Auf der einen Seite wird ein Hilfspaket in dreistelliger Milliardenhöhe für einen Krieg geschnürt, der seit Jahren jede politische und militärische „Erfolgserzählung“ Lügen straft. Auf der anderen Seite erklärt man den eigenen Bürgern mit ernster Miene, dass „Härte“, „Verzicht“ und „Prioritätensetzung“ nun unausweichlich seien. Natürlich nicht für alle: Wer an den richtigen Tischen sitzt, kann weiter über „strategische Investitionen in Freiheit und Sicherheit“ sprechen, während beim Rest der Bevölkerung die Gasrechnung und der Steuerbescheid diese „Freiheit“ sehr konkret definieren.
Bundeskanzler Merz hat dafür eine besonders kreative Erklärung parat. Die Rückzahlung dieser Kredite, so die Beschwichtigungsbotschaft, erfolge erst dann, wenn Russland Reparationszahlungen leistet. Elegant, nicht wahr? Ein nur vordergründig logisches Konstrukt, das einen kleinen Haken hat: Es basiert auf der Annahme, dass ein besiegtes Russland, falls es dazu kommt, freiwillig oder unter Druck hunderte Milliarden an Reparationen zahlt. Und dass Völkerrecht, internationale Ordnung und die politische Realität sich dieser deutschen Wunschvorstellung unterordnen.
Die zweite Säule dieser Erzählung ist noch gewagter: Die Verwertung von gefrorenem russischen Staatsvermögen, so Merz, entspreche dem Völkerrecht. Auch hier ein frecher Trick. Man nimmt ein Rechtskonstrukt, das international noch nicht geklärt ist, erklärt es für geklärt, und schon kann man sich moralisch erhaben fühlen, während man faktisch fremdes Vermögen konfisziert. Dass dies völkerrechtlich höchst umstritten ist, dass es Präzedenzfälle schafft, die Deutschland selbst in Zukunft treffen können, dass es das internationale Vertrauen in Rechtssicherheit erodiert, all das ist sekundär. Wichtig ist nur, dass die innenpolitische Erzählung stimmt.
Und wer glaubt, dass Deutschland am Ende wirklich nicht für diese Kredite haftet? Der Glaube ist niedlich. Die EU-Kreditfazilitäten, mit denen die Ukraine finanziert wird, sind faktisch deutsche Garantien mit anderem Namen. Wenn die Ukraine diese Kredite nicht zurückzahlen kann, und ehrlich gesagt, wer erwartet, dass ein vom Krieg zerstörtes Land mit Billionen-Schulden, ohne Einnahmen aber dafür mit unverändert korrupten Strukturen plötzlich solide wirtschaftlich wird, dann wird Deutschland zahlen. Nicht weil es muss, sondern weil es die einzige Wirtschaftskraft im Raum ist, auf die man zählen kann.
Deutschland ist offiziell nur „ein Partner unter vielen“, inoffiziell aber selbstverständlich wieder der Garant, der am Ende zahlt, wenn die Rechnung auf EU-Ebene fällig wird. Die Rollenverteilung ist erprobt: Brüssel beschließt „historische Pakete“, Berlin nickt „verantwortungsvoll“ mit, der deutsche Steuerzahler darf die Pointe finanzieren. Wer nachfragt, ob diese Milliarden vielleicht besser in marode Infrastruktur, Bildung, Gesundheitssystem oder Altersvorsorge investiert wären, bekommt die Standardantwort: „Populismus“, „Putin-Narrativ“ oder „mangelndes Verständnis für geopolitische Verantwortung“.
Die perfide Logik dahinter ist durchsichtig: Man verpflichtet sich zu etwas, das angeblich „erst später zu zahlen ist“, und bindet damit innenpolitisch niemanden an die Konsequenzen der Entscheidung. Merz kann heute sagen, „wir zahlen nicht, Russland zahlt“, und wenn in zehn Jahren klar ist, dass Russland nichts zahlt und die Schulden auf Deutschland zurückfallen, wird ein anderer Kanzler das Problem erben. Perfekte Verantwortungsvermeidung, gepaart mit der moralischen Grandeur, sich als Verteidiger von Recht und Freiheit zu inszenieren. Merz ist der perfekte Organisator des deutschen Staatsbankrotts.
Offiziell kämpft man in Kiew „für unsere Werte“. Inoffiziell hofft man offenbar, dass die altbekannte Korruptionsproblematik in der Ukraine durch bloßes Wegsehen verschwindet. Dass in einem Land, das seit Jahren auf Korruptionsindizes keine Ruhmesblätter schreibt, plötzlich jeder Euro sauber, zweckgebunden und vorbildlich eingesetzt wird, glaubt man angeblich so fest, dass jede Nachfrage nach Kontrolle oder Rechenschaft schon als unsolidarisch gilt. Goldene Toiletten, Offshore-Konten und ein Netzwerk von Oligarchen sind natürlich nur „böse Narrative“. Wirklich real sind nur die Summen, die hierzulande aus dem Haushalt verschwinden. Aber das ist ja etwas völlig anderes.
Die Ukraine-Politik der Bundesregierung und ihrer Vorgänger gehört zu jener Sorte Politik, die nicht scheitern darf, nicht weil sie funktioniert, sondern weil zu viele Karrieren, Narrative und moralische Selbstbilder daran hängen. Statt nüchtern zu bilanzieren, was diese Linie gebracht hat, militärisch, politisch, wirtschaftlich, wird einfach weiter Geld nachgeschoben. Denn wer weiterzahlt, kann so tun, als sei das Projekt noch nicht gescheitert, sondern nur „noch nicht abgeschlossen“.
Die Botschaft an die Bürger lautet unausgesprochen: Wir haben uns verrannt. Wir wissen es. Aber wir werden alles tun, damit Sie es nicht merken, bevor die nächste Rechnung kommt. Und wenn Sie doch fragen, bekommen Sie zu hören, dass Russland ja irgendwann zahlt, dass Völkerrecht das alles deckt, und dass Sie ohnehin keinen Plan haben für „geopolitische Realitäten“. Die eigentliche geopolitische Realität, dass Deutschland am Ende die Zeche zahlt, wird derweil aktiv ignoriert.
Die Logik ist so simpel wie zynisch: Wenn politische Strategien scheitern, wird nicht die Strategie geändert, sondern der Bürger zur finanziellen „Korrekturmasse“ erklärt. Wenn ein Krieg nicht zu gewinnen ist, wird er wenigstens weiter finanziert, damit niemand zugeben muss, dass er nicht zu gewinnen ist. Und wenn die Rechnung kommt, hat man sich längst neue Erklärungen zurechtgelegt: Reparationen, Völkerrecht, die Schuld anderer.
Ironie des Ganzen: Man nennt das dann „Verteidigung unserer Ordnung“ und „Verantwortung für die Welt“, und opfert dafür still und leise genau das, was eine demokratische Ordnung ausmachen sollte: Transparenz, Ehrlichkeit, Rechenschaft und den Primat der Interessen der eigenen Bevölkerung. Der Bürger zahlt die Rechnung für eine Politik, die er nie beschlossen hat und deren Fehlschläge ihm als Erfolg verkauft werden. Das ist nicht Geopolitik. Das ist Volksverarschung im großen Stil.
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