitsarbeit ausgezeichnet.

Nun drohte die Gefahr, dass es der Staatsanwaltschaft Leipzig gelingt, meine Existenzgrundlage endgültig zu zerstören. Immerhin musste ich für eine Ehefrau und zwei bezaubernde Kinder aufkommen. Ich stand vor einem schwierigen Neuanfang, der viel Kraft kosten würde. Und hier bestand nur eine Überlebenschance, wenn dieser geräuschlos gelingt.

Am Ende verständigte sich mein Strafverteidiger Engel mit der Staatsanwaltschaft darauf, das Verfahren ohne Anerkennung einer Schuld gegen eine Zahlung in Höhe von 10.000 € für gemeinnützige Zwecke einzustellen. Ob dieser Forderung war ich fassungslos, Eßer-Schneider zeigte sich jedoch unnachgiebig. Die Höhe der Forderung war absurd, denn ich hatte nichts getan, was eine derartige Zahlung rechtfertigen würde.

Mir war jedoch auch klar, dass Staatsanwältin Eßer-Schneider im Fall einer Eröffnung der Hauptverhandlung die BILD eingehend informieren würde. Ich wollte nicht wochenlang im Focus stehen. Denn dann wäre der Schaden irreparabel gewesen.

Die Zahlung war aus meiner Sicht nur zu rechtfertigen, wenn damit alle von Seiten der Staatsanwaltschaft gegen mich erhobenen Vorwürfe aus der Welt geschafft wurden. Bereits nach meiner Kandidatur zur Oberbürgermeisterwahl hatte es viele anonyme Strafanzeigen gegeben. Hier wollte ich kein weiteres Risiko eingehen.

Ob die Staatsanwaltschaft gegen mich noch etwas im Schilde führte, wusste ich natürlich nicht. Daher bat ich meinen Strafverteidiger Engel bei Staatsanwältin Eßer-Schneider nachzufragen, ob weitere Strafverfahren gegen mich anhängig waren. Dies wurde von Eßer-Schneider eindeutig verneint.

Widerwillig akzeptierte ich den Einigungsvorschlag meines Strafverteidigers und zahlte 10.000 € für gemeinnützige Zwecke. Am Ende fühlte ich mich erpresst. Bis heute belastet mich, wie die Staatsanwaltschaft Leipzig vorgeht. Man konstruiert Tatvorwürfe, tritt diese in der Öffentlichkeit breit und zwingt den Betroffenen so zu einer Zahlung. In Anbetracht befürchteter Indiskretionen der Staatsanwaltschaft blieb mir aber keine andere Wahl.

Die Einstellung des Strafverfahrens konnte Staatsanwältin Eßer-Schneider nicht verhindern. Das musste sie aber auch nicht. Wie ich wenig später erfahren sollte, hatte sie bereits nachgeladen.

Donnerstag, 22. Mai 2008

Staatsanwältin Eßer-Schneider dachte gar nicht daran, einen Rückzieher zu machen. Wie im Fall des bekannten Politikerslogans interessierte sie sich nicht für ihre Zusagen vom Vortag. Esser-Schneider brachte nun sogar ein deutlich größeres Kaliber in Stellung.

Sie profitierte von der hohen Denunziationsbereitschaft so manches Zeitgenossen in Leipzig. Wieder einmal war eine Strafanzeige eines Anwaltskollegen der Auslöser. Diese datierte auf den 21. Februar 2006 und hatte – was für eine Überraschung – direkt den Weg auf den Schreibtisch von Staatsanwältin Eßer-Schneider gefunden. Eben diejenige Staatsanwältin, die zuvor versichert hatte, dass gegen mich keine weiteren Strafverfahren anhängig seien. Das war also eine glatte Lüge einer Vertreterin der sächsischen Justiz und alles andere als eine Banalität. Wo kommen wir hin wenn Vertreter dieses Rechtsstaates die Betroffenen, ohne eine Sanktion befürchten zu müssen, hemmungslos anlügen dürfen?

Erneut erschien Staatsanwältin Eßer-Schneiderin in Gegenwart mehrerer Polizeibeamter in meiner Kanzlei und legte mir einen neuen Durchsuchungsbeschluss vor. Sie verdächtigte mich darin des Betruges. Ich soll Scheinrechnungen erstellt und so eine Mandantin in Höhe von etwa 450.000 € geschädigt haben. Derartige Vorwürfe hatte meine Mandantin dagegen nie erhoben. Sie war mit meiner umfangreichen Arbeit stets zufrieden. Es handelte sich wieder einmal um einen Alleingang von Staatsanwältin Eßer-Schneider, der ganz zu ihrer gegen mich gerichteten Hetzjagd passte.

Wieder einmal war dies Humbug, nur auf deutlich höherem Niveau als zuvor. In der Strafanzeige ging es um eine Mandantin, die Isotech Bau GmbH Ost mit Sitz in Sankt Gangloff. Sie war eine Tochtergesellschaft der Isotech GmbH aus Karlsruhe. Beide Orte liegen, wie man leicht feststellen kann, nicht in Sachsen. Damit war die Staatsanwaltschaft Leipzig nicht zuständig. Für Staatsanwältin Eßer-Schneider spielte dies jedoch keine Rolle. Die anonyme Anzeige bot ihr die Möglichkeit für einen erneuten Angriff. Erneut heiligte das Ergebnis die Wahl der Mittel.

Die Isotech Bau GmbH Ost hatte ich lange beraten. Dieses Unternehmen arbeitete erfolgreich im Klinik-, Hotel, und Straßenbau. Der Beratungsbedarf war hoch, ebenso die Streitwerte, die für die Berechnung meiner Tätigkeit maßgeblich waren.

Meine Rechnungen waren vom Geschäftsführer meiner Mandantin als sachlich und rechnerisch richtig abgezeichnet worden. Das wusste natürlich auch Staatsanwältin Eßer-Schneider. Denn ihr lagen die entsprechenden Unterlagen vor.

Die Ermittlungsbehörden begannen ihre Arbeit, nachdem sowohl die Isotech GmbH aus Karlsruhe, als auch ihr Tochterunternehmen, die Isotech Bau GmbH Ost aufgrund von Zahlungsausfällen in die Insolvenz gerieten. Automatisch schaltete sich die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ein und prüfte, inwieweit sich ein Beteiligter oder Berater des Unternehmens anlässlich der Insolvenz beider Unternehmen strafbar gemacht hatte. Dies entspricht einer üblichen Vorgehensweise in derartigen Fällen.

Zum Ermittlungsumfang zählte auch eine Überprüfung meiner Tätigkeit. Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe kam jedoch zu dem Ergebnis, dass keinerlei Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen und stellte das Ermittlungsverfahren ein. Damit sollte die Angelegenheit eigentlich abgeschlossen sein.

Staatsanwältin Eßer-Schneider passte dieses Ergebnis jedoch überhaupt nicht. Und so kam ihr die Anzeige meines Anwaltskollegen wie gerufen. Sie behauptete, ich hätte zwar hohe Honorarrechnungen ausgestellt, hierfür jedoch keinerlei Beratungsleistungen erbracht. Also beschlagnahmte sie sämtliche Anwaltsakten, die sich mit der Isotech GmbH sowie der Isotech Bau GmbH Ost befassten. Sie vertraute darauf, dass sich diesen Akten weitere Hinweise für eine strafrechtliche Verfolgung entnehmen ließen und damit das Strafverfahren richtig in Gang käme. Insgesamt handelte es sich um einen Aktenumfang mit einer Länge von etwa zehn Metern. Es gab also viel zu lesen für die streitbare Staatsanwältin – sofern man hierzu bereit war.

Während der Durchsuchung platzte mir der Kragen. Vor allem nachdem Staatsanwältin Eßer-Schneider mir gegenüber erklärte, sie suche auch nach Entlastungsvorbringen. Das klang nun wirklich nach einer Worthülse. Ich fauchte sie an, dass ich ihr dies nicht abnehme, verließ wütend das Büro und begab mich wieder einmal zu meinem Strafverteidiger Engel.

Anschließend machte ich mich auf den Weg zu meinem Neurologen Meridonov und ließ mir von ihm noch stärkere Antidepressiva verschreiben. Schwere Depressionen machten sich wieder bemerkbar. Es war zum Verzweifeln. Gerechtigkeit gab es offensichtlich nicht.

Donnerstag, 16. Oktober 2008

Der Tag hätte beschissener nicht laufen können. Am späten Abend erhielt ich einen Anruf von meinem Strafverteidiger Curt-Mathias Engel. Dieser informierte mich darüber, bei der 6. Strafkammer des Landgerichts Leipzig sei eine Anklageschrift von Staatsanwältin Eßer-Schneider eingegangen. Es ging um den Strafvorwurf des schweren Betrugs. Weitere Informationen besaß mein Strafverteidiger noch nicht. Er sei vorab telefonisch vom Vorsitzenden der 6. Strafkammer informiert worden und wollte mich vorwarnen.

Demnach hatte mich Eßer-Schneider vor der Großen Strafkammer angeklagt. Rechtsanwalt Engel rechnete mit einem Revanchefoul meiner persönlichen Staatsanwältin, die sich in dem vorangegangenen Strafverfahren nicht durchsetzen konnte. Wahrscheinlich habe Eßer-Schneider auch dieses Mal völlig überzogen. Nur halfen mir seine tröstenden Worte nicht weiter. Vor mir öffnete sich ein tiefer Abgrund der alles zu verschlingen drohte.

Denn es kam noch dicker. Vor der Großen Strafkammer werden nur Fälle verhandelt, in denen eine Freiheitsstrafe von mindestens 4 Jahren droht. Eine Aussetzung auf Bewährung ist bei diesem Strafmaß nicht möglich. Die Angelegenheit war daher mehr als ernst.

In der Nacht machte ich kein Auge zu. Ich wälzte mich im Bett hin und her, war in jeder Hinsicht verzweifelt. Was war nun schon wieder geschehen? Die gesundheitlichen Folgen bemerkte ich sofort. Schwere Depressionen plagten mich und forderten eine sofortige Behandlung. Ich schrie und heulte vor Verzweiflung, aber es hatte keinen Zweck. Was mir Eßer-Schneider zur Last legte würde ich erst nach Zugang der Anklageschrift erfahren.

Freitag, 24. Oktober 2008

Nun lag mir die Anklageschrift vor. Staatsanwältin Eßer-Schneider hatte ihre Anklage mit einem Antrag verbunden, mir sofort die Anwaltszulassung zu entziehen. Ein Berufsverbot also, meine totale Vernichtung war ihr Ziel. Mir sollte jegliche Möglichkeit genommen werden, meinen Lebensunterhalt und meinen Kindern zu erzielen. Und dies auch noch in einem beschleunigten juristischen Verfahren. Längst stand nun das Überleben meiner Familie im Vordergrund.

Mühsam las ich weiter. Meine Konzentration litt stark unter der kräftigen Dosis Psychopharmaka, die ich seit dem Telefonanruf meines Strafverteidigers und dem Besuch bei Igor Meridonov am Morgen danach zu mir nahm. Natürlich suchte ich in der Anklageschrift nach einer tragfähigen Begründung für die von der Staatsanwaltschaft formulierten Vorwürfe. Ich suchte ebenfalls nach entlastenden Ausführungen, wusste aber, dass ich diese nicht finden würde.

Meine persönliche Staatsanwältin betrachtete sich als Chefanklägerin. Ihr ging es nicht um die Suche nach der Wahrheit. Dreist behauptete die Staatsanwältin, ich habe zwar hohe Honorarzahlungen vereinnahmt, „nachweislich“ jedoch keinerlei Beratungsleistungen erbracht.

Offensichtlich lebte meine Gegnerin in einem Paralleluniversum, in dem ihre eigenen Gesetze galten. Hier war ich einfach nicht wettbewerbsfähig. Eßer-Schneider hätte sich nur erkundigen oder die beschlagnahmten Aktenstapel lesen müssen. Dort war alles genau dokumentiert. Diesen beschwerlichen Weg wollte sie jedoch nicht gehen. Denn das hätte zu einem frühzeitigen Scheitern ihrer Anklage geführt. Welcher Staatsanwalt liest schon gerne derart umfangreiche Akten, dachte ich mir. Lieber stellte Esser-Schneider die unfassbare Behauptung auf, ich habe meine Mandantin brutal abgezockt.

Ihre Anklageschrift stellte die objektiven Ermittlungsergebnisse auf den Kopf. Eingehend hatte ich mich während des Ermittlungsverfahrens über meinen Strafverteidiger Curt-Mathias Engel zum Umfang meiner Tätigkeit geäußert. All dies spielte jedoch keine Rolle. Um die Wahrheit ging es Eßer-Schneider wieder einmal nicht.

Meine persönliche Staatsanwältin wandte sich außerdem an die Generalstaatsanwaltschaft Dresden. Diese sollte ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen mich einleiten, an dessen Ende der Entzug meiner Anwaltslizenz stehen konnte. Damit kämpfte ich an einer weiteren Front. Da holte jemand wirklich zu einem Rundumschlag aus.

Mit einer rechtsstaatskonformen Vorgehensweise hatte dies nichts zu tun. Wie konnte es sein, dass derart mutwillig angeklagt wurde? Sollte eine Anklageschrift nicht wenigstens einen Funken Wahrheit beinhalten?

Hier ging es um rücksichtslose Profilierungsansprüche einer Staatsanwältin sowie die Verfolgung unliebsamer Personen mit staatlichen Mitteln. Besonders die geforderte Verhängung eines sofortigen Berufsverbots zeigte, wie entfesselt Eßer-Schneider inzwischen vorging.

Wenn die Staatsanwaltschaft zu derartigen Mitteln greift, dann bin ich jeglicher Form staatlicher Verfolgung schutzlos ausliefert. Eines Urteils oder einer vorherigen Beweisaufnahme bedurfte es in diesem Fall nicht mehr, erst recht nicht eines mehrinstanzlichen Verfahrens. Es reicht, den Gegner wahrheitswidrig schwerwiegender Straftaten zu bezichtigen. Denn genau dies hatte Esser-Schneider getan.

Die Staatsanwaltschaft mutierte zur Anklage- und Vollzugsbehörde. Wer sollte diesem Machthunger noch Einhalt gebieten?

Diese Anklage versetzte mir gesundheitlich den absoluten k.o., von dem ich mich nie wieder erholen sollte. Die früher nur alle 2-3 Monate auftretenden Depressionen wurden von nun an meine täglichen Begleiter. Alle Bemühungen meines Neurologen, die vielen schweren Antidepressiva, führten zu keiner Stabilisierung meines Gesundheitszustandes. Psychisch verfiel ich immer weiter.

Die meiste Zeit war ich nicht mehr in der Lage, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Ich verbrachte meinen Alltag wie in Trance. Meine Gedanken wichen ständig ab und kreisten um die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft. Überall sah ich Polizisten, die mich verfolgten. Bei jedem Klingeln an der Tür erwartete ich ein von der Staatsanwaltschaft bestelltes Durchsuchungskommando. Langsam wurde ich paranoid.

Ein normales Arbeiten war nicht mehr möglich, meine Arbeitsleistung ging auf unter 30 % zurück. Ich unterstelle Staatsanwältin Eßer-Schneider, dass ihr dies egal war. Ihr Handeln zielte darauf ab, einen bekannten Rechtsanwalt aus dem Weg zu räumen. Notfalls eben auf die harte Tour.

Immer wieder zweifelte ich an der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft Leipzig. Sie unterstand zwar formal dem Justizministerium, wo sie sich rechtfertigen musste. Nur schritt dort niemand gegen ihre Aktivitäten ein. Für mich war dieses Handeln eines Rechtsstaates unwürdig.

Meiner Gesundheit versetzte Eßer-Schneider jedenfalls einen tödlichen Schlag. Psychisch war ich an der Diskrepanz zwischen meinen rechtsstaatlichen Vorstellungen und den realen Gegebenheiten in Sachsen gescheitert. Von nun an äußerten sich meine komplexen posttraumatischen Belastungsstörungen bei allem, was mit der sächsischen Justiz im Zusammenhang stand. Mein Körper reagierte mit ständigen Abwehrhaltungen und hoher Fluchtbereitschaft auf alle denkbaren Belastungen.

Auslöser waren nicht nur jeglicher Schriftverkehr mit sächsischen Gerichten, sondern sogar die Post meines Anwalts oder Besprechungen mit ihm. Oft nahm ich diese nicht einmal mehr wahr. Meine Belastungsstörungen erinnerten mich daran, dass ich dem erbarmungslosen Zugriff meiner Gegner nicht entgehen konnte. Ich fühlte mich als Aussätziger, als politisch Verfolgter, mit dem meine Gegner nach Belieben verfahren konnten.

Realistisch betrachtet war ich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage, meiner Anwaltstätigkeit nachzugehen.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Als die Große Strafkammer etwa zwei Monate nach Eingang der Anklageschrift den Antrag auf sofortige Verhängung eines Berufsverbots zurückwies, war es für meine Gesundheit zu spät. Es nützte auch nichts, dass die Richter klarstellten, für den Antrag der Staatsanwaltshaft gäbe es nicht einmal eine Rechtsgrundlage.

Dies machte die Sache nicht wirklich besser. Es bewies nur, dass sich Staatsanwältin Eßer-Schneider über jegliche rechtlichen Gepflogenheiten hinwegsetzte. Gerade wenn sie die fehlende rechtliche Basis für ihren Antrag kennt, geht es ihr in der Sache nicht um Rechtsprechung, sondern darum, den Gegner möglichst stark unter Druck zu setzen und daraus Vorteile zu ziehen. Vielleicht glaubte sie aber auch, sie könne einen derartigen Antrag mit Erfolg stellen. Jemanden mit der Vernichtung seiner beruflichen Existenz zu bedrohen sehe ich als rechtsstaatlich absolut indiskutabel an.

Die gesundheitlichen Wunden waren zu diesem Zeitpunkt längst geschlagen. An meinen Depressionen änderte die Ablehnung eines Berufsverbots nichts mehr. Für mich war klar: Diese Anklagebehörde durfte alles. Sie zeigt mit dem Finger auf jemanden, der dadurch zum Verbrecher mutiert. Sie bestimmt, wer kriminell ist. Die Geschichte kennt genügend derartiger Fälle. Entfesselter konnte man schwerlich auftreten.

Mittwoch 14. Januar 2009

Staatsanwältin Eßer-Schneider wollte sich mit der Ablehnung ihres Antrags auf sofortige Verhängung eines Berufsverbots nicht abfinden. Wieder einmal legte sie nach. Nun erhielt ich eine weitere Anklageschrift, wieder einmal vor dem Landgericht Leipzig. Wieder einmal ging diese von meiner persönlichen Staatsanwältin aus. Eßer-Schneider behauptete, ich habe zu Lasten einer Mandantin eine Untreue begangen. Vorausgegangen war, wen wird das noch verwundern, die Strafanzeige eines Anwaltskollegen.

Ich las Eßer-Schneiders Anklageschrift nicht einmal mehr durch. Angewidert bat ich meine Mitarbeiterin, diese sofort zu meinem Strafverteidiger Curt-Mathias Engel zu schicken.

Staatsanwältin Eßer-Schneider setzte alles auf eine Karte. Mein Strafverteidiger sprach erneut davon, sie wolle mich richtig fertigmachen. Auch ihm war die deutliche Verschlechterung meines Gesundheitszustandes nicht entgangen. Die Attacken der Staatsanwaltschaft zeigten längst Wirkung.

Eine ordentliche Strafverteidigung war aufgrund meiner psychischen Verfassung nicht mehr zu gewährleisten. Meinen Strafverteidiger Engel, der mich immer gut vertreten hatte, traf daran keine Schuld. Er schützte mich so gut, wie dies möglich war. Allerdings konnte er die Gepflogenheiten der Staatsanwaltschaft Leipzig auch nicht ändern.

Dienstag, 16. Juni 2009

Ausnahmsweise gab es erfreuliche Nachrichten von Seiten des Landgerichts Leipzig. Die Große Strafkammer lehnte die Eröffnung der Hauptverhandlung ab, weil selbst nach dem Sachvortrag der Staatsanwaltschaft keine von mir begangene strafbare Handlung vorlag. Der Antrag auf Verhängung eines sofortigen Berufsverbots gegen mich löste sich damit endgültig in Luft auf. Die Staatskasse, also die Bürger, wurde verurteilt, die Kosten des Strafverfahrens zu tragen.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig und Eßer-Schneider handelten sich also eine schallende Ohrfeige ein. Damit war klar, dass man mich angeklagt hatte, ohne dass hierfür eine tragfähige Grundlage bestand.

Dies verschaffte mir allerdings nur vorübergehend Luft. Staatsanwältin Eßer-Schneider war nicht bereit, die Entscheidung des Landgerichts Leipzig hinzunehmen und legte Beschwerde zum Oberlandesgericht in Dresden ein. Dies war in Anbetracht der klaren Begründung der Großen Strafkammer eine mutige Entscheidung. Aber an Mut hatte es meine persönliche Staatsanwältin schon in der Vergangenheit nicht fehlen lassen.

Solange die Staatsanwaltschaft ihre Jagdkampagnen mit Steuergeldern finanziert, streicht sie nicht die Segel. In derartigen Fällen sollte man den ermittelnden Staatsanwalt dazu verurteilen, die entstandenen Kosten aus seinem eigenen Vermögen zu bezahlen.

Die Staatsanwaltschaft dachte gar nicht daran, von ihrem Drehbuch abzuweichen. Wenn man schon bei der juristischen Verfolgung nicht obsiegt, so blieb immer noch die Möglichkeit der Verfolgung missliebiger Personen in der Öffentlichkeit, sozusagen dem „öffentlichen Informationsbedürfnis“ geschuldet.

Samstag, 25. Juli 2009

Nach dem aus Sicht der Staatsanwaltschaft Leipzig ungünstigen Verlauf des Strafverfahrens war es ein Wunder, dass die Vorwürfe trotzdem in der BILD landeten. Wieder einmal bestätigten sich die engen Verbindungen zwischen der Leipziger Justiz und der Boulevardpresse. Auf Seite 6 der heutigen BILD-Ausgabe erschien ein Bericht mit der Schlagzeile „Ex-OB Kandidat wegen Betrugs angeklagt!“ Verantwortlich war dieses Mal die BILD-Redakteurin Angela Wittig.

In dem Artikel gab der Sprecher des Landgerichts Hans Jagenlauf ohne vorherige Rücksprache mit mir oder meinem Strafverteidiger bereitwillig Auskunft über das Strafverfahren und trat die gegen mich erhobenen Vorwürfe in der Öffentlichkeit breit. Die BILD tat hierzu ein Übriges. Dass die Eröffnung der Hauptverhandlung zuvor vom Landgericht Leipzig abgelehnt worden war, fand keine Erwähnung.

Damit ging die Hetzjagd weiter. Natürlich wusste der Sprecher des Landgerichts Leipzig, welche Konsequenzen eine derartige Berichterstattung über mich besaß. Es scheint ihn nicht weiter interessiert zu haben. Dass er genau abwägen musste, ob überhaupt ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit bestand, war eigentlich selbstverständlich. Die Auswirkungen dieser Berichterstattung auf mich interessierten ihn jedoch nicht.

Bei einer verfassungsgetreueren Prüfung hätte Jagenlauf bemerken müssen, dass mein allgemeines Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG die Veröffentlichung zwingend verbietet. Aufgrund der Historie war klar ohnehin, wie die BILD-Zeitung berichten würde. Dennoch entschied sich der Landgerichtssprecher für die öffentliche Schlagzeile.

Damit wurden meine Anstrengungen, nach der letzten BILD-Veröffentlichung wieder einen Mandantenstamm aufzubauen, sabotiert. Ganz Leipzig sprach erneut von mir. Es war nun bereits das dritte Mal, dass die Boulevardpresse über die verschiedensten Strafvorwürfe, die gegen mich erhoben wurden, berichtete.

Nicht nur die Leipziger Bürger, sondern auch meine Berufskollegen rieben sich die Hände. Jeder hatte es gewusst. Ich war ein Schwerverbrecher. Dabei spielte es keine Rolle, dass ich aus der Auseinandersetzung mit der Staatsanwaltschaft bislang als Sieger hervorgegangen war. Kein Vertreter der Leipziger Justiz beschäftigte sich mit der Haltlosigkeit der gegen mich erhobenen Vorwürfe. Man machte nicht einmal den Versuch einer objektiven Berichterstattung.

Natürlich dachte ich über eine Gegendarstellung nach. Aber was hätte das am Ende gebracht? Die Vorwürfe wären in diesem Fall nur mehrfach breitgetreten worden. Der Schaden trat dagegen bereits mit dem BILD-Artikel ein. Für meine Gesundheit war dies ein weiterer Tiefschlag, der jede Erholung zunichtemachte. Wenn schon keine Verurteilung möglich war, sollte ich mit meiner Gesundheit für die Ambitionen der Leipziger Staatsanwaltschaft bezahlen, so jedenfalls dachte ich voller Bitterkeit.

Die Auswirkungen dieser Berichterstattung auf meine Mandate spürte ich sofort. Nicht das erste Mal stand ich – schwer angezählt – vor einem beruflichen Neuanfang. Oder war es der endgültige Niedergang? Lohnte es sich überhaupt noch, bei diesen Rahmenbedingungen als Rechtsanwalt in Leipzig weiterzumachen? Erst drei Monate später setzte ein neuer Mandant den Fuß in meine Kanzlei. Auch in der Zukunft kam der Mandatszufluss fast zum Erliegen.

Mittwoch, 5. August 2009

Ich weiß nicht ob sich die Vertreter der sächsischen Justiz klar darüber geworden sind, welchen gewaltigen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schaden sie anrichten. Wahrscheinlich haben sie sich hierüber keine weiteren Gedanken gemacht oder dies billigend in Kauf genommen. Aus ihrer Sicht erledigten sie einen gerechtfertigten Auftrag.

Auch an anderer Stelle bemerkte ich, wie weit die Arme der sächsischen Justiz reichen.

Nachdem meine Kinder an den Bodensee gezogen waren – Gott sei Dank erlebten sie den öffentlichen Rufmord gegen mich nicht mit – wollte ich eine Privatpilotenlizenz erwerben. Fliegen war zu einem Hobby geworden, wo ich Ruhe und Abstand finden konnte. Hoch über dem Boden sah die Welt noch friedlich aus. Mit dem Flugzeug wäre ich schneller an den Bodensee gelangt, um meine Kinder zu besuchen. Mit dem Auto brauchte ich meistens sieben Stunden. Da war das Fliegen geeigneter, zumal es einen Flugplatz in Konstanz gab.

Den theoretischen Unterricht hatte ich bereits erfolgreich abgeschlossen und etwa 25 Flugstunden geleistet. In wenigen Wochen wollte ich mich für die Pilotenprüfung anmelden.

Nun erhielt ich Post von der Landesdirektion Dresden, die den Erwerb meines Pilotenscheins als zuständige Behörde begleitete. Was ich dort nachlesen musste, schockierte mich, denn es zeigte, wie weit der Atem meiner Gegner in der sächsischen Justiz reichte. Aus Sicht der Landesdirektion war ich aufgrund des laufenden Strafverfahrens „luftverkehrsrechtlich unzuverlässig“ und damit nicht geeignet, die Privatpilotenlizenz zu erwerben. Zur Prüfung werde ich demzufolge auch nicht zugelassen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits eine Menge Geld in meine Flugausbildung gesteckt. Meinen lupenreinen Bundeszentralregisterauszug wollte die Behörde dagegen nicht sehen.

Einmal mehr dachte ich daran, dass wir doch in einem Rechtsstaat leben, auch wenn die sächsische Ausprägung mehr als zu wünschen übrigließ. Wo war die Unschuldsvermutung, immerhin ein Kerngedanke des Rechtsstaatsprinzips? Aber das half mir wenig – an den Vorwürfen könnte ja trotzdem etwas dran sein, so die Landesdirektion.

Mein Strafverteidiger Engel empfahl mir, den Ausschluss hinzunehmen. Ohnehin gab es genügend andere Baustellen. Vielleicht hat er in einem Staat, der von der öffentlichen Denunziation missliebiger Personen lebt, auch recht. Ich konnte ja meinen Flugschein noch erwerben, wenn die Strafverfahren erfolgreich abgeschlossen waren. Mit dieser schnöden Bemerkung schuf man im Ergebnis die mich schützende Unschuldsvermutung ab.

Da die sächsische Justiz gerade in meinem Fall zur Akkumulation von Strafverfahren neigte, bedeutete dies allerdings, dass der Zeitpunkt, in dem ich als luftverkehrsrechtlich zuverlässig gelte, nie kommen wird. Glücklicherweise gab es mehr als genug Leute, die immer für eine Strafanzeige gut waren.

Dienstag, 29. September 2009

Jedenfalls das von Staatsanwältin Eßer-Schneider vor der Großen Strafkammer anhängig gemachte Strafverfahren ging seinem Ende entgegen. Das Oberlandesgericht Dresden wies die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ab. Auch aus seiner Sicht lag keine strafbare Handlung vor.

Es wird sicherlich Niemanden überraschen, dass weder die Staatsanwaltschaft Leipzig, noch der Gerichtssprecher des Landgerichts Leipzig Jagenlauf, oder ein anderer Vertreter der sächsischen Justiz diese Entscheidung an die örtliche Presse weitergab und damit den Versuch unternahm, meinen Ruf wiederherzustellen. Wahrscheinlich reduzierte sich das öffentliche Informationsinteresse dort, wo ich aus einem Strafverfahren siegreich hervorging, auf null.

Selbstverständlich hätte die Leipziger Justiz die Verhältnisse problemlos geraderücken können. Hierzu war sie meiner Meinung nach bereits aus Gründen der Schadensbeseitigung verpflichtet. Die faire Behandlung eines Gegners stellt ebenfalls eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips dar.

Die Leipziger Justiz tauchte nun jedoch ab. Die fehlende Bereitschaft zur Aufarbeitung eigener Fehler hat in der Vergangenheit sicherlich ihren Teil dazu beigetragen, dass Teile der sächsischen Justiz bundesweit Aufmerksamkeit erlangten.

Vielleicht spricht aus meinen Worten nur der Nostalgiker: Wieso sollte die Staatsanwaltschaft öffentlich bekennen, einen Fehler gemacht zu haben? Hatte ich nicht übersehen, dass das Recht nur im Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern aber nie umgekehrt gilt? Da war es wieder, Heines Entsagungslied, „das Eiapopeia vom Himmel, mit dem man einlullt, wenn es greint, das Volk, den großen Lümmel“.

Am Ende war es egal, wie viel Unrecht meine Gegner begehen. Sie durften es, denn sie waren mit den entsprechenden Machtbefugnissen ausgestattet.

Freitag, 12. Februar 2010

Damit blieb nur noch die von Staatsanwältin Eßer-Schneider beim Landgericht Leipzig eingereichte Anklage wegen Untreue. Das sah zwar überschaubar aus, meinen Optimismus hatte ich jedoch schon lange verloren. Die Zeiten meines Arbeitsausfalls wegen schweren Depressionen summierten sich. Sie waren längst die Regel.

Auch dieses Verfahren wollten wir erledigen. Staatsanwältin Eßer-Schneider hatte wieder einmal nur einseitig ermittelt. Erneut interessierte sie sich nicht für das, was meine Mandantin und ich vereinbart hatten.

Eigentlich war es ganz einfach. Wenn ich schon bei Staatsanwältin Eßer-Schneider kein Gehör finde, könnte sie doch den Generalbevollmächtigten meiner Mandantin M. befragen. Dieser würde den Sachverhalt lückenlos aufklären. Aus Sicht von Eßer-Schneider lag es jedoch näher zu behaupten, dass mich entlastende Tatsachen nicht existieren. Sie blieb ihrer Linie treu.

Für mich war die Vernehmung des Generalbevollmächtigten M. besonders wichtig, denn er würde mich entlasten. Die Bedeutung einer zeitnahen Vernehmung erhöhte sich noch dadurch, dass M. einige Monate zuvor mit seiner Lebensgefährtin einen Selbstmordversuch unternommen hatte, den nur er überlebte. Ich wusste daher um M.‘s angeschlagenem Gesundheitszustand und flehte die Staatsanwaltschaft regelmäßig an, diesen anzuhören.

Meine persönliche Staatsanwältin lehnte jedoch die Vernehmung meines Kronzeugen ab. Ich könne den Beweis ja noch in der Hauptverhandlung führen, das jedenfalls ließ sie meinen Strafverteidiger Curt-Mathias Engel wissen.

Diese Vernehmung wird nicht mehr möglich sein, denn M. starb etwa 18 Monate später an einem Herzinfarkt.

Einmal mehr verstieß die Staatsanwaltschaft Leipzig meiner Meinung nach in geradezu dramatischer Weise gegen rechtsstaatliche Mindeststandards. Natürlich war sie als vermeintlich unabhängige Anklagebehörde gezwungen, Entlastungsbeweisen frühzeitig nachzugehen, bevor sie Anklage erhebt. Es kommt öfter vor, dass wichtige Zeugen vor Beginn des Prozesses versterben. Daher war es aus rechtsstaatlicher Sicht umso wichtiger, die entlastenden Aussagen frühzeitig zu dokumentieren. Dies gilt umso mehr, als der schlechte Gesundheitszustand eines Zeugen der Staatsanwaltschaft hinlänglich bekannt ist.

In meinem Fall hat die Staatsanwaltschaft diese vorausschauende Vernehmung unterlassen. Wahrscheinlich wird sie später sogar behaupten, es habe keinerlei Absprachen zwischen mir und M. gegeben. Den Nachweis kann ich nun aufgrund seines Todes nicht mehr führen können. Faktisch kommt es daher an dieser Stelle zu einer Beweislastumkehr.

Staatsanwältin Eßer-Schneider erhielt für ihre Verdienste um die Rechtsfindung Ende 2011 eine Beförderung: Künftig arbeitete sie als Pressesprecherin des Oberlandesgerichts Dresden, später als Pressesprecherin im Justizministerium. Heute ist sie Mitglied einer Strafkammer in Leipzig[1]. Ihr Einsatz hat sich für sie also gelohnt. Als verdiente Juristin war sie nun für höhere Aufgaben vorgesehen.

Ein Schelm, wer sich Böses dabei denkt.

Mittwoch, 12. Januar 2011

Es war der Zeitpunkt gekommen, Abschied zu nehmen. Dieser fiel mir leicht, er war längst überfällig. In Leipzig hielt mich nichts mehr. Hier konnte ich nichts mehr bewirken. Meine Tätigkeit als sogenannter Aufbauhelfer war kläglich gescheitert.

Ich kehrte meiner Heimatstadt den Rücken und blickte nicht zurück. Längst war mir Leipzig fremdgeworden. Zu sehr hatte ich unter den andauernden Verfolgungen gelitten. Mein schlechter Gesundheitszustand zwang mich zu einem Umzug. Ich denke nicht, dass ich in Leipzig noch weitere 2 – 3 Wochen überlebt hätte.

Also ging ich nach Bayern, nach Ingolstadt und startete einen Neuanfang. Die sächsische Justiz hatte gewonnen. Ihr Vertriebsmodell – wie verjage ich einen missliebigen Anwalt – war am Ende wie im Fall meines Freundes Dr. B., dem ehemaligen Leiter des Ordnungsamts Leipzig, erfolgreich.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig dachte jedoch nicht daran, ihren Kreuzzug zu beenden. Trotz meines Wegzugs legten vor allem Anwaltskollegen nach und beglichen alte Rechnungen, Rechnungen, die sie im Gerichtssaal nicht mehr begleichen konnten. In Sachsen war es leider üblich, den Gegner mit Strafanzeigen zu zermürben. In meinem Berufsstand machten sich inzwischen längst amerikanische Verhältnisse breit.

Es würde zu weit gehen, hier jeden Einzelfall zu schildern. Auf meine Berufskollegen konnte ich mich jedenfalls nie verlassen. Egal wie schwer man unter Feuer lag und wie ungerecht die Vorwürfe erschienen, Unterstützung bekam ich nicht.

Freitag, 25. Februar 2011

Ich war mittags aus Ingolstadt losgefahren, um meine Lebensgefährtin über das Wochenende zu besuchen. Wie wenig sich die Dinge nach meinem Wegzug geändert hatten, zeigte ein Blick in die Post. Darin lag eine neue Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Leipzig. Ich sollte mich dieses Mal vor dem Amtsgericht, wieder einmal wegen Betrugs, verantworten. Es war so, als wollte mich die Staatsanwaltschaft standesgemäß anlässlich meiner Stippvisite begrüßen. Sie blieb ihrer Linie bis zuletzt treu.

Mir gelang es nicht einmal, die Anklageschrift zu lesen, obwohl sie kurz ausgefallen war. Meine posttraumatischen Belastungsstörungen und Depressionen meldeten sich sofort. Erst 14 Tage später war ich hierzu in der Lage.

Der gegen mich erhobene Vorwurf spricht einmal mehr Bände über die Gepflogenheiten der Staatsanwaltschaft Leipzig. Ich soll bei der Durchführung meines Bauvorhabens in der Robert-Koch-Straße 11-13 in Brandis den Dachdecker H. um etwa 2.200 € betrogen haben. Ich hatte einen Teil seines Werklohns einbehalten. Dies war aus Sicht der Staatsanwaltschaft strafbar.

  1. lief damals gerne auf der Baustelle mit der der BILD-Zeitung vom 25. Juli 2009 herum, die gerade über mein Verfahren vor der Großen Strafkammer berichtete. Natürlich kommunizierte H. die Vorwürfe gegenüber anderen Handwerkern und brachte damit viel Unruhe auf die Baustelle. Er informierte sie über meine Vergangenheit als strafrechtlich wiederholt auffällige Person.

Viele von ihnen waren wegen der Vorwürfe nicht länger bereit, für mich zu arbeiten, da sie um ihren Werklohn fürchteten. Das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, von dem der Gerichtssprecher des Landgerichts Leipzig Jagenlauf gesprochen hatte, trug in meinem Fall reichliche Früchte.

Als Dachdecker war H. alles andere als erfolgreich. Er überzog die vertraglich vereinbarte Bauzeit um mehr als sechs Wochen, ohne seine Arbeiten zu beenden. Damit behinderte er die nachfolgenden Gewerke und sorgte für gewaltige Baustellenvorhaltekosten, welche ich wiederum tragen musste.

Wegen Vertragsbruchs kündigte ich ihm fristlos und verpflichtete einen Nachfolger, der nur zu deutlich höheren Preisen bereit war, kurzfristig die liegen gebliebenen Arbeiten zu übernehmen.

  1. ging jedenfalls zu einem Anwaltskollegen, der – wahrscheinlich ebenfalls ein geneigter BILD-Leser – gegen mich Anzeige wegen Betrugs erstattete. Eine weitere Anzeige erstattete er gegen meinen Nachbarn K. In beiden Fällen war der Sachverhalt absolut identisch. Auch K. hatte H. fristlos wegen Terminüberschreitung gekündigt.

Hierin erschöpften sich jedoch die Gemeinsamkeiten. Denn während Staatsanwalt Walburg – meine persönliche Staatsanwältin Esser-Schneider hatte man zwischenzeitlich in die Jugendabteilung versetzt – im Fall meines Nachbarn das Ermittlungsverfahren einstellte, weil kein hinreichender Tatverdacht bestand, erhob er – bei absolut identischem Sachverhalt – gegen mich Anklage. Ich war längst zu einem Dauerbetrüger mutiert.

Dass ich diesem Handwerker fristlos kündigen musste, weil er Schäden im Gesamtumfang von etwa € 25.000,00 verursachte, interessierte die Staatsanwaltschaft Leipzig nicht. Warum sollte Staatsanwalt Walburg rechtsstaatliche Vorgaben ernst nehmen und Entlastungsvorbringen recherchieren? Umso mehr, als er die Probleme mit Dachdecker H. aus den Schilderungen meines Nachbarn kannte?

Staatsanwalt Walburg war der festen Überzeugung, ich hätte von Anfang an nicht über die notwendigen finanziellen Mittel für die Durchführung des Bauvorhabens verfügt. Auch hier hat er sich nie für die Einzelheiten interessiert. Denn das Bauvorhaben wurde durch eine umfassende Finanzierung der norddeutschen Landesbank (NordLB) abgesichert. Außerdem standen mir noch genügend Darlehensmittel zur Verfügung.

In der Anklageschrift stand ferner, ich hätte mich zu den Vorwürfen nicht geäußert. Allerdings ließ damals schon mein Bedürfnis, mich gegenüber der Staatsanwaltschaft zu äußern, dramatisch nach. Hierin sah ich keinen Sinn mehr. Sollten sie mich doch anklagen.

Immerhin hatte Staatsanwalt Walburg bei Erstellung der Anklageschrift die Textbausteine seiner Kollegin Eßer-Schneider übernommen. Sowas nennt man dann wohl Kontinuität.

Dass die Staatsanwaltschaft Leipzig das Ermittlungsverfahren gegen meinen Nachbarn einstellte, mich dagegen vor dem Amtsgericht anklagte, belegt eindeutig meinen Sonderstatus, den ich mir bei der bei der Staatsanwaltschaft in langen Jahren erarbeitet hatte.

In dem nun anhängigen Vorverfahren verteidigte ich mich gegenüber dem Amtsgericht gegen die Vorwürfe und stellte den Sachverhalt richtig. Insbesondere verwies ich auf das Parallelverfahren meines Nachbarn K., und die widersprüchliche Vorgehensweise der Staatsanwaltschaft, die mich weiterverfolgte.

Seitdem habe von dem Verfahren nichts mehr gehört. Weder die Staatsanwaltschaft noch das Amtsgericht Leipzig haben mich über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet. Eine Einstellungsverfügung sollte mir eigentlich zugehen. Vielleicht war Staatsanwalt Walburg die Angelegenheit dann doch zu peinlich.

Sichtlich verärgert erstattete ich gegen H. Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung. Mehr als zwei Jahre später bestätigte mir die Staatsanwaltschaft Leipzig den Eingang der Anzeige. Mehr geschah in der Sache allerdings nicht. Strafanzeigen meinerseits scheiterten schon per se am Aufklärungswillen der Staatsanwaltschaft.

[1]              www.justiz.sachsen.de/smj/content/2701.php

Sachsens ehemaliger Ministerpräsident Milbradt ordnet staatliche Verleumdungskampagne an – Teil 1 meines Tagebuchs

Sonntag, 17. Dezember 2017

Mein Tagebuch über den hybriden Rechtsstaats nähert sich der Fertigstellung. Hier mal ein Auszug aus Kapitel 3 im ersten Teil. Es geht um meinen Kampf um die sächsischen Spielbanken und den Erhalt von 100 Arbeitsplätzen, welche auf Wunsch des damaligen sächsischen Finanzministers und späteren Ministerpräsidenten Milbradt vernichtet werden sollten.

Der Freistaat Sachsen führte die Auseinandersetzungen mit aller Härte. Er scheute nicht vor einer staatlich angeordneten Verleumdungskampagne, der Einschaltung des Landeskriminalamtes sowie der Infragestellung unserer körperlichen Unversehrtheit zurück. Mit all diesen „Führungsqualitäten“ ist es kein Wunder, dass Prof. Dr. Milbradt später Ministerpräsident wurde.

Der Kampf war Auslöser der weiteren Entwicklung, die schließlich zu meiner Vernichtung führte.

Hier der Vorabausdruck von Kapitel 3:

Kapitel 3: Der Kampf um die sächsischen Spielbanken

Mein Berufsstart lag nun schon vier Jahre zurück. Es war eine Zeit mit hoher Arbeitsintensität. Von jungen Anwälten wird in einer Großkanzlei erwartet, dass sie sechzig bis siebzig Stunden in der Woche arbeiten. Die Bewertung eines Anwalts hing stark davon ab, welche Umsätze er am Ende des Monats erzielt. Letztlich entscheidet das Geld über alles.

Wer die Vorgaben nicht erfüllt, besitzt in einer Großkanzlei keine Zukunft. Ich befand mich in einem Hamsterrad, das sich immer schneller drehte. Stoppen konnte ich dieses nicht. Irgendwann – so meine Befürchtung – stirbt der Hamster an einem Herzinfarkt. Ins Grab mitnehmen wird er dagegen nichts. Am Ende bleibt nur die Erinnerung, nicht gelebt zu haben.

Montag, 12. Februar 1996

Zwischenzeitlich war uns gelungen, die Sächsische Spielbanken GmbH & Co.KG als Mandantin zu akquirieren. Es handelte sich um ein Staatsunternehmen, das unter der Aufsicht des damaligen sächsischen Finanzministers Prof. Dr. Milbradt, dem späteren Ministerpräsidenten, stand. Dieses suchte einen Arbeitsrechtler, um seine zahlreichen Baustellen abzuarbeiten. In der Vergangenheit hatten die Spielbanken so ziemlich jeden Arbeitsgerichtsprozess verloren. Es galt, diese Bilanz aufzupolieren. Daher mussten neue Pferde gesattelt werden.

Die Zusammenarbeit verlief für beide Seiten erfolgreich. Dank einer besseren Vorbereitung von Personalmaßnahmen des Unternehmens gelang es uns, die anstehenden Arbeitsgerichtsprozesse zu gewinnen. Die Sächsische Spielbanken GmbH & Co.KG wiederum erwies sich als guter Kunde, der unsere Honorarrechnungen schnell bezahlte. Für mein Standing in der Kanzlei war dies wichtig.

Damals ahnte ich noch nicht, welche Bedeutung dieses Mandat für meine anwaltliche Laufbahn nehmen sollte. Es leitete in vielerlei Hinsicht den Wendepunkt ein.

Mandate wie die sächsischen Spielbanken waren in Leipzig heiß begehrt. Auch andere Großkanzleien rissen sich um sie. Leider war ich als junger Anwalt angreifbar. Mir fehlten die grauen Schläfen, welche man gemeinhin als Zeichen langjähriger Berufserfahrung interpretiert. Ich versuchte, dies durch Temperament und Leidenschaft auszugleichen.

Von Anfang an fokussierte ich mich auf meine Arbeit. Dabei ließ ich etwas Elementares außer Acht: Die wichtigsten Mandate werden nicht tagsüber, sondern am Abend akquiriert, indem man illustre gesellschaftliche Veranstaltungen besuchte und „Networking“ betrieb. Privat eher kontaktscheu zeigte ich bei diesen Anlässen zu wenig Präsenz.

Dass der Geschäftsführer der sächsischen Spielbanken, Fendel, nicht mehr zu Beratungsgesprächen erschien und stattdessen seine Vertreter entsandte, beunruhigte mich zunehmend. Drohte hier etwa Ungemach? Dafür war mein Verhältnis zum technischen Direktor Dielenschneider umso enger.

Der stellte sich zwar als hoffnungsloser Zyniker heraus. Als Anwalt war mir Zynismus allerdings nicht fremd. Dielenschneider und ich hatten uns im Laufe der Zeit angefreundet. Er nahm mich u. a. zum Golfspielen mit und sah, wie ich verzweifelt auf den Golfball eindrosch, um ihm die richtige Richtung zu geben. Beim Golfen war ich jedoch nur Durchschnitt.

Eines Tages geriet Dielenschneider in den Fokus seines Geschäftsführers. Dieser wollte ihn loswerden. Der Grund hierfür lag in Dielenschneiders Gehalt. Er hatte anlässlich seines Wechsels zur Spielbank in Leipzig wenige Jahre zuvor gut verhandelt. Sage und schreibe 15.000 Deutsche Mark netto pro Monat schlug er für sich heraus.

Dumm nur, dass die Höhe seines Gehalts aufgrund einer Indiskretion der Spielbanken das Interesse der BILD-Zeitung geweckt hatte. Diese schlachtete das Thema groß aus und stachelte eine öffentliche Neidkampagne an. Ob denn jemand dieses Gehalt überhaupt wert sein könne, wurde kritisch gefragt.

Schon damals war ich kein Fan davon, derartige Auseinandersetzungen über die BILD auszutragen. Dies zeugte aus meiner Sicht von einer gering ausgeprägten sozialen Intelligenz. Allerdings besitzt in der Bundesrepublik die Diffamierung des Gegners in der Boulevardpresse eine lange Tradition.

Eine weitere Sache bereitete mir Sorgen. Dielenschneider erklärte mir, ich werde das Mandat der sächsischen Spielbanken demnächst verlieren. Geschäftsführer Fendel habe im Leipziger Rotary-Club einen anderen, aus seiner Sicht fähigeren Rechtsanwalt gefunden. Er beabsichtige daher, die Kanzlei zu wechseln.

Am Ende zollte ich meiner schlechten Vernetzung in Leipzigs Establishment Tribut. Der Mandatsverlust bedeutete einen ersten Knick in meiner jungen Anwaltskarriere. Die Beendigung des Mandates teilte mir Fendel nicht einmal mit. Neue Aufträge erhielt ich von den Spielbanken jedenfalls keine mehr.

Donnerstag, 18. April 1996

Am Ende trat das ein, was mein Freund Dielenschneider vorausgesagt hatte. Er erhielt eine betriebsbedingte Kündigung. Das Schreiben trug die Unterschrift des Geschäftsführers Fendel. Dielenschneider fragte mich, ob ich bereit sei, ihn vor dem Arbeitsgericht zu vertreten. Sofort sagte ich ihm meine Unterstützung zu. Ich wollte gleich die erste sich mir bietende Gelegenheit nutzen, um mich mit dem neuen Anwalt der Spielbanken zu messen. So ließ ich mich jedenfalls nicht abservieren.

Die sächsischen Spielbanken begründeten die Kündigung damit, die Stelle Dielenschneiders sei weggefallen. Seine Arbeiten würden künftig von anderen Mitarbeitern übernommen. Mich überzeugte das nicht; das klang eher wie eine Mogelpackung. Arbeitsrechtler sprechen hier von einer unzulässigen Austauschkündigung. Es ging daher allein darum, sich von einem unliebsamen Mitarbeiter zu trennen.

Also reichte ich beim Arbeitsgericht Leipzig eine Kündigungsschutzklage ein. Um die Sache für die Gegenseite noch schwerer zu machen schob ich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hinterher. Die Spielbanken hatten Dielenschneider mit sofortiger Wirkung freigestellt. Das wollten wir nicht hinnehmen. Ich wollte zeitnah seine Weiterbeschäftigung durchsetzen. Dies versprach den größten Druck auf meine Gegner.

Freitag, 31. Mai 1996

Das Arbeitsgericht Leipzig machte im einstweiligen Verfügungsverfahren mit den sächsischen Spielbanken kurzen Prozess. So richtig konnte es deren unternehmerische Entscheidung nicht nachvollziehen. Es hob die Beurlaubung meines Freundes auf und verdonnerte unseren Gegner zu seiner vorläufigen Weiterbeschäftigung.

Dies sorgte unternehmensintern natürlich für gewaltige Unruhe, denn aufgrund der Entscheidung des Arbeitsgerichts bestanden gleichzeitig berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung. Wir erhöhten den Druck als wir wenig später in Begleitung der Polizei im Casino in der Gerberstraße auftauchten und lautstark gegenüber den schnell herbeigeeilten Polizeikräften die Durchsetzung des Urteils verlangten. Für uns war diese Aktion eigentlich nur ein Spaß, der unseren Gegner nervös machen sollte.

Donnerstag, 12. Dezember 1996

Den Kündigungsschutzprozess gewannen wir dann ein halbes Jahr später. Das Arbeitsgericht Leipzig konnte die von den Spielbanken vorgebrachten Kündigungsgründe nicht nachvollziehen, zumal die Arbeitsaufgaben meines Freundes nach der unternehmerischen Entscheidung der Spielbanken nicht einmal weggefallen waren. Für uns stellte dies einen wichtigen Etappensieg dar.

An der Urteilsverkündung nahmen wir persönlich teil. Es kam in meiner anwaltlichen Laufbahn nicht oft vor, dass ich einer Urteilsverkündigung beiwohnte. Immer zu Späßen aufgelegt rief Dielenschneider anschließend bei den Spielbanken an, damit ihm deren Geschäftsführer Fendel zu seinem Sieg gratulieren konnte. Dieser war für ihn jedoch nicht zu sprechen.

Mittwoch, 20. August 1997

Natürlich ließen die sächsischen Spielbanken die Entscheidung des Arbeitsgerichts Leipzig nicht auf sich sitzen und legten Berufung zum sächsischen Landesarbeitsgericht ein. Sie kämpften weiter für ihre Kündigungsgründe. Das Landesarbeitsgericht verhandelte einige Monate später in den Räumen des Arbeitsgerichts Leipzig.

Die Stimmung an diesem Tag war spannungsgeladen. Nun würden wir erfahren, wie das Landesarbeitsgericht über die Kündigung meines Freundes dachte.

Die mündliche Verhandlung fand nachhaltigen Anklang. Viele Mitarbeiter der Spielbank hatten den Weg zum Arbeitsgericht gefunden, darunter auch die Betriebsräte. Diese waren zwischenzeitlich ebenfalls auf der Suche nach einem Anwalt, der ihnen weiterhelfen konnte. Sie wollten sich persönlich ein Bild machen.

Das Landesarbeitsgericht deutete in einigen Nebensätzen seine Zweifel an der Wirksamkeit der Kündigung an und fragte nach Möglichkeiten, sich in der Sache gütlich zu einigen. Aus den Worten des Gerichts folgerte ich, dass wir das Berufungsverfahren ebenfalls gewinnen würden. Mein Freund Bernd war jedoch ein Spieler. Er wollte wissen, wieviel Geld er an diesem Tag bei einem Vergleichsschluss mitnehmen konnte. Also begannen die Einigungsgespräche. Wegen der Sensibilität des Themas und der Höhe der zu erwartenden Forderungen schloss das Landesarbeitsgericht die Öffentlichkeit aus.

Die Verhandlungen verliefen zäh. Es ging zu wie auf einem arabischen Basar, auf dem jeder lautstark für seine Ware warb. Am Ende erzielten wir ein vorzeigbares Ergebnis. Trotz seiner geringen Betriebszugehörigkeit erhielt Dielenschneider seine ausstehende Vergütung sowie eine Abfindung in Höhe von knapp 300.000 DM. Mein Freund war zufrieden und zahlte mir sogar eine Prämie.

Als wir den Sitzungssaal verließen fragten mich die anwesenden Betriebsräte, ob ich künftig ihre Interessen vertreten will. Nach kurzer Zeit des Nachdenkens sagte ich zu. Noch immer hatte ich den Mandatsverlust nicht verschmerzt. Mir bot sich nun eine weitere Möglichkeit zur Revanche. Ich wollte den Geschäftsführer der Spielbanken in künftigen Verfahren von meinen Qualitäten als Arbeitsrechtler überzeugen.

Damit war mein Seitenwechsel vollzogen.

Sympathiepunkte brachte mir dieser Rechtsstreit bei dem Gesellschafter der sächsischen Spielbanken, dem Freistaat Sachsen, allerdings nicht ein. Im von Prof. Dr. Milbradt geführten sächsischen Finanzministerium besaß man seine ganz eigene Sichtweise und sah das Ganze alles andere als sportlich. Milbradt, ein westfälischer Sturkopf, duldete keinen Widerstand von Seiten der Belegschaft oder der Betriebsräte, auch wenn dieser noch so berechtigt war. Für ihn gab es nur schwarz oder weiß. Wer seine Forderungen nicht erfüllte war ein Gegner.

Zwar hatte ich mit dem Fall Dielenschneider einen Erfolg errungen. Nun traf ich mit dem Freistaat Sachsen direkt auf einen Gegner, der vor allem eins hatte, was ich nicht besaß, nahezu uneingeschränkte Macht. Mit dieser sollte ich in den kommenden Jahren stärkere Bekanntschaft machen. Wie ich dabei schmerzlich erfahren musste, vergisst der Freistaat Sachsen Niederlagen nicht. Er besitzt einen langen Atem.

Donnerstag, 27. November 1997

In den vergangenen Monaten suchten mich ständig weitere Mitarbeiter der sächsischen Spielbanken auf und baten darum, sie zu vertreten. Nun ließen sich auch die Mitarbeiter der Spielbank Dresden, deren Betriebsrat, der Betriebsrat der Verwaltung sowie der Gesamtbetriebsrat von mir beraten. Damit konnte ich den Mandatsverlust locker kompensieren. Dadurch blühten auch meine Einnahmen.

Über den sächsischen Spielbanken brauten sich zwischenzeitlich düstere Wolken zusammen. Es standen Verhandlungen über einen neuen Gehaltstarifvertrag für die im klassischen Spiel (französisches und American Roulette sowie Black Jack) Beschäftigten an. Die damalige Gewerkschaft HBV (heute ein Teil von Verdi) sowie Finanzminister Prof. Dr. Milbradt fochten mit harten Bandagen. Milbradt bestand auf einer Kürzung der Gehälter. Sollte das nicht geschehen, werde er das klassische Spiel schließen. Eine Lösung war nicht in Sicht.

Natürlich waren die Gehälter im klassischen Spiel höher als in anderen Betrieben. Dies war in erster Linie den ungünstigen Arbeitszeiten der Croupiers geschuldet, der bis tief in die Nacht seiner Tätigkeit nachging. In der Vergangenheit hatte es an dieser Stelle keinerlei Probleme gegeben. Die bisherigen Vergütungstarifverträge waren alle von Prof. Dr. Milbradt abgesegnet worden.

Zudem sind Gehaltssteigerungen bei Tarifverhandlungen selbstverständlich. Eine Gehaltsreduzierung kam daher für die Mitarbeiter des klassischen Spiels nicht in Frage. Diese hatten bereits in den vergangenen Jahren regelmäßig höherwertigere Tätigkeiten ausgeführt, hierfür aber nicht die tariflich geforderte Vergütung von der Spielbank erhalten.

Die Gehaltsdebatte eignete sich nicht wirklich als Mittel der Auseinandersetzung. Dies musste auch Prof. Dr. Milbradt klar sein: Die Gehälter der Croupiers – dies stellt in Spielbanken eine Besonderheit dar – werden aus den Trinkgeldern der Gäste, dem sogenannten Tronc, bezahlt. Gäste der Spielbank, die beim Spiel gewinnen, werfen üblicherweise 10 % ihres Gewinns in eine entsprechende Öffnung am Rand des Spieltischs, worin die Trinkgelder gesammelt werden. Dieses Geld verwendet die Spielbank für die Bezahlung der Gehälter. Es sind also die Gäste der Spielbank, die für die Personalkosten der Mitarbeiter aufkommen.

Daher mussten die sächsischen Spielbanken das Gehalt für die Mitarbeiter des klassischen Spiels nicht selbst aufbringen. Hierin liegt ein grundlegender Unterschied zu normalen Unternehmen, die ihre Personalkosten über ihre Erträge refinanzieren.

Die vermeintliche Höhe der Gehälter war auch wegen der Steigerung der allgemeinen Lebenshaltungskosten kein belastbares Argument. Dies wussten Fendel und Milbradt natürlich. Politisch konnte man allerdings aus der Höhe der Gehälter Kapital schlagen. Denn die Öffentlichkeit wusste nichts über die Herkunft der Gehälter. Das Thema taugte daher, um eine Neiddebatte zu führen. Das machten sich unsere Gegner zunutze.

Damals galten öffentliche Spielbanken als Gelddruckmaschinen: Ihre Einnahmen erzielten sie durch verlorene Spieleinsätze ihrer Gäste. Davon wanderte der größte Teil sofort in die Kassen des Freistaates Sachsen. Leichter konnte man sein Geld nicht verdienen.

Dienstag, 1. Dezember 1998

Anfang Dezember hatte der Testosteronspiegel bei Finanzminister Prof. Dr. Milbradt neue Höhen erklommen. Nun platzte ihm endgültig der Kragen. Er drohte ultimativ mit der Schließung des klassischen Spiels, sollten die Croupiers sowie die Gewerkschaft seine Forderungen nicht innerhalb einer Woche erfüllen. Er werde in diesem Fall knapp 100 Spielbankmitarbeiter auf die Straße setzen.

Dieses Ultimatum stellte im Kern nichts Anderes als eine Erpressung dar. Kommunikativ war damit das Tischtuch zerschnitten. Die Croupiers blieben bei ihrer Verhandlungsposition. Demzufolge schritt Prof. Dr. Milbradt zur Tat.

Seine Beschäftigungspolitik zeigt, was er unter „blühenden Landschaften“ verstand. Es ging ihm nur um seinen Willen. Da spielte es auch keine Rolle, dass die Spielbanken erhebliche Gewinne für den Staatshaushalt abwarfen. Das Ganze hatte eher etwas mit Egomanie zu tun als dem Aufbau belastbarer Strukturen in der sächsischen Wirtschaft.

Es wäre jedoch zu einfach, Prof. Dr. Milbradt zu unterschätzen. Denn er besaß einen Hintergedanken. Als kühler Rechner beabsichtigte er nicht, auf die Einnahmen zu verzichten. Dem Finanzminister – unstreitig ein heller Kopf – gelang nämlich die Quadratur des Kreises.

An den Einnahmen aus dem Spielbetrieb war er deshalb nicht interessiert, weil diese nach dem sächsischen Spielbankengesetz für soziale Zwecke ausgegeben werden mussten. Milbradt konnte über sie also nicht frei verfügen. Die Erfüllung sozialer Zwecke stand bei dem marktkapitalistisch angehauchten Professor nicht auf den vorderen Plätzen seiner Prioritätsliste.

Als alter Politprofi wusste Prof. Dr. Milbradt, was er tun musste, um sich dieser sozialen Zweckbindung zu entledigen. Diesen Weg eröffnete ihm der Länderfinanzausgleich, in dem die einnahmestärksten Bundesländer die schwächeren Bundesländer mit Transferzahlungen unterstützen.

In Wirklichkeit gingen dem Freistaat bei einer Schließung des klassischen Spiels die Einnahmen nicht verloren. Die Gründe hierfür sind nur auf den ersten Blick kompliziert: Wenn Milbradt das klassische Spiel schloss reduzierte sich auch das Steueraufkommen im Freistaat.

Dies bedeutete am Ende des Tages allerdings nicht, dass dem Freistaat weniger Geld zur Verfügung stand. Die geringeren Steuereinnahmen wurden vielmehr über den Länderfinanzausgleich von den Geberländern, damals allen voran Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, kompensiert. Daher mussten die Bürger dieser Länder für die verfehlte Arbeitsmarktpolitik des Freistaates Sachsen herhalten.

Für Milbradt besaß diese Lösung zudem einen klaren Vorteil. Die Transferzahlungen der Geberländer unterlagen nicht der sozialen Zweckbindung. Über diese konnte der Freistaat Sachsen also frei verfügen.

Milbradt trug seine Entscheidung auf dem Rücken der Steuerzahler der reichen Bundesländer aus. Dass er damit etwa 100 sächsischen Familien die Lebensgrundlage entzog war dem streitbaren Professor egal. Seiner späteren Wahl zum sächsischen Ministerpräsidenten schadete dies jedenfalls nicht.

Aufgrund der hohen Einnahmen der Spielbanken hofften wir lange auf ein Einlenken des Finanzministers. Am Ende ließ er sich nicht überzeugen. Vielleicht lag das daran, dass er insgeheim andere Pläne verfolgte. Aber bisweilen schlägt das Leben seine eigenen Kapriolen. Nicht jeder Plan bleibt geheim.

An der Schließung des klassischen Spiels hielt Milbradt daher fest. Am Ende waren wir tief enttäuscht und ausgesprochen sauer. Wie konnte man als Minister derart unverantwortlich handeln? Aber wir mussten der Realität ins Auge sehen. Also beschlossen wir, unsere Haut so teuer wie möglich zu verkaufen und das Maximale für die Beschäftigten herauszuschlagen.

Die sich abzeichnende Konfrontation sollte sich jedoch viel dramatischer entwickeln als von uns prognostiziert. Wir wussten nicht, wie wenig sich das Ministerium von Milbradt sowie Teile der sächsischen Justiz für rechtsstaatliche Bindungen interessierten.

Nun machte sich Prof. Dr. Milbradt ans Werk. Personalentlassungen in größerem Umfang sind arbeitsrechtlich nicht einfach durchzusetzen. Zunächst musste die Spielbank mit ihrem Betriebsrat über einen Interessenausgleich verhandeln. Dieser legte fest, wann und wie die Entscheidung, das klassische Spiel zu schließen, umgesetzt wird. Vor einem Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich waren Kündigungen ausgeschlossen. Um dieses Verfahren in Gang zu setzen forderten die Spielbanken den Gesamtbetriebsrat auf, Verhandlungen über einen derartigen Interessenausgleich aufzunehmen.

Für uns bot sich damit die erste Gelegenheit für Muskelspiele. Unsere Betriebstemperatur lag aufgrund der bevorstehenden Kündigungen deutlich jenseits von 1000 Grad. Wir wollten die Verhandlungen so lange wie möglich verzögern. Für die Betroffenen bedeutete jeder Monat bares Geld, da die Löhne weitergezahlt werden mussten. Damit stieg der Druck auf die Spielbanken deutlich an.

Dienstag, 17. Februar 1998

Bislang ging unsere Strategie auf. Die letzten beiden Monate hatten wir damit verbracht, den Spielbanken Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Wir nutzten jede sich bietende formale Rechtsposition, über die man streiten konnte und ritten sie wie eine nicht endende Welle. Inhaltlich hatten wir immer noch nicht über einen Interessenausgleich gesprochen. Man konnte die entstandene Spannung deutlich fühlen. Unsere Gegner kochten.

Nun schienen sie ihre Nerven endgültig zu verlieren. Sie begannen ohne weitere Verhandlungen damit, die Betriebsräte zu den beabsichtigten Kündigungen anzuhören. Nach den betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen war dies unzulässig, was das sächsische Finanzministerium jedoch nicht zu stören schien. Warum auch sollten sich unsere Gegner die einschlägigen Gesetze berücksichtigen?

Mit einer gehörigen Menge Wut im Bauch reichte ich gegen die bevorstehenden Kündigungen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht ein und ging zum Gegenangriff über. Damit drohte eine gerichtliche Untersagung der Kündigungen. Dies machte unsere Gegner erst recht sauer.

Wenige Tage später erhielt ich einen erzürnten Anruf des Staatssekretärs im sächsischen Finanzministerium, Dr. Carl. Dieser forderte mich ultimativ auf, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurück zu nehmen. Seine Verärgerung war deutlich herauszuhören.

Mein Gesprächspartner war eine schillernde Persönlichkeit: In den 80er Jahren war Dr. Carl am Flughafen in Luxemburg erwischt worden, als er versuchte, Krügerrand-Goldmünzen aus Südafrika einzuschmuggeln. Dies brachte ihm den Spitznamen „Mr. Goldfinger“ ein. Mit dieser Qualifikation gelangte man problemlos im Ministerium von Prof. Dr. Milbradt in eine Führungsposition.

Ich besaß wenig Lust, mich am Telefon von Dr. Carl beschimpfen zu lassen. Wenn er nicht bereit war, sachlich zu diskutieren, sollte er besser mit der Wand reden. Daher erklärte ich ihm, wir würden unsere einstweilige Verfügung durchziehen und die Kündigungen erst einmal unterbinden. Danach legte ich auf.

Montag, 23. Februar 1998

Dr. Carl suchte weiter händeringend nach Alternativen. Dagegen waren wir fast ausschließlich auf Krawall gebürstet und hielten den Druck auf das Sächsische Finanzministerium hoch. Freunde brachte uns das sicherlich nicht ein.

Nun hatte ich den Staatssekretär erneut am Telefon. Er schlug vor, dass wir unsere Auseinandersetzungen vor einer betrieblichen Einigungsstelle austragen und dort über einen Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln. Offensichtlich hatte er sich vorher rechtlich beraten lassen.

Ich stimmte seinem Vorschlag unter einer Bedingung zu: Wir wollten den Vorsitzenden der Einigungsstelle bestimmen. Dieser besitzt eine herausragende Bedeutung. Er führt nicht nur die Verhandlungen, sondern verfügt im Fall eines Abstimmungspatts über die entscheidende Stimme.

Meine Wahl stellte eine bittere Pille für die Arbeitgeberseite dar, denn ich entschied mich für den Bremer Hochschulprofessor Dr. Wolfgang Däubler, eine Institution im Kampf um Arbeitnehmerrechte. Für uns war er eine Idealbesetzung.

Trotz aller Bedenken glaubte man im Finanzministerium, mit Prof. Dr. Däubler fertig zu werden.

Sonntag, 15. März 1998

Heute tagte die Einigungsstelle das erste Mal. Prof. Dr. Däubler war ein freundlicher Mensch, der leise schwäbisch sprach und dessen Haarpracht eher an den heutigen Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker, Sir Simon Rattle, erinnerte. Wir versprachen uns von ihm aufgrund seiner Erfahrungen wichtige Impulse für die beginnenden Verhandlungen. Prof. Dr. Däubler bemühte sich nach Kräften, zwischen unserem Lager und der Arbeitgeber zu vermitteln. Hierbei handelte es sich um eine Mammutaufgabe.

Wir nutzten dagegen das erste Aufeinandertreffen für eine Generalabrechnung mit den Vertretern der sächsischen Spielbanken. Die sich über Monate angestaute Spannung entlud sich in gleich mehreren schweren Gewittern. Es ging uns nicht um übertriebene Sachlichkeit. Jedenfalls hatte die Arbeitgeberseite aufgrund unserer zuvor einstudierten Choreographie sichtlich Probleme damit, überhaupt zu Wort zu kommen.

Weil es so nicht weiterging brach Prof. Dr. Däubler die gemeinsamen Verhandlungen ab und führte mit jeder Seite Einzelgespräche. Nur vereinzelt trafen wir in der Folgezeit noch mit unseren Gegnern zusammen.

Die Verhandlungen über einen Interessenausgleich verliefen mehr als zäh, was uns in die Hände spielte. Wir trafen uns einmal im Monat am Wochenende. Mit immer neuen Manövern hielten wir die Arbeitgeberseite hin. Wir entwickelten unser eigenes Konzept für die Zukunft der Spielbanken. Wir empfahlen einen attraktiveren Standort mit deutlich besserem Spielangebot und verlängerten Öffnungszeiten. Dafür brauchte man natürlich noch mehr Personal.

Immerhin gab es bei unseren Sitzungen etwas Warmes zu essen, meistens Pizza auf Bestellung auf Kosten der Arbeitgeberseite. Das Essen schmeckte wirklich lecker. Wer jedoch glaubte, dass sich damit unsere Angriffslust dämpfte, sah sich getäuscht.

Sonntag, 17. Januar 1999

Etwa 10 Monate hatten wir die Verhandlungen über einen Interessenausgleich verzögert. Das waren 10 Monate, in denen den Spielbankmitarbeitern nicht gekündigt werden konnte. In diesem Zeitraum erhielten sie ihren dringend benötigten Lohn weiter. Die Kosten hierfür lagen in einem hohen siebenstelligen Bereich. Dieses Zwischenergebnis konnte sich sehen lassen.

Eine Zäsur war längst überfällig. Nun stellte der Vorsitzende der betrieblichen Einigungsstelle Prof. Dr. Däubler das Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich fest. Die Arbeitgeberseite hatte all unsere Ideen, vor allem auch die Alternativkonzepte, abgelehnt.

Rechtlich konnten wir die Schließung des klassischen Spiels nicht länger torpedieren. Mit dem Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich war der Zeitpunkt gekommen, betriebsbedingte Kündigungen für knapp 100 Beschäftigte auszusprechen.

Unser Einverständnis zum Scheitern der Verhandlungen über den Interessenausgleich ließen wir uns teuer abkaufen. Die Spielbanken mussten sich im Gegenzug verpflichten, einen Sozialplan mit mindestens 3 Millionen DM zu dotieren. Der bisherige Vorschlag der der Arbeitgeberseite hatte noch bei 900.000 DM gelegen. Damit hatten wir ein Etappenziel erreicht.

Fast alle der von einer Kündigung Betroffenen waren zwischenzeitlich Mandanten von mir geworden. Dies erleichterte die Arbeit, da man sich nicht mit anderen Anwälten herumärgern musste. Ich reichte für meine Mandanten Kündigungsschutzklagen beim Arbeitsgericht Leipzig ein. Darin bezweifelte ich, dass das klassische Spiel endgültig geschlossen werden sollte. Immerhin erzielte der Freistaat Sachsen durch den Spielbetrieb hohe Einnahmen. Die Kündigungen seien daher sachlich nicht gerechtfertigt. Außerdem glaubten wir, dass die Schließung ausschließlich erfolgte, um Druck auf die Beschäftigten und deren Gehälter auszuüben. Wir waren sicher, dass man im sächsischen Staatsministerium der Finanzen insgeheim die Weiterführung des klassischen Spiels plante.

Sonntag, 21. Februar 1999

Unsere Verhandlungen vor der betrieblichen Einigungsstelle gingen derweil weiter. Nur dass diese sich nun mit dem Sozialplan befasste. Hier spielte die eigentliche Musik für die Beschäftigten. Aus dem Sozialplan ergab sich, welche Abfindung die Spielbanken für die Entlassung der Beschäftigung zahlen mussten. Wir hatten nicht vor, uns mit den bereits zugesagten 3 Millionen DM zufrieden zu geben.

Montag, 8. März 1999

Die Güteverhandlungen in den Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Leipzig brachten erwartungsgemäß kein Ergebnis. Unsere Versuche, die Spielbanken mit der Behauptung zu provozieren, dass die Schließung des klassischen Spiels nur vorübergehend erfolgte, um renitente Mitarbeiter loszuwerden, wies die Arbeitgeberseite entrüstet zurück. Selbstverständlich sei die Schließung des klassischen Spiels endgültig, teilte man uns wie eine tibetanische Gebetsmühle mit.

Mittwoch, 21. April 1999

Wir hatten noch eine weitere Möglichkeit gefunden, den Druck auf die sächsischen Spielbanken zu erhöhen. Bei den Gehaltszahlungen der Beschäftigten gab es ebenfalls Klärungsbedarf. Die Mitarbeiter des klassischen Spiels wurden schon seit Jahren auf höherwertigeren Positionen eingesetzt, erhielten hierfür aber nicht die geschuldete Vergütung. Die Gehaltsdifferenz betrug pro Einzelfall und Monat zwischen 200 und 500 Deutsche Mark.

Also bereicherte ich die Auseinandersetzungen mit 100 Vergütungsklagen für die Beschäftigten. Damit verdoppelten sich auf einen Schlag die beim Arbeitsgericht Leipzig anhängigen Verfahren. Zudem wurden die Betriebsräte immer streitbarer und zogen ebenfalls vor Gericht. Das Hemd der Beschäftigten verkaufte ich jedenfalls so teuer wie möglich.

Zugegeben, es war vielleicht doch keine so gute Idee, die sächsischen Spielbanken mit einer derartigen Vielzahl von Arbeitsgerichtsprozessen zu überziehen. Wir hatten zwar mit einer harten, am Ende aber fairen Auseinandersetzung gerechnet. Darin sollten wir uns gründlich täuschen. Man weckt nun einmal keinen schlafenden Riesen, ohne dass man nachhaltige Konsequenzen befürchten muss. Jedenfalls nicht in Sachsen.

Wie wir in den kommenden Monaten am eigenen Leib erfahren mussten begnügte sich der Freistaat Sachsen nicht mit der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung. Er warf etwas in den Ring das uns nicht zur Verfügung stand: sein staatliches Gewaltmonopol.

Warum auch sollte der Freistaat auf die Ausübung seiner Machtbefugnisse verzichten? Es lag näher, dass er uns zeigen wollte, wer wirklich die Hosen anhat.

Montag, 3. Mai 1999

Es war ein göttlicher Zufall, der wie Manna vom Himmel fiel. Was wir nie für möglich gehalten hatten, war geschehen. An diesem Tag erhielt ich einen Anruf eines Betriebsratsmitglieds. Dieser war auf einen dicken Leitz-Ordner mit Geheimplanungsunterlagen der sächsischen Spielbanken gestoßen. Aus diesen ergab sich eindeutig die Absicht unserer Gegner, das klassische Spiel fortzuführen. Die Unterlagen stammten aus dem Besitz des damaligen Direktors des Automatenspiels B., der das Projekt federführend betreute. Er erledigte die notwendigen Projektsteuerungsarbeiten über seine Privatanschrift.

Was wir sahen, haute uns von den Socken: Wir fanden Pläne für ein deutlich größeres und attraktiveres klassisches Spiel im Cosel-Palais in Dresden, mit Aktennotizen über Geheimtreffen am Leipziger und Frankfurter Flughafen, ferner Pläne eines Architekturbüros aus Darmstadt, Geheimanschriften, Geheimcodes und vieles mehr. Der Ordner las sich wie ein spannender Krimi. Die Geheimplanungen waren bereits weit fortgeschritten. Sie warteten nur noch auf den Zeitpunkt für die Umsetzung.

Wir hatten also mit unseren Vermutungen Recht und konnten unsere Gegner nun überführen. Diese Unterlagen würden den Druck auf den Freistaat sowie die Sozialplanverhandlungen deutlich erhöhen. Sie waren pures Gold. Auch unsere Nervosität stieg merklich an, denn es stellte sich die Frage, wie wir aus diesen Unterlagen am besten Kapital schlagen können.

Für das sächsische Finanzministerium und die Spielbanken bargen die Geheimplanungsunterlagen ein hohes Risiko. Wir konnten nun beweisen, dass die Spielbanken vor dem Arbeitsgericht in allen Verfahren die Unwahrheit vorgetragen hatten. Angeblich existierten ja keine Geheimplanungen

All dies entsprach nun nicht mehr der Wahrheit. Es handelte sich keinesfalls um ein Kavaliersdelikt, sondern um einen vielfachen versuchten Prozessbetrug, begangen durch die sächsischen Spielbanken, ein Staatsunternehmen.

Jeder Bürger des Freistaates wäre für dieses, meiner Meinung nach klar kriminelle, Vorgehen geradewegs im Gefängnis gelandet. Nicht so die Staatsdiener auf Seiten des Finanzministeriums sowie die Verantwortlichen der Spielbank. Leider gehen Politiker in solchen Fällen meistens straflos aus. Für sie gilt das Sonderrecht der Machtinhaber. Das Gesetz und damit das Rechtsstaatsprinzip richtet sich für diese Spezies allein gegen den Bürger.

Für uns war noch etwas Anderes klar: Ohne die Zustimmung des Finanzministeriums als Gesellschafter der Spielbanken wären diese Geheimplanungen nicht möglich gewesen. Im Aufsichtsrat vertrat u. a. Staatssekretär Dr. Carl die Interessen des Freistaates. An einen Alleingang der Spielbanken glaubte niemand mehr.

Dass auch Prof. Dr. Milbradt in die Geheimplanungen eingeweiht war, lag nahe. Schließlich wusste er wie kein anderer, wie viel Geld im klassischen Spiel verdient werden konnte, noch dazu bei größeren und besseren Rahmenbedingungen. Ironischerweise hatten die Spielbanken in ihren Geheimplanungen genau die vom Betriebsrat vor der betrieblichen Einigungsstelle gemachten Vorschläge aufgegriffen.

Den Besitz der Geheimplanungsunterlagen behielten wir zunächst für uns. Wir warteten auf den besten Zeitpunkt, um zuzuschlagen. Dieser sollte bald kommen. Immerhin standen Landtagswahlen an.

Freitag, 21. Mai 1999

Mit den Auseinandersetzungen zwischen der Spielbank und ihren Mitarbeitern befasste sich immer wieder die kritische Presse. Diese sah wegen der Vernichtung der Arbeitsplätze in einem strukturschwachen Bundesland Klärungsbedarf. Vor allem die Leipziger Volkszeitung sowie die sächsische Zeitung unterstützten uns.

Ich war gerade auf dem Rückweg von einem arbeitsrechtlichen Seminar in Düsseldorf. Bislang verlief die Fahrt ruhig. Nun klingelte das Telefon.

Als ich den Anruf entgegennahm meldete sich der Redakteur Wendt vom Nachrichtenmagazin Focus. Auch er hatte in den vergangenen Monaten die Auseinandersetzungen um die Schließung des klassischen Spiels kritisch begleitet.

Nachdem ich ihm ein Update über den aktuellen Stand unserer Verhandlungen gegeben hatte, sprach er eine deutliche Warnung aus. Wenn ich so weitermachen würde, müsse ich mit einem Besuch des Landeskriminalamtes rechnen. Der Freistaat Sachsen, so berichtete Wendt aus Erfahrung, sei im Umgang mit seinen Gegnern nicht zimperlich. Vor allem, wenn er massiv angegriffen wurde. Schon in anderen Fällen habe der Freistaat alles unternommen, um seine Gegner einzuschüchtern.

Ich fing schallend an zu lachen und erwiderte, der Freistaat Sachsen könne mir das Landeskriminalamt gar nicht schicken. Dafür bedürfe es triftiger Gründe. Schließlich hatte ich mir bei der Art und Weise, wie ich die Interessen der Beschäftigten vertrat, nichts vorzuwerfen. Daher nahm ich den Focus-Redakteur nicht ernst. Nein, so etwas gibt es in einem Rechtsstaat nicht, belehrte ich meinen Gesprächspartner.

Wendt war da ganz anderer Meinung. Wenn ich mit derselben Intensität meiner Angriffe weitermache werde ich schon sehen, warnte er mich eindringlich.

Wendt machte mich allerdings misstrauisch. Ich spürte, wie nun dunkle Wolken über uns aufzogen. Mir war klar, dass wir auf einem Pulverfass saßen, das zu explodieren drohte. Ich fragte mich, ob die Geheimplanungsunterlagen der sächsischen Spielbanken in meinem Büro überhaupt sicher waren.

Am Ende mahnten mich meine Zweifel zur Vorsicht. Ich gab dem Aktenordner mit den Geheimplanungen einen anderen Namen. Künftig hieß dieser Leberbach II. Auf den ersten Blick bestand daher keinerlei Beziehung zu den Spielbanken mehr.

Sonntag, 12. September 1999

Heute fand ein weiteres Treffen unserer betrieblichen Einigungsstelle statt. Es war der Tag gekommen, um in die Offensive zu gehen.

Schon gegen 9:30 Uhr traf ich mich mit einigen Betriebsräten vor dem Verwaltungsgebäude der Spielbanken in der Oststraße in Leipzig. Den Zeitpunkt für unsere Aktion hatten wir genau geplant. Eine Woche später fand in Sachsen die Landtagswahl statt. In diesem zeitlichen Kontext wollten wir zuschlagen.

Zu unserem Treffen luden wir zahlreiche Pressevertreter ein. Diesen zeigten wir, was wir in den letzten Monaten für uns behalten hatten: Die Geheimplanungsunterlagen der sächsischen Spielbanken. Wir präsentierten u. a. die Pläne für die einzelnen Spieltische im Cosel-Palais in Dresden und wiesen auf die viel größere Zahl der Spieltische hin. Ferner übergaben wir eine ausreichende Zahl von Kopien für die anwesenden Pressevertreter.

Da standen wir nun, umringt von Journalisten und Fernsehteams. Wir schimpften über unseren Verhandlungspartner, welche die Mitarbeiter der Spielbanken so schändlich verraten hatten. Unsere Gegner beobachteten aus dem ersten Stock des Verwaltungsgebäudes die Szenerie genau.

Damit sorgten wir vor der anstehenden Verhandlungsrunde für gewaltigen Sprengstoff. Natürlich befassten wir uns auf der Einigungsstellensitzung eingehend mit den Geheimplanungsunterlagen. Über der Arbeitgeberseite brach ein wahrer Orkan los, ein Feuerwerk der Emotionen, ein Inferno heftiger Attacken. Wir erwischten unsere Gegner natürlich auf dem falschen Fuß. Erklären wollte uns die Geheimplanungsunterlagen allerdings niemand. Der von den Spielbanken unternommene verzweifelte Versuch, diese als reine Fiktion bzw. Erfindung abzustempeln, war zum Scheitern verurteilt. Die Dokumente sprachen längst für sich.

Montag, 13. September 1999

Wir wussten nicht ob wir an diesem Tag triumphieren oder uns Sorgen machen sollten. Für die Medien waren die Geheimplanungen ein gefundenes Fressen. „Falschspiel auf höchster Ebene“, so und ähnlich lauteten die Schlagzeilen, die quer durch Sachsen und Sachsen-Anhalt gingen. Unser Timing hatte unsere Gegner im Mark getroffen.

Diese Runde ging an uns, aber leider schlägt man einen Gegner wie den Freistaat Sachsen nicht umsonst. Dass es eine Reaktion geben würde, war uns klar. Nur über das Wie spekulierten wir noch.

Grundsätzlich sind Siege gegen die herrschende Kaste mit Vorsicht zu genießen. Man kann hier nicht unbedingt Fairness erwarten. Deren Machtbefugnisse führen ihre Vertreter oft genug in Versuchung. Ein Sieg stellt daher nur eine Momentaufnahme dar. Er verwandelt sich schneller in eine Niederlage als einem lieb ist. Dass der Gegenschlag des Ministeriums Milbradt mit aller Härte und ohne Rücksicht auf rechtsstaatliche Mindeststandards ausgeführt würde, sollte mir schnell klarwerden.

Freitag, 24. September 1999

Die Reaktion des Freistaats ließ nicht lange auf sich warten: Fünf Tage nach der Landtagswahl machte ein fünfzehnköpfiges Begrüßungskommando des von der Staatsanwaltschaft Dresden eingeschalteten Landeskriminalamtes morgens um 7 Uhr unfreundlich und druckvoll an meiner Hauseingangstür auf sich aufmerksam. Während der Auseinandersetzungen um den Erhalt des klassischen Spiels verspürte ich damals oft panische Angst, denn ich wusste nicht, wie weit meine Gegner gehen würden.

Als ich schließlich die Tür öffnete, erschienen gleich zwei Staatsanwälte, die mir in Begleitung der schwer bewaffneten Beamten des Landeskriminalamtes einen Durchsuchungsbeschluss vorlegten. Diesen hatte das Amtsgericht Leipzig kurz zuvor erlassen. Darin wurde ich zum „Kopf einer kriminellen Vereinigung“ befördert. Das war eine zweifelhafte Ehre.

In meiner Wohnung befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch meine damalige Exfrau, ihre Schwester und meine zweijährige Tochter Carmen. Außer mir verfügten alle über eine ekuadorianische Staatsbürgerschaft. Die Aktion des Landeskriminalamtes erinnerte mich an eine Bananenrepublik, in der es keinerlei Schutz gegenüber der Staatsgewalt gab. Nur dass deren Epizentrum nicht am südamerikanischen Äquator, sondern im Leipziger Stadtteil Gohlis lag.

Man warf mir allen Ernstes vor, mit anderen Spielbankmitarbeitern zusammen im großen Stil im klassischen Spiel betrogen zu haben. Das war völlig an den Haaren herbeigeholt. Mein Geld war mir immer schon zu schade, um es auf irgendwelchen Spieltischen verschwinden zu lassen. Das wussten meine Gegner natürlich auch. Denn mit der in den Spielbanken eingesetzten Überwachungstechnik konnte man leicht feststellen, dass ich nie am Spielbetrieb teilnahm. Als Arbeitsrechtler wollte ich lediglich die einzelnen Abläufe verstehen, was mir in den anhängigen Verfahren wieder zugute kam.

Wirft man einen Blick ins Strafgesetzbuch, so stellt man fest, dass der Vorwurf, Mitglied oder gar Kopf einer kriminellen Vereinigung zu sein ähnlich schwer wiegt wie der Vorwurf des Terrorismus. Dafür müssten eigentlich begründete Anhaltspunkte bestehen. Diese waren weit und breit nicht zu sehen. Mir half das offensichtlich nicht. Nun war ich der Christian Klar unter den Anwälten.

Wie sich herausstellte, hatte ein Abteilungsleiter aus dem Finanzministerium von Prof. Dr. Milbradt auf dessen Weisung hin Strafanzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft Dresden beantragte anschließend den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses. Das war die Staatsanwaltschaft vor der Haustür von Prof. Dr. Milbradt. Dies versprach immerhin kurze Dienstwege. Es bestätigt ferner, dass die Führung des Finanzministeriums die Geschehnisse um die Spielbanken steuerte.

Die Staatsanwaltschaft suchte einen Brief, den ein Betriebsratsmitglied an mich geschrieben haben sollte und der mich angeblich belastete. Darin standen so wunderbar strafbare Dinge wie die Aufforderung, mir noch mehr Gerichtsverfahren für die Spielbankmitarbeiter einfallen zu lassen. Selbst dies wäre keineswegs strafbar gewesen, es sei denn, man betrachtet die Angelegenheit aus dem Blickwinkel unserer Gegner. Eine Kopie dieses Briefes hatte man bezeichnenderweise im Nachlass des wenige Wochen zuvor verstorbenen Geschäftsführers der Spielbanken, Fendel, gefunden. Was für ein Zufall.

Wieso der Brief nicht bereits früher auftauchte und nie in den Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan vorgelegt wurde, fragte sich auf Seiten des sächsischen Finanzministeriums und der Staatsanwaltschaft Dresden niemand. Auch war es nicht der erste vermeintlich belastende Brief, der sich im Besitz des Geschäftsführers Fendel befand. Schon früher hatte dieser Betriebsräte mit anonymen Briefen belastet. Hier galt die Devise: Der Zweck heiligt die Mittel. Für unsere Gegner gab es kein Niveau, das nicht unterschritten werden konnte.

Es spielte zudem keine Rolle, dass das Landeskriminalamt in Dresden im Rahmen einer „inhaltlichen und kriminaltechnischen Auswertung“ vom 20. August 1999 folgerichtig massive Zweifel an der Authentizität dieses Schreibens geäußert und ihm jegliche strafrechtliche Relevanz abgesprochen hatte. Natürlich wussten dies auch unsere Gegner im sächsischen Finanzministerium. Dies hinderte sie sowie die Staatsanwaltschaft Dresden dennoch nicht daran, gegen mich vorzugehen. Als Inhaber des staatlichen Gewaltmonopols entschieden sie darüber, wer als Straftäter stigmatisiert und entsprechend verfolgt wird.

Neben mir bildete noch das Betriebsratsmitglied J. einen Teil der „kriminellen Vereinigung“. Und gerade hier traten weitere Merkwürdigkeiten auf, die typisch sind: Nach den strafrechtlichen Bestimmungen setzt eine kriminelle Vereinigung mindestens drei Personen voraus. Die Staatsanwaltschaft Dresden hatte aber nur zwei Verdächtige. Dies reicht also nicht aus. Schon deshalb war an den Vorwürfen nicht das Geringste dran.

Die dritte Person, die das Ganze erst zu einer „kriminellen Vereinigung“ gemacht hätte, lernte ich trotz intensiver Nachforschungen bis zum heutigen Tag nicht kennen. Selbst dem Freistaat mit all seinen Erkenntnismöglichkeiten gelang es nicht, diesen herbeizuzaubern. Damit fiel das Konstrukt einer kriminellen Vereinigung eigentlich in sich zusammen. Den Richter, der den Durchsuchungsbeschluss unterzeichnet hatte, störten diese Bedenken nicht.

Nachdem bisherige Einschüchterungsversuche unserer Gegner nicht zum Ergebnis geführt hatten, versuchte man es nun mit härteren Bandagen. Was die Dresdner Staatsanwaltschaft suchte, war mir sofort klar. Es ging um die Geheimplanungsunterlagen. Aus meiner Sicht wollte das sächsische Finanzministerium diese beschlagnahmen und anschließend verschwinden lassen. Nur blieb der belastende Aktenordner anlässlich der gerichtlichen Durchsuchung meiner Wohnung und meiner Kanzlei unauffindbar.

Bei einer derartigen Durchsuchung durfte die Staatsanwaltschaft nicht beliebig viele Anwaltsakten einsehen bzw. beschlagnahmen. Notwendig war, dass sich diese mit den Spielbanken befassten. Das Durchsuchungskommando nahm aus meiner Kanzlei alle Prozessakten der Beschäftigten sowie den Ordner mit den Protokollen der Einigungsstelle mit. Damit wollte man unsere Verteidigungsfähigkeit vor den Arbeitsgerichten und der Einigungsstelle aushebeln. Ohne Prozessakten gibt es kein rechtsstaatliches Verfahren. Die LKA-Beamten schauten in jede Akte, auf der die Spielbanken als Gegner vermerkt waren.

Neben den Spielbankenakten stand noch ein weiterer Ordner einsam vor sich hin. Das war nun irgendwie komisch. Dieser Ordner hieß „Leberbach II“. Die LKA-Beamten würdigten ihn keines Blickes. Dabei befand er sich so dicht vor ihrer Nase.

Die Geheimplanungsunterlagen blieben spurlos verschwunden. Insofern brachte die ganze Aktion für die Staatsanwaltschaft Dresden und das sächsische Finanzministerium nichts. Für uns war es oberstes Ziel, dass die Geheimplanungsunterlagen nicht in die Hände unserer Gegner fallen. Sicherlich hätte sie in diesem Fall ein vorschnelles Schicksal im Reißwolf ereilt. Ohne diese Unterlagen konnten wir nichts beweisen.

Die Aktion war wie ein Déjà-vu: Der Focus-Redakteur Wendt hatte mir noch wenige Monate zuvor genau dies Aktion des Landeskriminalamtes angekündigt. Noch heute höre ich seine mahnenden Worte. Nun war mir das Lachen gründlich vergangen. Wenn man so schnell zum Kopf einer kriminellen Vereinigung befördert werden konnte und mit hanebüchenen Vorwürfen ein Durchsuchungsbeschluss gegen mich erlassen werden kann, war was faul in unserem Rechtsstaat. Dieser mutierte zunehmend zu einer Fantasiegestalt, die sich mit der Morgendämmerung in Nichts auflöst. Werde erst mal erwachsen und hör auf zu träumen, dachte ich mir damals.

Bezeichnenderweise konnte sich der Richter des Amtsgerichts Leipzig schon wenige Tage, nachdem er den Durchsuchungsbeschluss unterzeichnet hatte, nicht mehr an den Vorgang erinnern. Als sei es im Freistaat Sachsen völlig normal, einen Durchsuchungsbeschluss gegen einen Rechtsanwalt zu erlassen. Immerhin werden Anwälte in ihrer Berufsausübung durch das Grundgesetz und die Landesverfassungen besonders geschützt. So jedenfalls die Theorie. Aber dies schien den Ermittlungsrichter nicht weiter zu tangieren.

Vielleicht hatte ihn auch nur die Tatsache, dass der Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses von seinem Dienstherrn, dem Freistaat eingereicht worden war, zur schnellen Ausführung motiviert. Das ist leider oft traurige Realität. Wenn man in Sachsen Karriere machen will darf man seinem Dienstherrn einen derartigen Wunsch nicht ausschlagen. Sonst landet man schnell auf dem ewigen Abstellgleis.

Einige werden sich noch daran erinnern: Es gab einmal einen sächsischen Justizminister Heitmann, der wiederholt Gerichtsakten angefordert und diese mit persönlichen Vermerken versehen hatte[1]. Ihm wurde vorgeworfen, auf die Beurteilung von Richtern Einfluss genommen zu haben, je nachdem, ob ein Urteil seinen Vorstellungen entsprach oder nicht. Am Ende entschied er darüber, welcher Richter geeignet war, höhere Aufgaben wahrzunehmen. Dies waren zweifelhafte Aussichten für so manchen unabhängigen Richter.

Wäre mir noch ein Fünkchen Humor verblieben, hätte ich über die Verzweiflungstat meiner Gegner vielleicht lachen können. Denn etwas Anderes war die Durchsuchungsaktion eigentlich nicht. Den ungeheuren Vorwurf konnte ich allerdings nicht auf mir sitzen lassen. Es handelte sich eben nicht um eine Lappalie, sondern einen schwerwiegenden, rechtsstaatswidrigen Fauxpas. Unsere Gegner zeigten ihre hybride Sicht auf unsere Verfassung.

Gegen den vom Amtsgericht Leipzig erlassenen Durchsuchungsbeschluss legte mein Strafverteidiger Curt-Mathias Engel Beschwerde beim Landgericht Leipzig ein.

Nun musste ich feststellen, dass die sächsische Justiz sehr eigenwillige, für den Außenstehenden kaum nachvollziehbare Wege geht. Das Landgericht hielt den Durchsuchungsbeschluss nämlich für gerechtfertigt. Zwar sei der Vorwurf, Kopf einer kriminellen Vereinigung zu sein eher unwahrscheinlich. Es könne jedoch Untreue vorliegen, so das Gericht.

Dieser – schlicht und ergreifend absurde Vorwurf, für den es nicht einmal in der Anzeige des sächsischen Finanzministeriums Anhaltspunkte gab – sollte nun den Durchsuchungsbeschluss rechtfertigen. Dass hierfür eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der sächsischen Spielbanken GmbH & Co.KG vorliegen muss kommentierte das Landgericht mit keinem Wort. Auch nicht, wie eine derartige Pflicht entstanden sein sollte.

Was hatte ich mit den Einnahmen der Spielbanken zu tun? Noch dazu, wo ich nie am Spielbetrieb teilnahm. Es ging dem Landgericht vielleicht auch nur darum, das Handeln des sächsischen Finanzministeriums zu rechtfertigen. Jedenfalls drängte sich mir dieser Eindruck damals auf.

Notfalls beruft man sich auf „alternative Fakten“, um einen Begriff aus dem Lager des heutigen US-Präsidenten Trump zu verwenden. Dies macht die Sache jedoch nicht wirklich besser. Für mich war dies jedenfalls eine klare Rechtfertigungsrechtsprechung zugunsten des eigenen Dienstherrn.

Ich war wie vor den Kopf geschlagen.

Ihr eigentliches Ziel, in den Besitz der Geheimplanungsunterlagen zu gelangen, blieb der Staatsanwaltschaft Dresden und dem sächsischen Landeskriminalamt versagt. Wir blieben trotz gegenteiliger Verlautbarungen handlungsfähig und holten nach einer kurzen Verschnaufpause wieder zum Gegenschlag aus.

Wir legten nun vor dem Arbeitsgericht Leipzig die Geheimplanungsunterlagen der Spielbanken vor und bewiesen damit, dass von einer endgültigen Stilllegungsabsicht entgegen der vehementen Beteuerungen unserer Gegner nicht gesprochen werden konnte. Diese ist jedoch Voraussetzung dafür, dass die Kündigungen einer rechtlichen Überprüfung standhalten. Gleichzeitig zogen wir den Freistaat durch eine Streitverkündigung in die beim Arbeitsgericht anhängigen Verfahren ein. Unsere Gegner brachte das in eine unangenehme Lage. Nicht nur, dass sie nun 100 Postzustellungen von den Arbeitsgerichten erhielten, was sie noch nervöser machte. Schwerwiegender war die Entwicklung, welche die Arbeitsgerichtsverfahren nun für sie genommen hatten. Ab jetzt ging es für sie nicht nur um die Wirksamkeit von Kündigungen, sondern um versuchten Prozessbetrug.

Am Ende war ich heilfroh über die Warnung des Focus-Redakteurs Wendt. Und ich hatte ihn ausgelacht. Er kannte meine Gegner besser.

Montag, 27. September 1999

Der Freistaat Sachsen zögerte keine Sekunde und schoss aus allen Rohren. Obwohl die gerichtlich angeordnete Durchsuchung eigentlich nur in der Staatsanwaltschaft Dresden, dem Landeskriminalamt und dem sächsischen Finanzministerium bekannt war, berichtete die Boulevardpresse wie BILD und die Dresdner Morgenpost detailreich über die Durchsuchung. Sie überbot sich darin, mich als kriminellen Rechtsanwalt darzustellen, der durch die Vorwürfe massiv belastet wird. Das war nun wirklich jenseits des Erträglichen.

Damals fragte ich mich in all meiner Naivität, wie diese Vorwürfe nach außen gelangen konnten. Heute weiß ich es besser: Diese Zeitungen werden vom Freistaat als verlängerter Arm zur Beeinflussung der Öffentlichkeit sowie zur Erledigung der Schmutzarbeit benutzt. Sie betätigen sich als Steigbügelhalter der herrschenden Kaste. Die Boulevardpresse greift ihr zugespielte Informationen nur zu gerne auf. Ihr geht es ausschließlich darum, ihre Auflage mit einer möglichst kernigen Aufmachung zu steigern. Für die Wahrheit interessieren sich deren Redakteure eher am Rande. Aufgrund ihrer systemtreuen Berichterstattung vertrauen sie darauf, künftig weitere Hintergrundinformationen zu erhalten.

Der Freistaat besaß jedenfalls den festen Willen, die gegen mich gerichteten Vorwürfe umfassend auszuschlachten. Dies erfolgte sogar mit System, wie ich wenige Wochen aufgrund einer Einsichtnahme in die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Dresden feststellen musste. Dabei wurde ich auf einen Aktenvermerk des Staatssekretärs Dr. Carl vom 9.7.1999 aufmerksam. Dieser beschrieb den Inhalt eines Gesprächs mit Finanzminister Prof. Dr. Milbradt. Darin hieß es:

„besprechen Sie bitte, ob und wie die Vorwürfe in den anhängigen Verfahren bzw. in den beabsichtigten Verfahren, dem Verfahren vor der Einigungsstelle und in sonstiger Weise verwendet werden können. In dem Gespräch mit dem Minister wurde zum Beispiel an eine Übersendung an die Rechtsanwaltskammer und die Staatsanwaltschaft gedacht“.

Da war er also, der Aufruf von Prof. Dr. Milbradt zum öffentlichen Lynchmord.

In den folgenden Monaten wurde ich dann tatsächlich von der Boulevardpresse, in der betrieblichen Einigungsstelle und vor den Arbeitsgerichten in geradezu hemmungsloser Weise diffamiert und immer wieder wie ein Aussätziger behandelt. Der Initiator der Aktion, Prof. Dr. Milbradt, blieb dagegen von jeglicher strafrechtlichen Verfolgung verschont. Sein in dem Aktenvermerk von Dr. Carl festgehaltener Wunsch war eine klare Anstiftung zur Verleumdung. Aber welcher Ermittlungsbeamte geht schon gegen den eigenen Minister vor, ohne damit seine Karriere aufs Spiel zu setzen? Nein, für diese Herren gilt ein Zweiklassenrecht.

Das Ziel der Aktivitäten des sächsischen Finanzministeriums war völlig klar: Durch die massiven Anschuldigungen wollte man mich in der Öffentlichkeit unmöglich machen und mir so die Grundlage zur Akquisition neue Mandate, auf die ich zu meiner Refinanzierung angewiesen war, entziehen. Wirtschaftlich sollte ich ausbluten. Auf eine rechtlich saubere Auseinandersetzung konnte und wollte man nicht vertrauen.

Dienstag, 12. Oktober 1999

Für unseren Kampf um den Erhalt des klassischen Spiels warben wir auch bei Politikern des sächsischen Landtags. Diese wollten wir detailliert über die Geheimplanungen informieren und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses anregen. Wir planten ein Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden der SPD und der Linken.

Nun fuhr ich mit den Betriebsratsmitgliedern J. und G. zum sächsischen Landtag. Schon in der Tiefgarage in Leipzig bemerkten wir ein größeres Aufgebot an Zivilfahndern, die unser Treiben genau beobachteten.

Merkwürdigerweise kannten unsere Gegner unser Vorhaben. Ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft Dresden damals unsere Telefone abhören ließ. Dies ist gegenüber einem zur Berufsverschwiegenheit verpflichteten Anwalt aufgrund strenger rechtsstaatlicher Vorgaben zwar schwierig, in Sachsen jedoch nicht unmöglich.

Die Ermittlungsbehörden interessierten sich daher nicht weiter für derartige Hindernisse. Und sie mussten sich so manchen Spott gefallen lassen. In meinen Telefonaten mit den Betriebsräten begrüßte ich stets zu Beginn unsere vermeintlichen Zuhörer vom Landeskriminalamt und ließ so manchen Spaß über sie los. Wie gut dass es damals schon so manchen deftigen Polizistenwitz gab.

Ich war mir zudem sicher, dass das Landeskriminalamt meinen Audi verwanzt hatte. Das sollte uns jedoch nicht daran hindern, die Fahrt nach Dresden zu genießen. Wir hörten Lieder von Konstantin Wecker. Ein Lied hatte es uns besonders angetan: „Wenn ich erst Minister bin. Mit Büro und Illusionen…“

Ich weiß nicht wie oft wir dieses auf der Fahrt hörten. Schließlich wollten wir unseren Freunden vom Landeskriminalamt etwas bieten. Unser Gesang war wahrscheinlich ebenso unerträglich wie die hohe Lautstärke bei der ständigen Wiedergabe dieses Liedes.

Das Treffen mit den Fraktionsvorsitzenden Jurk von der SPD sowie Prof. Dr. Porsch von der Fraktion der Linken verlief freundlich. Man sagte uns die nötige politische Rückendeckung zu. Geschehen ist allerdings wenig. Wirkliche Opposition gab es im Freistaat nicht.

Von der CDU holten wir uns dagegen eine heftige Abfuhr. Man war nicht bereit, mit „Kriminellen“ wie uns ein Gespräch zu führen. Die Vertreter dieser Partei informierten sich offensichtlich über die Boulevardpresse. Zu einer politischen Teilhabe waren sie nie bereit.

Für mich als eher konservativer Mensch stellte die Ablehnung der CDU eine bemerkenswerte Erfahrung dar. Um politisch etwas erreichen zu können musste ich mich an deren Gegner wenden. Diese besaßen für unsere Mahnungen, rechtsstaatliche Vorgaben zu gewährleisten ein offenes Ohr.

All das passte so gar nicht in mein politisches Weltbild. In all den Jahren, in denen ich in Sachsen tätig war, interessierte sich die Linke am meisten für die Bedürfnisse der Menschen. Die Verteidigung des Rechtsstaates konnte man dagegen von der regierenden Kaste nicht erwarten. Diese zeigte sich am wenigsten an rechtsstaatlichen Bindungen interessiert. Verkrustete Machtstrukturen trugen ihren Teil zur Entwicklung bei. Die langjährige Herrschaft einer Partei war demokratischen Prozessen noch nie förderlich.

Montag, 18. Oktober 1999

Ich war nicht bereit, den schwerwiegenden Eingriff in meine Berufstätigkeit, der mit dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Leipzig verbunden war, hinzunehmen. Wenn der Freistaat Sachsen so gegen missliebige Rechtsanwälte vorgeht, ist der gesamte Rechtsstaat bedroht. Das entsprach immer meiner felsenfesten Überzeugung.

Bei der Rechtsanwaltskammer Sachsen warb ich ebenfalls um Unterstützung. Dort schienen sich linientreue Rechtsanwälte allerdings in der Überzahl zu befinden. Ich spürte förmlich meine Stigmatisierung durch die vom Freistaat in der Öffentlichkeit breitgetretenen Vorwürfe. Von der Rechtsanwaltskammer erhielt ich nichts als heiße Luft. „Man wolle den weiteren Gang der Ermittlungen abwarten und der Arbeit der Justizbehörden nicht vorgreifen“, lautete die Antwort.

Dies war gelinde gesagt eine eiskalte Abfuhr. Die Rechtsanwaltskammer verweigerte mir damit die begehrte Unterstützung. Das waren ausgesprochen bittere Nachrichten von der Organisation, welche Anwälten eigentlich unterstützend zur Seite stehen sollte. Wie ich in der Folgezeit feststellen musste, entpuppte sich auch ein großer Teil der Anwaltschaft als absolut linientreu. Die Kollegen waren nicht bereit, über den Tellerrand zu schauen.

Denn erwartungsgemäß trat auch ein Teil meiner Anwaltskollegen in Leipzig die Vorwürfe breit. Gerade vor dem Arbeitsgericht Leipzig musste ich mir Einiges anhören. Ich sei eine Schande für den Berufsstand und müsse aus der Anwaltschaft ausgeschlossen werden, so ein Anwalt, der gelegentlich die sächsischen Spielbanken vertrat.

Keiner dieser „Kollegen“ hatte mit mir das Gespräch gesucht, sondern blind die Darstellungen von BILD und Morgenpost blind übernommen. Nur ein Anwaltskollege machte mir Mut. Er klopfte mir auf die Schulter und meinte, ich dürfe mir das nicht gefallen lassen. Es war nur einer von etwa 900 Anwälten, die damals in Leipzig ihrem Beruf nachgingen.

Der Freistaat wusste besser, wie man die öffentliche Meinung beeinflusst. Hierin liegt sicherlich einer der Gründe, warum das Finanzministerium mit einem Federstrich Strafanzeige gegen mich erstattet hatte. Das war seine Art, mit Gegnern umzugehen. Meine Gegner besaßen bei dieser Art der Auseinandersetzungen offensichtlich eine größere Erfahrung.

Vor der betrieblichen Einigungsstelle behandelten uns die Vertreter der Spielbanken fortan wie Kriminelle. Dabei sollte man es dort eigentlich besser wissen. Gefördert hat dies die Verhandlungen über einen Sozialplan sicherlich nicht.

Die Einigungsstelle kam zum Stillstand. Aufgrund der erfolgten Durchsuchung waren wir nicht mehr bereit, konstruktiv zur Sache zu verhandeln. Warum sollten wir über eine Schließung des klassischen Spiels sprechen, wenn der Freistaat längst Alternativkonzepte besaß?

Die sächsischen Spielbanken ruderten in der Folgezeit gewaltig zurück und distanzierten sich von ihren Geheimplanungen. Das seien reine Gedankenspiele. Nur dass diese – wie die Gesprächsprotokolle und die Ausführungspläne der Architekten bewiesen – sehr weit gediehen waren. Sie standen unmittelbar vor der Umsetzung. Und wahrscheinlich hatten diese Gedankenspiele bereits viel Geld verschlungen.

Dienstag, 16. November 1999

Für mich besaßen die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen noch weitergehende Konsequenzen. Damals arbeitete ich mit zwei Insolvenzverwaltern in einem Büro zusammen. Diese sahen die Entwicklungen mit großer Sorge.

Insolvenzverwalter erhalten ihre Aufträge vom örtlichen Insolvenzgericht. Sie benötigen einen einwandfreien Leumund, der keine Zweifel an ihrer beruflichen Integrität zulässt. Die Zusammenarbeit mit einem Rechtsanwalt, gegen den als Kopf einer kriminellen Vereinbarung ermittelt wird, ließ sich mit diesen Anforderungen nicht vereinbaren. Nun forderten meine Kollegen mich auf, die Kanzlei zu verlassen. In den vergangenen Wochen hatte die Durchsuchung bereits zu gewaltigen Spannungen geführt.

Mit derart massiven Auswirkungen hatte ich nicht im Entferntesten gerechnet. Meinen Gegnern wird das egal gewesen sein. Für meine anwaltliche Tätigkeit bedeutete die Trennung von meinen Kollegen allerdings, dass ich künftig von deren Aufträgen abgeschnitten war. Damit ging mir ein erheblicher Teil meiner Einnahmen verloren. Dem Freistaat kann dies nur recht gewesen sein.

Montag, 11. Dezember 1999

Innerlich brannte es in mir. Ich dachte nicht daran, gegenüber dem sächsischen Finanzministerium sowie der Staatsanwaltschaft Dresden einzulenken. Mein Glaube an die Geltung des Grundgesetzes war noch nicht gebrochen. Also klagte ich beim sächsischen Verfassungsgerichtshof gegen den vom Amtsgericht Leipzig erlassenen Durchsuchungsbeschluss.

Ich forderte, diesen wegen der massiven Eingriffe in meine Persönlichkeitssphäre sowie die Freiheit der Berufsausübung für verfassungswidrig zu erklären. Das höchste sächsische Gericht musste sich nun also sich mit der Vorgehensweise meiner Gegner befassen. Ich verband dies mit der Hoffnung, dass künftig verfassungsrechtliche Grenzen von Teilen der sächsischen Staatsregierung respektiert würden.

Freitag, 17. Dezember 1999

Die Ermittlungen des sächsischen Landeskriminalamts gingen mit aller Intensität weiter. Man drehte jeden Stein zweimal um, um darunter etwas Belastbares zu finden. Dabei spielte meinen Gegnern der tragische Tod des ehemaligen Geschäftsführers der Spielbanken, Fendel, in die Karten. Zum Sterben war dieser mit seinen knapp 44 Jahren noch viel zu jung.

Ich sehe noch heute, wie Fendel mehrere Monate zuvor von seiner Ehefrau auf den Parkplatz am Verwaltungssitz der Gesellschaft gefahren wurde. Sie streichelte ihm liebevoll den Hinterkopf und machte ihm für die Verhandlungen, die ihn bislang sicherlich viel Kraft gekostet hatten, Mut. Es war eine schöne Geste. Immerhin musste dieser Mann so Einiges einstecken. Die Abschiedsszene mit seiner Frau ist mir in Erinnerung geblieben. Drei Wochen später verstarb Fendel unerwartet.

Die Staatsanwaltschaft prüfte nun, ob ich seinen Tod verursacht hatte. Jedenfalls weitete sie ihre Ermittlungen aus. Entsprechende Hinweise finden sich in den Ermittlungsakten. Ich war einmal mehr schockiert. Meine Gegner waren bereit, das Undenkbare zu denken bzw. danach zu handeln. Was würden sie noch alles unternehmen, um mich zur Strecke zu bringen?

Allerdings gab es in den Krebsbefund Fendels nichts zu interpretieren, was eine Beteiligung meinerseits definitiv ausschloss. Fendel stammte aus einer vorbelasteten Familie. Das war tragisch, ermittlungstaktisch jedoch hinzunehmen.

Für die Sozialplanverhandlungen stellte sein Tod einen Wendepunkt dar. Mit Wolfgang Bildstein trat nun ein neuer, unbelasteter Geschäftsführer auf, der zuvor schon bei der Leipziger Messegesellschaft positiv auf sich aufmerksam gemacht hatte.

Bildstein war ein vernünftiger Mann. Er dachte nicht daran, die Fehler seines Vorgängers zu wiederholen. Er beobachtete lange und bildete sich seine eigene Meinung. Es gelang Bildstein in vielen Einzelgesprächen, langsam Vertrauen zu bilden und die Kommunikation wieder in Gang zu setzen. Dass die Spannungen später nachließen war vor allem sein Verdienst.

Sonntag, 16. Januar 2000

Die Zusage der Spielbanken, mindestens 3 Millionen DM für den Sozialplan bereitzustellen, war ein Meilenstein. Aber wer sagte, dass es nicht noch ein besseres Ergebnis erzielt werden konnte? Da viele Spielbanker nach Schließung des klassischen Spiels in Sachsen nicht mehr in einer Spielbank arbeiten konnten, forderten wir vor der Einigungsstelle höhere Entschädigungsleistungen, die auch Umzüge, notfalls ins Ausland, abdeckten. Das war völlig legitim.

An diesem Tag wollten die Verhandlungen wieder einmal nicht enden. Noch spät in der Nacht saßen wir in unserem Verhandlungsraum. Der Vorsitzende unserer Einigungsstelle, Prof. Dr. Däubler, hatte mit Pendeldiplomatie versucht, die Verhandlungen voranzutreiben. Gerade bei der Arbeitgeberseite musste er viel Überzeugungsarbeit leisten.

Am heutigen Tag konnten unsere Gegner auf hochkarätige Unterstützung zurückgreifen. Mit dem Staatssekretär aus dem Finanzministerium Dr. Carl und dem Abteilungsdirektor Spielbanken M. waren gleich zwei hohe Ministerialbeamte zugegen.

Zu später Stunde platzte Dr. Carl der Kragen. Er erschien wutschnaubend in unserem Beratungszimmer und kanzelte uns ab. Dabei ließ er sich zu massiven Drohgebärden hinreißen. Wir hätten die Mitarbeiter der Spielbanken verraten. Man könne außerdem „für unsere körperliche Unversehrtheit nicht mehr garantieren, wenn wir nicht umgehend einlenken“, so Dr. Carl.

Wenn man das nicht selbst erlebt hat, kann man es nicht glauben. Es war schockierend und absolut unfassbar: Dr. Carl bedrohte uns tatsächlich mit der Ausübung massiver körperlicher Gewalt, im schlimmsten Fall möglicherweise sogar mit dem Tod. Und was noch unfassbarer war: Er besaß überhaupt keine Probleme damit, dies vor 25 Betriebsräten sowie dem Vorsitzenden der Einigungsstelle zu äußern. Er meinte es offensichtlich ernst.

Prof. Dr. Däubler erklärte später, so etwas habe er in seiner ganzen Laufbahn noch nicht erlebt. Aber in Sachsen gingen die Uhren nun einmal anders.

Jedenfalls spricht die Äußerung Carls Bände über das Staatsverständnis im sächsischen Finanzministerium sowie die Art und Wiese, wie der Freistaat seine Verhandlungen führt. Es geht ihm ausschließlich darum, seine ehrgeizigen Verhandlungsziele zu erreichen, auch wenn die Gerechtigkeit dabei auf der Strecke blieb. Wir besaßen keine Zweifel daran, dass unsere Gegner es ernst meinten.

Schon länger rechneten wir mit einer empfindlichen Reaktion des Freistaats. Immer wieder hörten wir von vermeintlich guten Beziehungen zwischen den Spielbanken und dem kriminellen Milieu.

Die Gründe hierfür sind einfach: Staatliche Spielbanken befriedigen eines der wichtigsten Bedürfnisse der organisierten Kriminalität, nämlich die Geldwäsche. In öffentlichen Spielbanken verläuft der Rückfluss von Schwarzgeld in den ordentlichen Wirtschaftskreislauf weitestgehend verlustfrei. Der Staat schaut nicht nur dabei zu, er profitiert sogar von dieser Art der Zusammenarbeit.

Vor allem das französische bzw. das amerikanische Roulette bilden exzellente Möglichkeiten, um Schwarzgeld reinzuwaschen. Bedeckt man sämtliche Zahlenfelder mit einem Jeton, wird eins der Felder gewinnen. In diesem Fall erhält der Spieler das 36fache seines Einsatzes. Fällt die Kugel dagegen auf die Null, hat er Pech. Dann fallen seine Einsätze der Spielbank zu. Statistisch in einem von 37 Fällen wird ein Spieler alles verlieren. Das entspricht einem Verlustrisiko von weniger als 3 %.

Nur erhält der Spieler beim Rücktausch seiner Jetons an der Kasse weiß gewaschenes Geld. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, Schwarzgeld verlustfreier zu waschen. Aus diesem Grunde tummelten sich in den sächsischen Spielbanken oft Spieler von zweifelhafter Herkunft. Dem Freistaat konnte dies egal sein, da er dabei kräftig verdiente. So entwickelten sich oft belastbare Geschäftsverbindungen zur Unterwelt. Und derartige Kundenbeziehungen wollten gepflegt werden.

Ob diese Verbindungen auch bei den sächsischen Spielbanken bestanden bzw. wie belastbar diese waren, wussten wir natürlich nicht. Das Drohungspotenzial lastete dennoch gewaltig auf uns.

Die Gerüchteküche trug ihren Teil zur wachsenden Panik auf unserer Seite bei. Man hörte aus anderen Spielbanken, dass Kriminelle auch mal „Gefälligkeiten“ ausführten. Wir mussten daher mit allem rechnen. Den Vertretern der Spielbanken trauten wir ebenso wenig über den Weg wie dem sächsischen Finanzministerium.

Mit der Zeit steigerte sich unsere Angst dramatisch. Diese vergrößerte sich noch einmal beträchtlich, nachdem Dr. Carl unsere körperliche Unversehrtheit in Frage gestellt hatte.

Sonntag, 19. März 2000

Die Drohungen von Dr. Carl führten zu einer erneuten deutlichen Verschärfung der Verhandlungen vor der betrieblichen Einigungsstelle. Wir waren nicht bereit, mit Leuten über einen Sozialplan zu diskutierten, die uns massiv bedrohten.

Ich war über die Vorgehensweise des Finanzministeriums verärgert wie noch nie. Mein Traum vom Rechtsstaat wies immer neue, tiefe Risse auf. Für mich ging es längst nicht mehr darum, ob der Freistaat Sachsen seine Drohungen umsetzt, sondern nur noch, wie er dies tun würde. Wir mussten mit allem rechnen.

Ich setzte ich mich weiterhin für eine hohe Abfindung der Spielbankmitarbeiter ein. Die Geheimplanungsunterlagen wollten wir ausgiebig nutzen, zumal das Finanzministerium auf Weisung von Prof. Dr. Milbradt in den vergangenen Monaten alles unternommen hatte, um uns in der Öffentlichkeit zu diffamieren. BILD und Morgenpost waren unsere ständigen Kritiker. Andere Zeitungen, wie die Leipziger Volkszeitung und die Sächsische Zeitung berichteten dagegen objektiv und ließen sich nicht so leicht beeinflussen.

Den Anwälten der Spielbanken kamen erhebliche Zweifel, ob sie die Kündigungsschutzprozesse der Beschäftigten gewinnen können. Denn die Geheimplanungsunterlagen sprachen eine klare Sprache. Wer ein noch viel größeres klassisches Spiel im Cosel-Palais plant kann nicht im Ernst das klassische Spiel stilllegen wollen. Je höher das Risiko für die Arbeitgeberseite war, desto höher würde die Sozialplanabfindung ausfallen. Sollten die Mitarbeiter ihre Kündigungsschutzprozesse gewinnen, würden hohe Gehaltsnachforderungen fällig. Diese Drohkulisse sorgte für weiteren Druck.

Gleichzeitig traten wir in den Sozialplanverhandlungen angriffslustiger denn je auf. Die bisherigen Angebote der Spielbanken für einen Sozialplan waren für uns jetzt erst recht nicht mehr akzeptabel. Einem Arbeitgeber, der durch die Schließung des klassischen Spiels auf Einnahmen in achtstelliger Höhe verzichtet, konnte es nicht schlecht gehen. Wir forderten die Zahlung von 6,5 Millionen Deutsche Mark im Gegenzug für einen zeitnahen Verhandlungsabschluss.

Am heutigen Tag dauerten die von Prof. Dr. Däubler geführten Verhandlungen wieder einmal lange. Erneut bekamen wir die Vertreter der Arbeitgeberseite nicht zu Gesicht. Prof. Dr. Däubler pendelte zwischen uns und unseren Gegnern hin und her, um wenigstens kleinste Fortschritte zu erzielen. Wir blieben jedoch in der Sache hart. Auch das geringste Entgegenkommen lehnten wir entschieden ab.

Gegen 0:30 Uhr war es dann so weit. Es erschien ein wutschnaubender Staatssekretär Dr. Carl in Begleitung des Geschäftsführers Bildstein in unserem Verhandlungszimmer und schrie uns mehr als eine Minute lang an. Wieder einmal hätten die Interessen aller Mitarbeiter und der Betriebsräte verraten, so sein wenig nachvollziehbarer Vorwurf. Da verlor der kampferprobte Staatssekretär Dr. Carl doch tatsächlich die Nerven. Einmal mehr stieg die Spannung bis zum Siedepunkt. Wir fragten uns, welche Vorstellung dieser Herr von unseren Interessen besaß.

Als unsere „Verhandlungspartner“ den Raum verließen und wieder Ruhe einkehrte, wussten wir, dass wir gewonnen hatten. An diesem Abend einigten wir uns auf einen Sozialplan mit einem Volumen in Höhe von insgesamt 6,5 Millionen Deutsche Mark. Darin waren die bis zum Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich sowie bis zum Ablauf der jeweiligen Kündigungsfristen zu zahlenden Gehälter nicht einmal enthalten.

Das war viel Geld für die Mitarbeiter, die nur eine Betriebszugehörigkeit von 3-4 Jahren vorweisen konnten. Die sächsischen Spielbanken mussten zur Finanzierung des Sozialplans ihr Stammkapital um 4 Millionen DM herabsetzen. Offensichtlich hatte sich Prof. Dr. Milbradt geweigert, das Geld aus der Tasche des Ministeriums zu zahlen. Es war einfacher, die Spielbanken für das Versagen des Finanzministers bluten zu lassen.

Uns interessierte das nicht weiter; wir hatten nach langem, intensivem Kampf gewonnen. Der Preis, den wir für dieses Ergebnis zahlen mussten war jedoch zu hoch. Verhandlungen, in denen sich unsere Gegner an rechtsstaatliche Bindungen gehalten hätten wären sicherlich anders verlaufen. Desillusioniert war uns längst klargeworden, dass das sächsische Finanzministerium eher von einem „hybriden Rechtsstaat“ ausging. Ihre rechtsstaatliche Bindung war unseren Gegnern anscheinend völlig egal.

Montag, 20. März 2000

Es war gegen 1:30 Uhr morgens, als im Verwaltungsgebäude der sächsischen Spielbanken in der Oststraße die Lichter ausgingen und ich mich auf den Heimweg machte. Die zurückliegenden Verhandlungen hatten mich emotional stark mitgenommen. Mit dem erzielten Ergebnis löste sich endlich das angestaute Adrenalin in meinem Körper auf. Ich wollte nur noch nach Hause und ausschlafen.

Müde stieg ich in mein Auto, einen Audi S 8. Die Stadt war ruhig um diese Uhrzeit. Es gab zu dieser frühen Morgenstunde keinen Verkehr. Dass ich um diese Zeit noch unterwegs war wusste außer den Teilnehmern der Einigungsstelle niemand.

Noch auf dem Parkplatz der Spielbank befiel mich panische Angst, die ich mir nicht erklären konnte. Ich erinnerte mich an die massiven Drohungen des Staatssekretärs, der unsere körperliche Unversehrtheit in Frage gestellt hatte. Aber das war nun eigentlich Geschichte. Was sollte nun noch passieren? Es gab doch keinen Grund mehr; wir hatten die Sozialplanverhandlungen soeben abgeschlossen, versuchte ich mich zu beruhigen. Mein Auftrag war erledigt. Meine stärker werdende Angst konnte ich jedoch nicht besänftigen.

Nur selten in meinem Leben habe ich Dinge vorhergesehen. Aber genau darin lag der Grund für meine nun einsetzende Panik. Ich fürchtete um mein Leben. Also überlegte ich mir, ob ich für die Heimfahrt nicht eine andere Route wählen sollte. Daher war ich mir nicht sicher, ob ich wie bisher nach rechts in die Oststraße abbiegen und den direkten Weg nach Hause nehmen oder zuerst nach links fahren und einen Umweg in Kauf nehmen sollte.

Ich entschied mich wie immer für den direkten Weg und versuchte mich zu beschwichtigen. Dies ging allerdings schief. Vor meinem inneren Auge sah ich, wie aus einer der nächsten beiden Querstraßen von links ein Auto herausschießt, um mich mit Vollgas in die Fahrerseite zu rammen.

Ich versuchte dies als Panikattacke abzutun. Die Zeiten, in denen sich die führende politische Kaste der DDR missliebiger Gegner durch einen Autounfall entledigte, gehörten lange der Vergangenheit an. Meine Nerven waren jedoch für derartige Beschwichtigungsversuche immun.

Alles lief vor meinen Augen wie in Zeitlupe ab. Ich spürte förmlich den bevorstehenden Angriff, wusste nur noch nicht, wo meine Gegner waren.

In meiner Angst reduzierte ich die Geschwindigkeit meines Audis auf etwa 35 Stundenkilometer und schaltete in den zweiten Gang zurück. Der Audi S 8 war ein schnelles Auto. Es verfügte mit seinem großen Motor über ein gewaltiges Beschleunigungsvermögen. Falls etwas geschehen sollte, wollte ich ausweichen und mit durchgetretenem Gaspedal das Weite suchen.

Es war jedoch ruhig auf der Straße. Ich fuhr langsam in die erste Kreuzung ein und blickte vorsichtig nach links. Nichts. Keinerlei Verkehr, was mich etwas beruhigte. Also fuhr ich langsam weiter. Meine Panik schoss jedoch in die Höhe als meine innere Stimme ankündigte, der Angriff werde an der nächsten Kreuzung erfolgen. In diese fuhr ich nun langsam hinein.

Und dann geschah es: Eine schwere, dunkle Limousine raste mit hoher Geschwindigkeit auf mich zu und versuchte, mich in die Fahrerseite zu rammen. Sofort verspürte ich nackte Todesangst. Mein Adrenalin schoss zurück in meine Adern und schnellte nach oben.

Das konnte kein Zufall sein, ging es mir schlagartig durch den Kopf. Nicht um diese Uhrzeit und nicht in dieser Gegend. Und erst recht nicht nach einer so kurzen Wegstrecke, nachdem ich den Verwaltungssitz der Spielbanken verlassen hatte. Wer sollte denn wissen, wo ich mich gerade befand, blitzte es in meinem Kopf auf.

Das auf mich zurasende Fahrzeug machte nicht einmal den Versuch zu bremsen. Damit war das, was schemenhaft vor meinen Augen ablief, kein Zufall. Ich handelte instinktiv und trotzdem mechanisch.

Mit aller Gewalt trat ich das Gaspedal meines Audi durch und spornte ihn zu Höchstleistungen an. Ich verließ die Straße, die für beide Fahrzeuge zu eng geworden war, wich einem Kollisionskurs aus und steuerte mein Auto über den Bürgersteig, um dem Angriff zu entgehen.

Mit viel Glück konnte ich den sicheren Crash vermeiden. Ohne meine Vorahnung hätten man mir eine kräftige Breitseite verpasst. In diesem Augenblick war ich davon überzeugt, dass man mich töten wollte. Bei Rammversuchen auf der Fahrerseite muss das Opfer mit dem Schlimmsten rechnen.

Mit überhöhter Geschwindigkeit brauste ich davon. Ich wollte mich möglichst schnell von der Kreuzung entfernen. Mein angstvoller Blick in den Rückspiegel überzeugte mich davon, dass mir niemand folgte. Die Angst blieb noch lange Zeit in meinen Knochen stecken. Dass es sich um einen Zufall handelte schließe ich auch heute noch aus.

Ich bin mir sicher, dass der Fahrer der Limousine über meine Abfahrt vom Firmensitz der Spielbanken informiert worden war. Das Ende der Verhandlungen unserer Einigungsstelle, der Zeitpunkt meiner Abfahrt und auch die bekannte Strecke für meinen Rückweg sprachen gegen einen Zufall. Gleiches gilt für die mich erwartende Limousine und die hohe Geschwindigkeit, mit der sie auf mich zuraste.

Natürlich überlegte ich damals, ob ich wegen dieser Vorkommnisse zur Polizei gehen sollte. Dort hätte man mich wahrscheinlich ausgelacht. Die linientreue sächsische Polizei war nicht gerade mein Verbündeter. Ich konnte nichts beweisen, insbesondere nicht, dass es sich um einen Einschüchterungsversuch meiner Gegner handelte. Ein Einschüchterungsversuch machte nach Abschluss der Verhandlungen über einen Sozialplan auch keinen Sinn mehr – ein Denkzettel dagegen schon.

Dienstag, 22. August 2000

Der Kampf um das Recht war damit noch nicht vorbei, denn die strafrechtlichen Ermittlungen gegen mich liefen weiter.

In den vergangenen Monaten ruderte die Staatsanwaltschaft Dresden immer mehr zurück. Zu abenteuerlich waren die erhobenen Vorwürfe. Das Landeskriminalamt kam sogar zu der Überzeugung, dass der Brief des Betriebsratsmitglieds, der mich angeblich so stark belastete, aus der Feder des ehemaligen Geschäftsführers Fendel stammte. Wieso sonst sollte man eine Kopie gerade in seinen Unterlagen finden? Es bestand kein Zweifel mehr an einer Fälschung. Man hatte ein falsches Spiel mit uns gespielt und dieses auf die Spitze getrieben.

Für mich stellte sich die Frage, warum die Staatsanwaltschaft Dresden nicht bereits früher den Zweifeln des Landeskriminalamtes an der Echtheit des Briefes nachgegangen war. Zeit zur eingehenden Prüfung bestand zu Genüge.

Immerhin – so hatte ich dies dunkel in Erinnerung – oblag der Staatsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege die Aufgabe, auch entlastenden Gesichtspunkten nachzugehen. Vielleicht war aber auch dies nur ein Teil meines hoffnungslosen Traums vom Rechtsstaat. In Sachsen sucht die Staatsanwaltschaft nur nach belastenden Fakten. Gibt es diese nicht, werden sie erfunden[2].

Jedenfalls verspürte die Staatsanwaltschaft Dresden von Anfang an nicht die geringste Neigung, diese uns entlastende Tatsachen zu recherchieren. In diesem Fall hätte sich der Vorwurf, Kopf einer kriminellen Vereinigung zu sein, niemals begründen lassen. Und Anlass, die Vorwürfe in der Öffentlichkeit zu streuen hätte ebenfalls nicht bestanden. Unsere Gegner interessierten sich nun einmal nicht für rechtliche Bindungen. Sie wollten ihre Ziele erreichen. Dazu mussten Vorwürfe notfalls konstruiert werden.

Dies dürfte der Staatsanwaltschaft Dresden auch klar gewesen sein. Der Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses war nach den vorliegenden Erkenntnissen eigentlich ausgeschlossen. Das wussten natürlich meine Gegner. Dennoch halfen sie nach. Ihnen war es wichtig, die Vorwürfe möglichst hoch aufzuhängen. Es ist nun einmal einfacher, mit dem Vorwurf, Kopf einer kriminellen Vereinigung zu sein, einen Durchsuchungsbeschluss zu erhalten als im Fall eines Bagatelldelikts.

Egal welche Staatsanwaltschaft in den vergangenen fast 20 Jahren gegen mich ermittelte: Dass sie entlastenden Punkten nachging, habe ich nie erlebt. Für mich stellt die Staatsanwaltschaft eine reine Anklagebehörde dar, die eigene, oft politische Ziele verfolgt und dabei –wie im Freistaat Sachsen – von der Regierung gesteuert wird. Entscheidend für die Einleitung von Ermittlungen war eher, welche taktische und strategische Wirkung man erzielen wollte. Oft genug geht es dabei um eine Einschüchterung und spätere Verunglimpfung des Gegners.

Aus diesem Grund deckt sich die Vorgehensweise der sächsischen Staatsanwaltschaften nicht mit meiner Vision des Rechtsstaates. Daher tat ich mich schwer, deren Aktivitäten vorauszusehen. Die Angriffe kamen von einer Seite, mit der ich nicht rechnete.

Damals wunderte ich mich noch darüber, wie es möglich ist, dass sich Staatsdiener über rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen mit einem Handstrich hinwegsetzen. Sie verfolgten eben nicht nur ermittlungstaktische Ziele. Im Gegensatz zu mir war ihnen bewusst, wie Ermittlungsbehörden, Gerichte und die Öffentlichkeit auf die erhobenen Vorwürfe reagieren. All dies spielte bei der Wahl ihrer Mittel eine wichtige Rolle.

Es kam nicht einmal darauf an, ob an den Vorwürfen etwas dran ist, selbst dann, wenn man einen unbescholtenen Bürger öffentlich brandmarkt. Sie spielten ihr „Spiel“ nach eigenen Regeln. Gerade die enge Verzahnung zwischen den Ermittlungsbehörden und der Ministerialbürokratie bereitet mir große Sorgen.

Der in Sachsen gelebte Version des Rechtsstaats war ein Wintermärchen, bei dem die regierende Kaste ihr eigenes Lied sang. Heinrich Heine lässt grüßen. Langsam begriff ich diese Sichtweise. Meine Gegner dachten nicht in Kategorien von Gerechtigkeit, sondern von Interessen und Machtoptionen. Nach außen hält man die Fassade aufrecht, um das Gebäude von innen umso mehr auszuhöhlen. Das Volk dagegen wird mit Plattitüden über den Rechtsstaat, Gerechtigkeit oder die Unschuldsvermutung vertröstet. Das sind leere Versprechen, die nicht eingelöst werden.

Mittwoch, 18. Oktober 2001

Einen wichtigen Erfolg im Kampf um den Rechtsstaat konnte ich dann doch noch erzielen. Zwischenzeitlich befasste sich der sächsische Verfassungsgerichtshof mit dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts in der vom Landgericht Leipzig bestätigten Fassung. Meine Verfassungsbeschwerde hatte ich im heftigen Getümmel der Auseinandersetzungen völlig aus den Augen verloren.

Der Verfassungsgerichtshof gab mir in seiner Entscheidung einstimmig recht und hob den Durchsuchungsbeschluss als offensichtlich verfassungswidrig auf.

Im Gegensatz zum Amts- und Landgericht Leipzig waren die Verfassungsrichter der Auffassung, dass der Durchsuchungsbeschluss bereits aufgrund der internen Erkenntnisse des Landeskriminalamtes über die fehlende Authentizität des mich belastenden Briefes nie erlassen werden durfte. Nach Auffassung der Richter war an den Vorwürfen nicht das Geringste dran.

Wow, ich hatte gewonnen! Kaum zu glauben. Und das in Sachsen.

Wenig später stellte die Staatsanwaltschaft Dresden mein Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung ein. Es lagen plötzlich keinerlei Hinweise mehr auf irgendwie gelagerte Straftaten vor. Wen wundert es. Der Kampf um die Spielbanken war damit beendet.

Ganz so schlimm konnte es also um unseren Rechtsstaat doch nicht bestellt sein. Nur der Weg dahin war lang. Man brauchte einen kräftigen Atem und gute juristische Kenntnisse.

Es sollte allerdings einer der wenigen Siege bleiben, den ich gegen das hybride System in der sächsischen Justiz erringen konnte.

Und eines unterschätzte ich gewaltig: Meine Gegner an den juristischen und politischen Schalthebeln der Macht warteten nur auf eine passende Gelegenheit, um alte Rechnungen zu begleichen. Sie hatten zwar eine Schlacht verloren, aber sie dachten nicht daran, aufzugeben.

Mut zu einer Auseinandersetzung mit der herrschenden Kaste in Sachsen machen diese Erlebnisse sicherlich nicht. Wer hat schon die Nerven und das Geld, einen Durchsuchungsbeschluss bis zum Ende zu bekämpfen? Für den normalen Bürger ist dieses System zu kompliziert, zu aufwändig und zu teuer.

Was nützt der schönste Rechtsstaat, wenn sich der Bürger am Ende des Tages die Durchsetzung seiner Rechte nicht leisten kann oder vor Enttäuschung nicht mehr leisten will? Kein Wunder, dass viele Menschen nicht bereit sind, mit dem Staat die Klingen zu kreuzen. Schließlich gestaltet dieser seine Regeln selbst.

Freitag, 16. August 2002

Für mich war die Angelegenheit nach diesem Teilerfolg noch nicht abgeschlossen. Mit der Entscheidung des sächsischen Verfassungsgerichtshofs hielt ich eine wichtige Trumpfkarte in den Händen. Ich hatte vor, den Freistaat Sachsen im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses zu verklagen.

Was viele Bürger nicht wissen ist die Tatsache, dass man den Staat gerichtlich zur Rechenschaft ziehen kann. Dieser ist für das Fehlverhalten seiner Bediensteten verantwortlich und muss die daraus resultierenden Schäden ersetzen. Das galt natürlich auch für den Freistaat Sachsen.

Vor Erhebung meiner Klage forderte ich den Freistaat außergerichtlich zur Wiedergutmachung auf. Hierzu schrieb ich den damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Prof. Dr. Biedenkopf persönlich an. Dieser entschuldigte sich anschließend schriftlich für das mir gegenüber begangene Unrecht, was ich ihm hoch anrechne. Hinsichtlich meiner Schadensersatzforderung reichte er meinen Brief zuständigkeitshalber an das Finanzministerium von Prof. Dr. Milbradt zur Beantwortung weiter. Na ja, dort war er ja bestens aufgehoben.

Die Antwort, die ich am 28. Dezember 2001 aus dem sächsischen Finanzministerium erhielt, überraschte mich nicht. Natürlich sah Prof. Dr. Milbradt kein Fehlverhalten seines Hauses oder von Mitarbeitern der sächsischen Justiz. Schon gar nicht sei man verpflichtet, Schäden zu begleichen. Auch eine Entschuldigung kam dem streitigen Minister nicht über seine Lippen.

Das passte so richtig in mein neues Realitätsbewusstsein. Politik war ein rechtsfreier Raum in dem sich machtbewusste Personen austoben, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. Selbst Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs änderten daran nichts.

Was taugt also das ganze Gerede über unseren schönen Rechtsstaat? Was nützen all unsere Verfassungsgrundsätze, wenn sich Staatsbedienstete, ja sogar Minister darüber hinwegsetzen?

Nein, dies konnte ich nicht akzeptieren. Der Freistaat verdiente nach dieser Antwort eine weitere Lektion.

Montag, 23. September 2002

Mit meiner Klage gegen den Freistaat zog ich einen Schlussstrich. Ich verlangte Schadensersatz sowie Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 DM, da der Durchsuchungsbeschluss einen besonders schwerwiegenden Eingriff in meine körperliche Unversehrtheit darstellte. Dieser hätte nie erlassen, die Durchsuchung nie stattfinden dürfen. Aus meiner Sicht lag eine klare Pflichtverletzung sowohl der Staatsanwaltschaft Dresden, als auch der mit dem Vorgang befassten Richter am Amtsgericht und Landgericht Leipzig vor.

Natürlich wies der Freistaat Sachsen in dem Rechtsstreit jegliche Verantwortung von sich. Warum auch sollte er sich mit dem Begehren eines Bürgers, der von ihm massiv geschädigt worden war, ernsthaft auseinandersetzen? Der Freistaat vertrat die Auffassung, die gegen mich bestehenden Verdachtsmomente rechtfertigten in jedem Fall den Erlass des Durchsuchungsbeschlusses. Welche Verdachtsmomente? Habe ich das wirklich richtig gelesen? Ohnehin waren diese frei von meinen Gegnern frei erfunden worden. So ließ sich sicherlich alles rechtfertigen.

Damit stellte das sächsische Finanzministerium die Gegebenheiten auf den Kopf. Objektiv betrachtet war etwas Anderes jedoch nicht zu erwarten. Also musste das Landgericht Leipzig über meine Klage entscheiden.

Freitag, 10. Oktober 2003

Der Tag der Urteilsverkündung war gekommen. Die 13. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig sprach Recht. Und ihre Entscheidung hatte es in sich. Das Landgericht gab meiner Klage gegen den Freistaat in vollem Umfang statt.

Die Begründung des Urteils bot wahren Sprengstoff: Nach Auffassung des Landgerichts hatte die Dresdener Staatsanwaltschaft bei ihrem Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses eine Amtspflicht verletzt. Aufgrund der zuvor durchgeführten Ermittlungen bestand kein ernst zu nehmender Tatverdacht. Ein Beweiswert des vom sächsischen Staatsministerium der Finanzen belastend angeführten Briefes bestehe nicht, da es sich hierbei nach Einschätzung des sächsischen Landeskriminalamtes um eine Fälschung handelte. Hiervon musste auch die Staatsanwaltschaft Dresden ausgehen.

Bei dieser Sachlage – so das Landgericht weiter – erscheint der mit der beabsichtigten Durchsuchung und Beschlagnahme unvermeidliche Eingriff in die Grundrechte des Rechtsanwalts Dr. Keßler und seiner völlig unbeteiligten Mandanten nicht verständlich. Ferner hieß es:

„Das Ergebnis der Untersuchungen des LKA war in keiner Weise geeignet, einen derart gewichtigen Eingriff – zumal gegenüber einem Rechtsanwalt – zu rechtfertigen. Dies musste einem verständigen Amtsträger unmittelbar einleuchten. Dass Staatsanwalt Klein dennoch den Durchsuchungsbeschluss beantragte, erscheint nach dem Ergebnis der Ermittlungen unverständlich.

Das war bei aller richterlichen Zurückhaltung mehr als deutlich. Das Landgericht Leipzig verpasste meinen Gegnern eine schallende Ohrfeige und rief sie zur Einhaltung der einschlägigen rechtlichen Regelungen auf.

Am Ende war dies für mich nicht mehr als ein Pyrrhussieg. Wahrscheinlich stellte er den Auslöser für einen sich nun immer stärker abzeichnenden Vernichtungsfeldzug des Freistaates dar, der meine schlimmsten Befürchtungen weit übertreffen würde.

Samstag, 18. Oktober 2003

Nun trat eine Zäsur ein. Langsam beruhigte ich mich wieder. Das Märchen lebte weiter. Am Ende hatte der Rechtsstaat gesiegt. Damit zog ich unter das Kapitel sächsische Spielbanken einen Schlussstrich.

Mit den Geheimplanungen beschäftigte sich dagegen niemand mehr. Die Staatsanwaltschaft Dresden sah merkwürdigerweise keinen Anfangsverdacht für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen.

Die fehlende Ermittlungsbereitschaft der Staatsanwaltschaft Dresden führte am Ende zu einem Zweiklassenstrafrecht. Während man gegen mich mit aller Härte vorgegangen war blieb die Staatsanwaltschaft gegenüber den sächsischen Spielbanken und dem Finanzministerium von Prof. Dr. Milbradt untätig. Sie ermittelte weder wegen des versuchten Prozessbetruges, noch wegen einer falschen Verdächtigung oder gar Anstiftung zur Verleumdung. Immerhin war es Prof. Dr. Milbradt, der ausdrücklich die Verwendung der gegen mich erhobenen Vorwürfe in der Öffentlichkeit angeordnet hatte.

Hierin sah ich die geringe rechtsstaatliche Verankerung von Teilen der herrschenden Kaste in Sachsen. Jeder normale Bürger wäre für vergleichbare Straftaten mehrere Jahre im Gefängnis verschwunden.

Damals hoffte ich, der Freistaat würde seine Niederlage sportlich nehmen. Ich hatte nur meinen Job erledigt und die Mitarbeiter der Spielbanken sowie die Betriebsräte nach besten Kräften vertreten. Rückblickend betrachtet war die Ruhe dennoch trügerisch. Auf die Gnade des Vergessens konnte ich beim Freistaat Sachsen nicht hoffen.

Nun begann eine zweite, viel intensivere Phase, in der mich der Freistaat immer wieder seinen langen Atem spüren ließ. Der Kampf um das Rechtsstaatsprinzip war noch lange nicht vorbei. Er stand erst in den Startlöchern.

Teile der sächsischen Justiz erfüllen keine rechtsstaatlichen Mindeststandards. Die Liste der Betroffenen, die mit ihr in Konflikt gerieten, ist lang[3]. Mal sind es Abgeordnete des sächsischen Landtags, die mit den Möglichkeiten der Ermittlungsbehörden mundtot gemacht werden. Oft sind es Menschen, die sich gegen den in Sachsen stark vertretenen Rechtsradikalismus engagierten, wie der Jenaer Jugendpfarrer König[4]. Oder es gab Pressevertreter, die über die Politik des Freistaates Sachsen kritisch berichteten[5]. In all diesen Fällen schritt der Obrigkeitsstaat ein. Und die Justiz segnete ab[6]. Darauf wenigstens war in Sachsen Verlass.

Ich war also kein Einzelfall.

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, rechtsstaatliche Regelungen zu brechen, ohne dass die Allgemeinheit etwas davon bemerkt. Die sächsische Justiz geht mit ihrer Version des „hybriden“ Rechtsstaats routiniert um. Ihre Vorgehensweise zeigt jahrzehntelange Erfahrung. Wie der Freistaat tritt nur jemand auf, der sich seiner Sache sicher ist, der weiß, dass er von seinen Gegnern nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann. Er nutzt sein Gewaltmonopol – und der gutgläubige Bürger leidet darunter.

Im Verlauf der letzten 20 Jahre hat es die sächsische Justiz nicht an Erfindungsreichtum fehlen lassen. Die Art und Weise, wie man sich über rechtliche Regelungen hinwegsetzte, wurde immer feinsinniger.

Oft hatte ich an mehreren Fronten gleichzeitig zu kämpfen. Meinem Gesundheitszustand hat dies schwer geschadet. Gesundheitlich gewachsen ist diesen Angriffen auf Dauer niemand. Und natürlich war dies meinen Gegnern von Anfang an klar.

 

[1]              www.spiegel.de/politik/deutschland/a-90341.html; www.spiegel.de/politik/deutschland/sachsen-justizminister-heitmann-zurueckgetreten-a-92979.html; www.handelsblatt.com/impressum/nutzungshinweise/blocker/?callback=%2Farchiv%2Funertraeglichen-angriffe-fuehren-zum-ruecktritt-sachsens-justizminister-heitmann-gibt-auf%2F2004406.html; http://www.rp-online.de/politik/sachsens-justizminister-zurueckgetreten-aid-1.2268419

[2]              Siehe das Beispiel des Jenaer Jugendpfarrers König: www.lvz.de/Mitteldeutschland/News/Neue-Videos-im-Prozess-um-Pfarrer-Koenig-in-Dresden-Verfahren-wird-fuer-Monate-ausgesetzt; www.spiegel.de/panorama/justiz/prozess-gegen-lothar-koenig-videos-entlasten-jenaer-pfarrer-a-902785.html; www.sz-online.de/sachsen/prozess-gegen-pfarrer-lothar-koenig-geplatzt-2608224.html; ferner http://www.n-tv.de/politik/Dresdner-Justiz-will-Strafe-fuer-H-erzwingen-article19743296.html

[3]              So das Beispiel des Abgeordneten Noelle, www.spiegel.de/spiegel/print/d-70701694.html; www.sz-online.de/sachsen/karl-nolle-kaempft-um-sein-lebenswerk-830494.html; ferner www.welt.de/print-welt/article535320/Sachsens-Kronprinz-unter-Druck.html; www.mdr.de/sachsen/leipzig/legidagegner-selbstanzeigen100.html; www.l-iz.de/leben/gesellschaft/2016/09/staatsanwaltschaft-hat-ermittlungen-wegen-einer-sitzblockade-in-zahlreichen-faellen-eingestellt-150253; http://www.tagesspiegel.de/politik/korruptionsaffaere-in-sachsen-die-dunkle-seite-der-macht/980400.html ; Mandy Kopp, Die Zeit des Schweigens ist vorbei, 2013; www.spiegel.de/panorama/justiz/sachsensumpf-wie-die-justiz-mandy-kopp-stigmatisierte-a-891227.html; www.zeit.de/2012/10/Mandy-Kinderbordell-Sachsensumpf; www.welt.de/vermischtes/article114286510/Martyrium-der-Zwangsprostituierten-Mandy-Kopp.html; www.tagesspiegel.de/politik/korruptionsaffaere-in-sachsen-die-dunkle-seite-der-macht/980400.html; www.sz-online.de/sachsen/polizist-wehling-wieder-im-visier-der-justiz-831963.html; http://ueberhauptgarnix.blogspot.de/2012/09/sachsensumpf.html

[4]              www.lvz.de/Mitteldeutschland/News/Neue-Videos-im-Prozess-um-Pfarrer-Koenig-in-Dresden-Verfahren-wird-fuer-Monate-ausgesetzt; www.spiegel.de/panorama/justiz/prozess-gegen-lothar-koenig-videos-entlasten-jenaer-pfarrer-a-902785.html; www.sz-online.de/sachsen/prozess-gegen-pfarrer-lothar-koenig-geplatzt-2608224.html; ferner http://www.n-tv.de/politik/Dresdner-Justiz-will-Strafe-fuer-H-erzwingen-article19743296.html

[5]              www.berliner-zeitung.de/in-dresden-stehen-zwei-journalisten-in-der-affaere-um-den–sachsen-sumpf–vor-gericht-ermittlung-nach-wunsch-14604754; www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2010-08/sachsensumpf-urteil; http://www.tagesspiegel.de/politik/korruptionsaffaere-in-sachsen-die-dunkle-seite-der-macht/980400.html

[6]              www.n-tv.de/politik/Tausende-Handydaten-ausgespaeht-article3614656.html; http://winfuture.de/news,64071.html; ferner http://www.n-tv.de/politik/Dresdner-Justiz-will-Strafe-fuer-H-erzwingen-article19743296.html

Gesetzliche Krankenkassen und der hybride Rechtsstaat

Es läuft vieles falsch in unserer Republik. Da meine ich nicht nur unsere Politiker und Entscheidungsträger in der Wirtschaft. Auch andere Organisationen beteiligen sich an der Übervorteilung des Bürgers.

Was vielen nicht so bewusst ist, auch die gesetzlichen Krankenkassen lassen den Betroffenen gerne im Regen stehen. Leider habe ich auch hier miserable Erfahrungen gemacht. Früher dachte ich einmal, die AudiBKK sei eine seriöse Krankenkasse, die mit ihren Mitgliedern fair umgeht. Das tat sie auch – solange ich gesund war.

Als unverschämt empfand ich es bereits, als sie für einen Zeitraum von 12 Monaten, den ich im Ausland verbrachte, Beiträge verlangte, obwohl ich durch eine Auslandskrankenversicherung abgesichert war. Der Streit eskalierte, nachdem ich – wieder zurück in der Bundesrepublik – während eines Arbeitsverhältnisses langfristig an Depressionen erkrankte. Nach fünf Wochen Krankengeldzahlung kündigte mir die AudiBKK die Krankenversicherung und warf mich raus.

Den Grund hierfür hatte sie schnell parat. Ich hätte meine Krankschreibung angeblich einen Tag zu spät veranlasst. Daher sei ich zwischenzeitlich wieder gesund geworden. Bei meinen chronischen Depressionen ist dies absolut hanebüchen. Ich legte lückenlose Krankschreibungen vor und forderte die Fortsetzung der Krankengeldzahlung. Auch mein Hausarzt bestätigte der AudiBKK auf deren Anfragen stets, ich habe mich jeweils rechtzeitig krankschreiben lassen. Daher wusste die AudiBKK natürlich auch, dass ich nichts falsch gemacht hatte.

Nur wollte sie mir das Krankengeld, das mir zustand, nicht weiterzahlen. Juristisch ist dies natürlich unhaltbar – und das weiß natürlich auch die AudiBKK. Sie empfahl mir, einen Antrag auf Hartz-IV-Leistungen zu stellen, um meine Notlage zu überbrücken. Das empfand ich mehr als dreist. Die AudiBKK wollte sich jedoch nicht an gesetzliche Regelungen halten.

Daher wandte ich mich auch an das zuständige Bundesaufsichtsamt und bat um Einschreiten. Dieses – auch eine politische Institution – tat natürlich nichts, was dem Betroffenen helfen würde.

Es blieb mir daher nur der Gang zum Sozialgericht in Darmstadt. Dort ist der Rechtsstreit seit 16 Monaten anhängig, ein Verhandlungstermin weit und breit nicht im Sicht. Die AudiBKK wird diesen Rechtsstreit bis hoch zum Bundesverwaltungsgericht treiben. Die nächsten sechs bis sieben Jahre werde ich daher kein Geld sehen. Das ist natürlich auch der AudiBKK bekannt. Und genau hierin liegt der Grund für ihre Vorgehensweise.

Um Recht oder die Interessen ihres erkrankten Mitglieds geht es ihr jedenfalls nicht.

Sächsisches Rechtsanwaltsversorgungswerk – ein Trauerspiel – Teil 10

Dienstag, 23. August 2016

Wieder war ein Jahr vergangen. Ein Jahr des langen Wartens auf die Entscheidung des sächsischen Oberverwaltungsgerichts. Immer noch keimte ein Funken Hoffnung in mir, war es doch dieses Gericht, dass in der Entscheidung über meinen Prozesskostenhilfeantrag eine Erfolgsaussicht für meinen Rechtsstreit um die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente bejaht hatte. Dreieinhalb Jahre zuvor gab mir das gewaltigen Auftrieb.

Sächsisches Rechtsanwaltsversorgungswerk – ein Trauerspiel – Teil 5

Sächsisches Rechtsanwaltsversorgungswerk – ein Trauerspiel – Teil 9

Nun hielt ich die Entscheidung des sächsischen Oberverwaltungsgerichts in den Händen. Der Präsident des Gerichts hatte sich persönlich meiner Sache angenommen. Also schien die Angelegenheit hoch zu hängen. Meine Hoffnung verflog jedoch jäh, als ich das dreiseitige Papier in den Händen hielt. Das konnte nichts Gutes bedeuten.

Nun erhielt ich eine schallende Ohrfeige: Das Oberverwaltungsgericht machte sich nicht einmal die Mühe, sich mit meinem Anspruch auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente auseinanderzusetzen. Es wies meinen Antrag auf Zulassung der Berufung aus formalen Gründen ab. Ich hätte mich – so das Gericht – vor dem Oberverwaltungsgericht durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen. Für diesen fehlte mir jedoch das nötige Geld.

Außerdem hatte ich meinen Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht eingereicht, so wie dies in der Rechtsmittelbelehrung des Gerichts vorgesehen war. Dort musste ich jedoch keinen Rechtsanwalt hinzuziehen. Notwendig wäre dies allenfalls in einem Berufungsverfahren gewesen. Hier ging es jedoch erst um die Frage, ob gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4.11.2015 überhaupt Berufung eingelegt werden kann.

Am Ende wollte sich das Gericht nicht mit meiner Berufsunfähigkeitsrente auseinandersetzen. Wahrscheinlich war dies politisch nicht gewollt. Vielleicht wusste man ja um meinen Anspruch, wollte ihn mir jedoch nicht einräumen. So endete mein Kampf um meine Berufsunfähigkeitsrente mit einer herben Niederlage. Um eine rechtliche Frage ging es in der sächsischen Justiz offensichtlich schon lange nicht mehr.

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